Montag: „Blöder kann man wohl nicht in eine neue Woche starten“, schrieb ich hier vor genau einer Woche. Doch, kann man: Bereits um zwanzig nach drei in der Frühe schreckten wir hoch von drei Schüssen irgendwo draußen auf der Straße oder in den Höfen, wie soll man das in dem Moment so genau wissen. Nachdem am Morgen keine Leiche und keine Einschusslöcher in den Fassaden auszumachen waren, nehme ich an, dass ein Irrer ein neues Spielzeug hat. (Bereits am frühen Samstagmorgen hatte es fünfmal in gleicher Weise geknallt.) Eher unwahrscheinlich, dass jemand denkt: „Hier wohnt doch dieser K, den wecke ich jetzt mal, damit er was zu bloggen hat, dem fällt ja sonst nix Gescheites ein.“ Bloggerschicksal: Während meine Lieben schon wieder in sanften Träumen weilten, lag ich noch länger wach und dachte über die Formulierung nach.
Dienstag: Morgens brüllte am Wegesrand ein Laubbläser. Geht schneller als mit einem Rechen, klar. Aber was genau ist beim Laubklauben eilbedürftig?
Abends gab es was zu sehen, in gewisser Weise eine optische Wiedergutmachung für das vorgenannte Gelärme.

Spätabends vermeldete der Geliebte die Sichtung der vierten Maus im Vogelhaus. Das macht nichts, es bietet genug Platz für noch einige mehr. Wir schaffen das, wie die Kanzlerin sagen würde.
Mittwoch: Als ich morgens zum Werk kam, versperrte ein Auto den Zuweg zum Fahrradständer, weil die Fahrerin direkt vor der daneben befindlichen Packstation parkte, um ein Paket abzuholen. Das Angebot an sie, meine Kollegen zu fragen, ob sie nicht eine Packstation entwickeln wollen, in die man ganz hineinfahren kann, verkniff ich mir.
Während einer größeren Skype-Veranstaltung verbreitete sich ein Verbalvirus, Sie erinnern sich vielleicht, was ich meine: Jemand sagt ein bestimmtes Wort wie „quasi“, „genau“ oder „tatsächlich“, daraufhin taucht es in jedem weiteren gesprochenen Satz auf. Heute war es „natürlich“. Dummerweise bemerkte ich es erst, nachdem ich es selbst einige Male gesagt hatte.
Die Nachbarn von unten sind aus dem Urlaub zurück, einen Tag früher als erwartet. Das ist grundsätzlich nicht schlimm, andererseits erfordert es vom Geliebten umgehende Verhaltensanpassung dahingehend, ab sofort keine Krümel und andere Gegenstände mehr kurzerhand über die Balkonbrüstung auf deren Terrasse zu entsorgen.
Donnerstag: Mitschrift aus einem Vortrag mit anschließender Diskussion: 62 mal „natürlich“, 48 mal „entsprechend“, 46 mal „Ich sag mal“, 15 mal „genau“, 14 mal „im Endeffekt“, 14 mal „quasi“, (nur) 11 mal „tatsächlich“, 11 mal „irgendwie“, 6 mal „an der Stelle“, 5 mal „am Ende des Tages“, je 4 mal „(agil) unterwegs“ und „vertesten“, je 3 mal „ehrlicherweise“ und „im Nachgang“, je 2 mal „im Prinzip“, „Zeitleiste“ und „wie gesagt“, und je einmal „Range“, „im Vorfeld“, „ausspeichern“ und „on point“.
Freitag: Die Briefwahlunterlagen für die Kommunalwahl sind eingetroffen. Wen ich nicht wählen werde ist klar. Aber wo soll ich mein Kreuzchen machen? Gar nicht so einfach.
Eine gute Wahl ist hingegen die neue Weinbar, die unweit unserer Wohnung neu eröffnet hat. (Zuvor befand sich in den Räumlichkeiten eine Billigbäckerei mit dem etwas albernen Namen „Back Oven“.) Sehr zu empfehlen, wobei sich die geringe Entfernung aufgrund des von uns vertesteten Angebots vor allem für den Rückweg günstig auswirkte.
Samstag: Heute ist „Erdüberlastungstag“, also der Tag, an dem die Menschen die natürlichen Ressourcen für dieses Jahr verballert haben und gewissermaßen auf Kredit weiter aasen. Warum der ausgerechnet heute ist und nicht gestern oder morgen, weiß die Wissenschaft, irgendwelche klugen Leute haben das mit vermutlich hochkomplizierten Methoden ermittelt. Jedenfalls ist das auch so ein stiller Feiertag, den kaum jemand zur Kenntnis nimmt, es passiert ja nichts Spektakuläres, also nicht mehr als an anderen Tagen. Die Erde könnte sich ja melden mit Orkanen, Erdbeben, Vulkanausbrüchen oder Tsunamis, seht her ihr doofen Menschen, was ihr mir antut. Stattdessen leidet sie still vor sich hin. Wobei ich glaube, sie leidet nicht, vielmehr ist es ihr vollkommen egal, wann wir uns endlich ausgerottet haben.
Jährlich werden alleine in Deutschland etliche Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen, davon ein nennenswerter Anteil aus unserem Haushalt, weil der Liebste manchmal einkauft, als gelte es, eine fünfköpfige Bergarbeiterfamilie nach einer anstrengenden Bergwanderung zu sättigen. Ich prangere das regelmäßig an, was heute mal wieder leichte zwischenmenschliche Spannungen erzeugte, die aber abends in erfreulicher Weise unter anderem mit einem Restaurantbesuch abgebaut werden konnten.
Sonntag: Michael Spehr schreibt in der F.A.S. über Freisprech-Telefonierer:
„Das Freisprechgeplärre ist die aggressive akustische Besetzung eines Raumes, den man nicht hat. Noch nie ließen sich Frechheit und Selbstgefälligkeit so einfach zur Schau stellen. Man muss dazu noch nicht einmal auf eine dieser neuerdings modischen Idioten-Demos zu gehen, sondern benötigt nur ein Smartphone und die Dreistigkeit der Dummen.“
Nämliches gilt für diese plärrenden Lautsprecher-Dinger, die sich Leute ans Fahrrad oder den Rucksack hängen, um damit ungefragt ihr Umfeld mit zweifelhafter Musik zu belästigen.
Ebenfalls nicht besonders leise, von manch unfrohen Naturen gar als Belästigung empfunden ist der Karneval. Zurzeit wird recht laut darüber nachgedacht, die bevorstehende Session aus aktuellem Anlass ausfallen zu lassen. Für mich persönlich habe ich diese Entscheidung längst getroffen, und ich gehe nicht davon aus, es allzu sehr zu vermissen.
Wie ich nachmittags während des Sonntagsspazierganges feststellte, hat der Ekelgrad der Schnellgastronomie augenscheinlich eine neue Stufe erreicht. Was zum Teufel ist das? Es sieht ziemlich widerlich aus.

Ich bin ein schwacher Mensch. Deswegen bin ich rückfällig geworden. Nein, ich rauche nicht wieder, das nicht. Aber ähnlich: Ich habe mir wieder ein Twitterprofil angelegt, vorletzte Woche schon, bitte fragen Sie nicht warum, es überkam mich. Doch besteht Hoffnung: Bereits heute weiß ich wieder, weshalb ich mich erst im letzten Jahr nach zehn Jahren Aktivität dort verabschiedet hatte. Insofern gehe ich nicht davon aus, dass das neue Profil lange bestehen wird.
Redaktioneller Hinweis: Dieser Wochenrückblick entstand nicht ganz freiwillig mit dem neuen Editor von WordPress, den ich als arg gewöhnungsbedürftig empfinde und noch nicht durchblicke. Für etwaige Qualitätsmängel in der Gestaltung bitte ich um Nachsicht. Ursachen für mögliche inhaltliche Mängel sind indes nicht dem Editor anzulasten sondern wie immer demjenigen, der ihn nutzt.
Ihnen eine angenehme neue Woche!
Guten Morgen,
mir ist es gar nicht aufgefallen, dass Sie diesen Wochenrückblick mit dem neuen Editor verfasst haben.
(Mir gelingt es bisher, die Meldung, den neuen Editor auszuprobieren, jedes Mal zu überspringen – ich bin nur gespannt, wie lange das noch dauern wird.)
Danke für diesen Beitrag, mit dem Sie auch meinen Wochenstart „versüßt“ haben und ich wünsche Ihnen eine gute Woche!
Liebe Grüße aus Wien,
S.
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Liebe S, das freut mich sehr. Langsam gewöhne ich mich daran, auch wenn der Editor alles andere als intuitiv zu benutzen ist.
Herzliche Grüße aus Bonn
C.
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