Genug

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Der bekannte Moderator Ranga Yogeshwar versteht es immer wieder, durch seine sympathische Art auch schwierige oder abwegige Themen interessant und verständlich zu machen. Ihm traue ich sogar zu, mir das Abseits beim Fußball zu erklären, ohne dass ich mich desinteressiert gähnend abwenden würde. Kürzlich sah ich wieder seine Sendung „Quarks“, die früher „Quarks & Co“ hieß. Vermutlich haben sie inzwischen auch beim WDR erkannt, dass dieses an alles Mögliche und Unmögliche angehängte „& Co“ außer bei Firmenbezeichnungen ziemlich albern ist. Nicht so ein im Übrigen sehr geschätzter Kollege von mir, der sich noch immer darin gefällt, es häufig zu verwenden, wenn er „und so weiter“ meint: „Controlling & Co“, „Vertragsverhandlungen & Co“, „Storyline & Co“, „Zeithorizont & Co“, „Sprühdurchfall & Co“.

Bei „Quarks“ ging es dieses Mal um ein Thema, welches alle betrifft, aber so gerne verdrängt wird wie wohl kein anderes: unser Ende. Auch ohne Ranga Yogeshwar finde ich das Thema immer schon interessant, mache keinen Bogen darum und halte es für lohnend, sich damit zu befassen, eben weil es jeden betrifft, ob er will oder nicht.

„Beim Sterben kann man so viel falsch machen“, stand vor längerer Zeit im SPIEGEL. Der größte Fehler ist es nach herrschender Meinung, zu früh von der Bühne zu gehen, womöglich „plötzlich und unerwartet“. Vielmehr gilt es als erstrebenswert, möglichst alt zu werden. Zudem soll das Leben „erfüllt“ und „sinnvoll“ gewesen sein, wobei ja in der Formulierung „nach einem langen, erfüllten Leben“ in Todesanzeigen immer ein wenig „Es wurde auch langsam Zeit“ mit anklingt. Und die Frage nach dem Sinn des Lebens gehört wohl zu den am meisten gestellten. Dabei ist das Leben ein möglicherweise zufällig entstandener, nicht zweckgerichteter biochemischer Prozess, somit streng genommen sinnlos. Und so sehr man auch darüber philosophieren mag – letztlich geht es immer und überall nur um Nahrungsaufnahme und Kopulation.

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Zum richtigen Zeitpunkt: Sollte man nicht selbst bestimmen können, wann es Zeit wird zu gehen? „Wenn es am schönsten ist, soll man aufhören“, heißt es immer, nur nicht beim Sterben; das wird oft unnötig lange hinausgezögert *. Ich finde: Man sollte aufhören können, wenn es aufhört, schön zu sein, beziehungsweise wenn von nun an alles nur noch schlecht werden kann. Etwa wenn einen der liebste Mensch verlassen hat. Wenn man die Diagnose Demenz erhalten hat. Wenn die politischen Verhältnisse sich derart ändern, dass man nicht mehr in Freiheit und ohne Angst leben kann. Solche Sachen. Dann sollte man die Möglichkeit (selbstverständlich nur die Möglichkeit, nicht die Pflicht) haben, seine persönlichen Angelegenheiten auf die Reihe zu bringen und, anstatt sich vor einen Zug werfen oder von einer Brücke springen zu müssen, eine Sterbeanstalt aufsuchen zu können, eine schriftliche Erklärung abzugeben, und dann wird man in sanft aus dem Leben geleitet, da gibt es bestimmt recht angenehme, schmerzfreie Möglichkeiten.

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Ich persönlich fühle mich schon seit langer Zeit an dem Punkt angekommen, wo es am schönsten ist, also nichts mehr eintreten kann, was mein Glück oder meine Zufriedenheit noch wesentlich steigern könnte, auch nicht ein Lottogewinn. Genau deshalb möchte ich jetzt gerne noch ein paar Jahre leben. Irgendwann wird es aufhören, so schön zu sein, dann geht es bergab. Das mag bis zu einem gewissen Punkt auszuhalten zu sein. Aber wenn es nicht mehr geht, wenn es nicht mehr schön ist und keine Aussicht auf Besserung besteht, dann wüsste ich was zu tun ist. Und wer weiß: Vielleicht hat mein Leben ja bereits die Reiseflughöhe verlassen und ich habe es nur noch nicht bemerkt? Und das, was mir als leuchtende Zukunft erscheint, ist schon die Landebahnbefeuerung?

Man liest immer wieder von einem „erhöhten Sterberisiko“, weil man etwa in einer schlecht beleumundeten Gegend wohnt, eine gefahrgeneigte berufliche Tätigkeit ausübt oder raucht, sich falsch ernährt oder zu wenig bewegt. Das ist natürlich Unfug – das Sterberisiko liegt für jedermann, ob Alkoholiker oder Veganer, bei genau hundert Prozent. Das finde ich sehr tröstlich.

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Im Übrigen bin ich der Meinung, jeder sollte Organspender sein. Mein Spenderausweis befindet sich gut sichtbar in meinem Portemonnaie, falls „was passieren sollte“, wie es so schön heißt.

In Bonn gibt es übrigens ein Beerdingungsinstitut „Kratz“, was dem Begriff „abkratzen“ nochmal einen besonderen Unterstrich verleiht.


* Was sich zum Glück vermeiden lässt mit einer Patientenverfügung.

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