Woche 3: Komische Wörter und eine Stellenanzeige

Montag: Um 2:38 Uhr aufgewacht vom Regen, der gegen das Fenster klopft. Liegeposition ändern, weiterschlafen. Herrlich. Um 6:50 Uhr geweckt vom Ruf der Pflicht. Liegeposition verlassen. Nicht schön.

Als ich mich nach Ankunft im Werk an meinem Rechner anmelde, überlege ich, ob „Dafaq“ als Passwort-Bestandteil wohl gegen die IT-Richtlinien des Konzerns verstieße.

In „Nieten in Nadelstreifen“ von Günter Ogger, meiner derzeitigen Stadtbahnlektüre, lese ich zum Thema Manager-Moral:

„Viele der Aufsteiger, die nun in die Chefetagen einzogen, ließen sich blenden von Pumpgenies wie dem Amerikaner Donald Trump …“

Wie ich schon vergangene Woche erwähnte: Das Buch ist von 1992. Im Übrigen habe ich nicht den Hauch einer Idee, was Pumgenies sind; für Hinweise und Erläuterungen wäre ich dankbar.

Dienstag: „Wir machen dazu noch eine Q’n‘A-Session„, heißt es in der Besprechung. Unterdessen begegnen einem im Laufe eines langen Arbeitstages Fragen, die sich nicht so einfach beantworten lassen:

Keine Fragen lässt hingegen die großflächige Gebrauchsanweisung für die neue Aufzugsteuerung im Werk offen, lautet doch der dritte und letzte Tipp: „Betreten Sie den gewählten Aufzug“. Auf dass die fleißigen Werklinge wohlbehalten und pünktlich an ihre Werkbank gelangen.

Am Abend erstelle ich einen Serienbrief, wohl das erste Mal in meinem Leben, ohne lautstark an Word zu verzweifeln.

Mittwoch: „Wir gehen dazu nochmal in den Denkteich„, höre ich in einer Besprechung jemanden sagen. Während ich den Satz notiere für meine Liste, die dringend einer Aktualisierung bedarf (mache ich die Tage, versprochen), denke ich: Dann sauft mal nicht ab.

„Nordzucker mit Gewinnverlust„, steht über einer kurzen Zeitungsmeldung. Ein tolles Wort, wie süßsauer, knallzart, Rundecke, Vatermutter, Ostwestfalen, Industriepark oder Heimarbeit.

Donnerstag: „Ich fühl‘ mich leer und verbraucht, alles tut weh“, kräht Grönemeyer am Morgen, als der Radiowecker angeht. Damit bringt er mein Befinden in früher Stunde perfekt auf den Punkt.

Ich komme noch einmal auf die neue Aufzugsteuerung im Werk zurück. Dazu muss ich ein wenig ausholen: Im Gegensatz zu herkömmlichen Aufzügen wählt man das Ziel schon vor dem Einsteigen durch Eintippen des gewünschten Stockwerks in eine Bedieneinheit außerhalb des Fahrstuhls, woraufhin dem Reisenden die zutreffende Kabine zugewiesen wird. Diese Bedienelemente wurden in den letzten Tagen durch zeitgemäße Displays ausgetauscht. Die Zeit zwischen Tippen und Anzeige des Aufzugs dauert jetzt, dank moderner Technik, etwa zwei bis drei Sekunden länger als vorher. Das ist offenbar ein großes Problem für viele Werklinge – statt sich über die kleine Entschleunigung zu freuen, wettern sie über die Wartezeit, stellen gar sinnlose Berechnungen an, welche Mehrkosten dem Unternehmen durch Leerzeiten entstehen und drücken noch hektischer als zuvor nach dem Einsteigen den Tür-zu-Knopf.

Freitag: Heute weckte mich Lady Gaga. Ich hätte nie gedacht, das mal über sie zu schreiben, aber das Lied, welches jetzt andauernd im Radio zu hören ist, gefällt mir richtig gut.

Per Mail erreichte mich am Nachmittag der Hilferuf eines Bonner Unternehmers, der dringend eine neue Kraft sucht, trotz Stellenanzeige aber nicht findet. Ich kenne ihn persönlich, deshalb kann ich für die Seriosität des Angebots garantieren. Die Anzeige finden Sie nachstehend. Auch wenn Sie gerade nicht an eine berufliche Veränderung denken, empfehle ich die Lektüre, sie ist wirklich lesenswert, besonders die Hinweise, was ausdrücklich nicht zum Aufgaben-/Anforderungsprofil gehört:

Alteingesessenes, marktführendes, weltweit tätiges Bonner Großhandelsunternehmen sucht ab sofort

Auslandserfahrene Assistenz der Geschäftsführung (40 Wochenstunden, keine WE-Arbeit, keine Überstunden!) mit folgendem Aufgabenprofil

–          Telefonempfang (besonders Anrufe aus dem Ausland)

–          Bearbeitung des Posteingangs (Briefe und E-Mails)

–          Mahnwesen (insbesondere auch der englischsprachigen Kunden)

–          Korrespondenz mit Lieferanten (insbesondere der ausländischen)

–          Vorbereitende Buchhaltung (Datenaufbereitung zur Weitergabe an das Steuerbüro)

–          Dienstreiseplanung für Geschäftsführung (insbesondere Übersee)

–          Büroorganisation (Führung des Chefkalenders, Urlaubsplanung, etc.)

–          Marketing der firmeneigenen Marke (Messeplanung, Anzeigenschaltung, Sponsoring etc.)

–          Zahlungsverkehr auf den Bankkonten erledigen (online)

–          Realisierung eigener Projekte im Bereich Produktbeschaffung und -recherche

Folgendes gehört ausdrücklich nicht zum Aufgabenprofil

–          Telefonakquise

–          Kaffeekochen

–          Diktat aufnehmen und ähnlicher Kleinkram

–          Kontakt / Reklamationen / Anwerbung von Endverbrauchern

 Anforderungsprofil

–          Hohes Bildungsniveau (Mathematik, Wirtschaftswissen, interkulturelle Erfahrung, tadellose Rechtschreibung)

–          Verhandlungssicheres Englisch, besonders in der mündlichen Kommunikation

–          Muttersprachliches Deutsch ohne Füll-, Bläh- und Denglishvokabeln, so daß eine erfolgversprechende Kommunikation mit teils schwierigen Lieferanten und Kunden möglich ist

–          Weitgehende PC-Kenntnisse (absolut sicherer Umgang mit MS-Office-Produkten)

–          Wünschenswert wären spanische und / oder portugiesische Sprachkenntnisse

 Folgendes gehört ausdrücklich nicht zum Anforderungsprofil

–          Modischer Auftritt oder Dresscodes (wie Sie sich kleiden ist uns völlig schnurz solange es keine SS-Uniform oder ähnliches ist)

–          Führerschein

–          Abitur, Uniabschluss o.ä.

–          Autospezifisches Fachwissen

–          Smalltalk, Charme und andere „soft skills“; seien Sie ruhig ein Freak, das paßt zu uns

–          Medienkompetenz (Sie sind nicht bei Facebook, Twitter & Co? Wie wunderbar! Wir auch nicht….)

Sollten Sie interessiert sein, wenden Sie sich bitte per Kommentar oder Mail an mich, ich leite es dann gerne weiter.

Samstag: Experten des Verkehrsministeriums empfehlen zur Klimaschonung ein Tempolimit auf Autobahnen sowie eine Erhöhung der Kraftstoffsteuer. Wie nicht anders zu erwarten, erhebt sich daraufhin umgehend die Empörung der „Freie-Fahrt-für-freie-Bürger“-Bewegung. Auch der Kommentator des General-Anzeigers wiederholt erbost die hinlänglich bekannten Gegenargumente. Immerhin: Er verzichtet dabei auf die reichlich abgenutzte Metapher vom armen Autofahrer als „Melkkuh der Nation“.

Sonntag: In unserer Dusche steht jetzt eine Flasche Hundeshampoo „für glänzendes Fell“. Wir haben keinen Hund. Bitte fragen Sie nicht.

7 Gedanken zu “Woche 3: Komische Wörter und eine Stellenanzeige

  1. Franz Firla Januar 21, 2019 / 12:18

    Watt is jetz Brutforce?

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  2. Renate Reinbold Januar 21, 2019 / 12:53

    Geniale Stellenbeschreibung. Wäre ich nicht schon außerhalb des aktiven Arbeitsalters und dann auch noch ortsunabhängig, würde ich mich sofort bewerben. Allein schon wegen des nicht vorhandenen Dresscodes und der Möglichkeit, ein Freak zu sein ….. Aber was zum Geier ist Autospezifisches Fachwissen? Hat wohl nix mit ’nem fahrbaren Untersatz zu tun, oder?

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  3. Franz Firla Januar 21, 2019 / 13:46

    Wiki: Die Brute-Force-Methode (von englisch brute force ‚rohe Gewalt‘) bzw. Methode der rohen Gewalt, auch Exhaustionsmethode (kurz Exhaustion von lateinisch exhaurire ‚ausschöpfen‘), ist eine Lösungsmethode für Probleme aus den Bereichen Informatik, Kryptologie und Spieltheorie, die auf dem Ausprobieren aller möglichen (oder zumindest vieler möglicher) Fälle beruht. Auch der Begriff erschöpfende Suche (engl. exhaustive search) ist in Gebrauch.

    Erleichtertes Aufatmen, nur rohe Gewalt…

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  4. Johannes Mirus Januar 21, 2019 / 14:38

    Die Stellenbeschreibung legt nahe, dass es da einen Chef gibt, der eine – vorsichtig gesagt – sehr gefestigte Meinung von allem hat. Er glaubt zwar, er wäre nett und offen, akzeptiert sogar Bewerbungen ohne hohe formale Abschlüsse, erwartet dann aber gleichzeitig einen hohen Bildungsgrad. Er erwartet Medienkompetenz, beschäftigt sich aber nicht mit neuen Medien. Er erwartet keine Überstunden, aber stellt eine Aufgabenliste für zwei Vollzeitstellen.

    Ich würde mich nicht bewerben.

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  5. Michi Januar 25, 2019 / 17:45

    ….die Stellenanzeige: köstlicher Humor 😊 wäre mein englisch doch bloß besser …. das mit dem Haarshampoo interessiert mich jetzt aber doch…😉

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