Über das Ärgernis öffentlicher Erregung

„Da bin ich meinungsfrei“, sagt die Kollegin in einer Besprechung, was Businesskasper-Deutsch ist und soviel heißt wie „Mir doch egal“. Mit der Meinungsfreiheit ist das so eine Sache. Laut Grundgesetz steht sie jedem zu. Doch ist es im Zeitalter der digitalen Hetzwerke nicht immer ratsam, seine eigene Meinung dort zu äußern, jedenfalls nicht dann, wenn sie im Gegensatz steht zur allgemein herrschenden. Herrscht heute doch eine ausgeprägte Beleidigungskultur (tolles Wort, habe ich neulich gelesen): Schriebe ich beispielsweise, ein Ragout aus Katzenbabys würde ich nicht verschmähen, Hunde sind doof oder Pädophile sind auch Menschen mit Gefühlen und Träumen, könnte ich mir eines Fäkalsturmes ziemlich sicher sein. (Hier in diesem Blog, gleichsam meinem virtuellen Wohnzimmer, kann ich das indessen gefahrlos schreiben, Vorteil des Kleinbloggers. Was ich am zweitwenigsten vermisse, ist übrigens ein Hund.)

Letztes Jahr stand in der Zeitung, das oberste britische Gericht habe zugunsten eines Konditors entschieden, der sich weigerte, aus Gründen seiner Religion und Weltanschauung eine Hochzeitstorte mit den entsprechenden Dekorationen für eine gleichgeschlechtliche Eheschließung anzufertigen, was eine Flächenempörung wegen vermeintlicher Diskriminierung nach sich zog und den Besteller der Torte veranlasste, vor Gericht zu ziehen, anstatt einfach einen anderen Konditor damit zu beauftragen; auch im vereinigten Königreich sollte sich wohl einer finden lassen. Es hat nun einmal nicht jeder Gläubige ein so flexibles Verhältnis zu seiner Religion wie jener Muslim, der auf den Hinweis, er sei gerade im Begriff, Schweinefleisch zu essen, sagte: „Allah schaut mir ins Herz, nicht in den Mund.“ Kann man ja nicht erwarten.

Ich halte die Entscheidung des Gerichts für gut und richtig. Auch wenn ich selbst vor einigen Monaten gleichpolig geheiratet habe (ohne besondere Torte), erwarte ich nicht, dass diese Möglichkeit bei jedem auf freudige Zustimmung stößt. Wer ein Problem damit hat, dass Männer Männer und Frauen Frauen heiraten dürfen, bitte sehr, solange er mich deswegen nicht beschimpft oder unflätige Parolen an unsere Hauswand sprüht. 

Das Ärgernis öffentlicher Erregung bliebe wohl weitgehend aus, weigerte sich ein Konditor, eine Torte mit dem Emblem der AfD oder – um es auf die Spitze zu treiben – einem Hakenkreuz zu backen. Warum nur ist es für viele so schwer, zu akzeptieren, dass man auch anderer Meinung sein kann?

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