Woche 2: Mit Befremden hinter die Fichte geführt

Montag: Heute begann der Abbruch des Immenrather Domes in Erkelenz, auf dass dort demnächst Braunkohle abgebaggert werde. Ich stehe der Kirche nicht sehr nahe, dennoch empfinde ich beim Betrachten der Bilder tiefe, hilflose Wut.

Dienstag: Es ist wohl keine besonders gewagte These, zu behaupten, eine Bank müsse vor allem Vertrauen wecken, um zu erreichen, dass die Leute ihr Geld bringen oder welches bei ihr leihen. Insofern bleibt völlig im Dunkeln, welchen Zweck die alberne Fernsehreklame der RaboDirect-Bank verfolgt. Vertrauen wecken jedenfalls nicht.

Mittwoch: Es erscheint mir zunehmend unsinniger, den ganzen Tag auf einen Bildschirm zu schauen. Umso absurder empfinde ich den Trend zum Zweitbildschirm auf immer mehr Schreibtischen.

Donnerstag: Über die Beschäftigung in einem Konzern schrieb Corinne Maier schon 2005 in ihrem Buch „Die Entdeckung der Faulheit“ (meiner derzeitigen Stadtbahnlektüre):

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Zu ergänzen sind sinnlose Besprechungen und Telefonkonferenzen. Manches ändert sich nie.

Freitag: Mit Freude las ich heute in einem Zeitungsartikel, man habe „mit Befremden“ reagiert, eine Formulierung, die im heutigen Zeitalter allgegenwärtiger Empörung nur noch selten gebraucht wird. Im selben Zusammenhang, auf welchen inhaltlich einzugehen ich aus Zeitgründen verzichte, war zu lesen, die derart Befremdeten fühlen sich „hinter die Fichte geführt“, was geradezu heiter klingt im Vergleich zum Synonym „verarscht“.

Samstag: Prunksitzung der Karnevalsgesellschaft Fidele Burggrafen in der Stadthalle zu Bad Godesberg. Noch vor wenigen Jahren hätte ich jedem, die mir voraussagte, es würde mir einmal große Freude bereiten, in grün-weißer Uniform auf eine Bühne aufzumarschieren und dort als „vierter Mann der drei Tenöre“ jecke Lieder zu singen, zu seiner blühenden Phantasie gratuliert.

Sonntag: Hätts jo nä sage könne, dann wör dat nit passiert. Aus vorgenannten Gründen verließ ich das Bett erst am späteren Mittag. Während der anschließenden Zahnpflege belästigten mich Bundesligageräusche aus dem Radio. Mein Desinteresse an Fußballdingen wird niemals dieselbe Erosion erfahren wie meine frühere Reserviertheit gegenüber dem Karneval. Da bin ich mir sicher.

3 Gedanken zu “Woche 2: Mit Befremden hinter die Fichte geführt

  1. Tanja im Norden Januar 15, 2018 / 09:20

    Ich werde meine Reserviertheit gegenüber Fasching und Fussball weiterhin verteidigen.
    Ist es jetzt also so weit mit dem Tagebau? Ich finde es schockierend und sinnlos, aber im Grunde fehlen mir einfach die Worte.

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    • stancerbn Januar 15, 2018 / 09:23

      Es ist schon viel zu lange so weit. Einfach unfassbar, wie Menschen zum Wohle eines Konzerns aus ihrer Heimat vertrieben werden dürfen.

      Gefällt 1 Person

      • Tanja im Norden Januar 15, 2018 / 09:29

        Ich war einmal dort bei einer RWE-Veranstaltung mit Führung im Tagebau und es war sehr beklemmend, sich dabei vorzustellen, jemand würde das Dorf wegbaggern, in dem ich aufgewachsen bin. Wegen eines Rohstoffs, den wir (als Gesellschaft) momentan noch nicht einmal brauchen.

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