Seit es Menschen gibt, verwenden Sie viel Energie darauf, sich gegenseitig auf die Nerven zu gehen, ich glaube ich schrieb es schon mal. Dabei sind die Möglichkeiten zahlreich wie Bahnschwellen zwischen Kempten (Allgäu) und Karow (Meckl.), zum Beispiel in Form von tätlichen, olfaktorischen oder akustischen Angriffen, vor allem letztere; die Welt wäre zweifellos eine bessere ohne des Menschen Neigung zu permanenter unangemessener Geräuschentwicklung. Oder durch hirnloses Herumstehen in der Eingangstür der Stadtbahn, selbstverständlich auf der Bahnsteigseite. Sollte ich einmal so jemandem – rein versehentlich, versteht sich – beim Aussteigen auf den Fuß treten, so hat er/sie keinen Ausdruck der Entschuldigung von mir zu erwarten, maximal ein gemurmeltes „Trottel“.
Andere gefallen sich darin, bescheuerte Wörter zu benutzen wie „Moinsen“ – so musste ich am Wochenende zweimal im Netz lesen: einmal zur Eröffnung eines Blogartikels, zum anderen als Einleitung eines Forenbeitrags. Über den Inhalt der beiden Beiträge vermag ich nichts zu sagen, vergällte mir die vorstehend genannte Eröffnung doch die weitere Lektüre. „Moinsen“ – was bitte schön soll das darstellen? Vielleicht der Sohn des norddeutschen Grußes? Jedenfalls vermutlich ein Ableger derselben Wortfamilie wie „Hallöchen“ und „Okidoki“.
Ein anderes Wort, dessen Bedeutung sich nicht ohne weiteres erschließt, welches indes wohl nur die deutsche Sprache hervorzubringen vermag, ist „Familienfachschleiferei“, gestern gelesen auf einem in unserem Briefkasten vorgefundenen Handzettel. Morgen werde ich dort anrufen und fragen, ob man auch Wortfamilien schleift, also nicht im Sinne von schärfen, sondern eher so, wie vor Jahrhunderten Burgen und Städte geschleift* wurden, als der Denkmalschutz noch als Samenkorn im kargen Nährboden kriegerischer Auseinandersetzungen vor sich hin dörrte.
Auch auf keinen Fall mehr hören möchte ich – ich erwähnte es jüngst – den Song „Oft gefragt“ von AnnenMayKantereit. Leider nimmt mein ansonsten geschätzter Lieblings-Radiosender darauf keine Rücksicht, vielmehr feiern sie die Kölner Kapelle als DIE Neuentdeckung des Jahres. Seitdem krächzt mein Ohrwurm stundenlang „Zuhaaaause…“, auch er nimmt wenig Rücksicht auf die Befindlichkeiten seines Wirtes.
Ebenfalls wenig Rücksicht nahmen am Wochenende marodierende Vollidioten im Halloween-Wahn, die möglicherweise erst am Samstagmorgen inspiriert wurden von der Klage eines Busfahrers im Radio. Dieser prangerte Jugendliche an, die unschuldigen Linienbussen an der Haltestelle auflauerten, um dann, sobald die Türen auf sind, rohe Eier hinein zu werfen. Es ist nicht auszuschließen, dass jener kurze Beitrag zahlreichen Burschen mit dem Gedanken „gute Idee“ den Weg zum Kühlschrank wies. Im hier beklagten Fall war jedoch nicht ein Linienbus Opfer des Eieranschlags, sondern die Fensterscheibe unseres Wohnzimmers: Am Sonntag, als Kehrfahrzeuge längst die Nacht aufgesaugt hatten, klebten gelbe Schlieren und Eierschalsplitter daran. Doch wohnt dem Ereignis nur geringe Dramatik inne, Gewinner des Zusammenpralls blieb eindeutig die Scheibe, wenn auch leicht besudelt. Den Rest besorgt die Natur mit Regen und der einem Ei innewohnenden biologische Abbaubarkeit durch Mikroorganismen, oder die menschliche Ungeduld gegenüber natürlichen Vorgängen, gepaart mit dem Unbehagen gegenüber besudelten Fenstern und dem daraus resultierenden Putzdrang.
Zum Glück ereignen sich solch unerfreuliche Dinge bislang nur selten in unserer Straße, insofern fühle ich mich hier nach wie vor sehr zuhause. – Verdammt…!
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* jawohl, es heißt hier geschleift und nicht geschliffen. Im Sinne einer nachhaltigen architektonischen Umgestaltung z.B. eines Bauwerks durch Plattmachen wird das Verb regelmäßig gebeugt, im Gegensatz zum unregelmäßigen Gebrauch beim Schärfen eines Messers. Selbstverständlich kann man auch ein Messer regelmäßig schleifen, jedoch hat man danach nur noch wenig Freude daran.