Ruhe im Biergarten

Man darf heute so ziemlich alles sagen, nur nichts gegen Kinder. Davon ließ sich ein Düsseldorfer Biergartenwirt nicht beeindrucken, und so erklärte er einen Teil seines Lokals zur kinder- und hundefreien Zone. Nach eigenem Bekunden war er es leid, dass gewisse Eltern es für unnötig hielten, einzuschreiten, wenn ihre lieben Kleinen andere Gäste mit Sand bewarfen oder Tische und Bänke großflächig mit einem Sand-Wasser- beziehungsweise Saftgemisch belegten. Kann ich mir gut vorstellen: Mami – sagt man noch so oder rufen Kinder ihre Eltern heute generell beim Vornamen? – wie auch immer: Eine erziehungsberechtigte Person widmet sich mit voller Hingabe ihrem Datengerät und schlürft gelegentlich an ihrer Latte Irgendwas, derweil Maximilian-Luca und Mechthild-Charlotte mit der Dezibelstärke einer startenden Boeing 747 durch die Tischreihen toben.

Wie nicht anders zu erwarten, zog der Wirt mit dieser Entscheidung die Wut der Netzbewohner auf sich: „Wie kann man Kinder und Hunde gleichsetzen?“ (Viele können das schon lange, ohne dass es jemanden empört, man höre nur, wie mancher Hundehalter mit seinem verhätschelten Vieh spricht.) „Unser Sohn geht nicht auf umzäunte Spielplätze!“ (Glückwunsch, damit wird er ja bestens auf das Leben vorbereitet. Vielleicht wird er mal Vorstand oder Geschäftsbereichsleiter bei einem großen Konzern, dort kann er dann die tollsten Dinge entscheiden, ohne Widerspruch fürchten zu müssen.) „Wir kommen nie wieder!“ (perfekte Antwort: „Sie können gerne nie wieder kommen.“)

Ich finde die Entscheidung des Biergärtners mutig – und richtig, und das meine ich genau so, wie ich es schreibe, mit jedem Buchstaben und i-Punkt; unter einem Berg aus Sandkuchen, Förm-, Eimer- und Schäufelchen möchte ich elendig ersticken, enthielte dieser Satz eine Spur von Ironie.

Die Idee der kinder(wagen)freien Zonen ließe sich ausweiten, zwei Vorschläge hätte ich dazu spontan parat. Erstens: die Stadtbahn. Gerne verzichtete ich auf das Geschrei von Finn-Paul, welches schon frühmorgens den Wagen erfüllt, und die mir gegenüber sitzende Lea-Marie, die mir mit ihren strampelnden Beinchen von Hauptbahnhof bis Heussallee permanent gegen das Schienbein tritt. Ein besonders penetrantes Exemplar zog mir schon den Kopfhörer aus dem Ohr und steckte ihn in sein leibreizendes Kinderöhrchen, derweil Mama ihe Aufmerksamkeit dem jenseitigen Dunkel des U-Bahn-Tunnels widmete. Zweitens: Ich bin für ein generelles Kinderwagenverbot auf Weihnachtsmärkten und ähnlichen personendichten öffentlichen Veranstaltungen. Die Kinder haben ohnehin nichts davon – Hunde übrigens auch nicht – und die Fersen aller anderen Besucher dankten es.

„Du warst doch auch mal ein Kind“, höre ich sie rufen. Stimmt, und ich bitte im Nachhinein alle Mitmenschen um Verzeihung, denen ich einst mit meiner kindlichen Penetranz auf die Nerven ging.

Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Diese Zeilen richten sich nicht gegen die Träger unserer aller Zukunft. Dafür umso mehr gegen Eltern, die offenbar kein Interesse daran haben, ihrer Brut die Grenzen zu zeigen. Waren Sie schon mal in Frankreich? Falls ja, ist Ihnen vielleicht aufgefallen, wie sich französische Kinder im Restaurant betragen. Sie spielen nicht Fangen oder Verstecken zwischen und unter Tischen, krakeelen nicht herum, wenn ihnen die Gänsestopfleber nicht schmeckt, und verwandeln den Tisch nicht in ein Schlachtfeld. Stattdessen sitzen sie ruhig an ihrem Platz und essen. Wie schaffen die das nur, die Franzosen? Vielleicht mit Wein.

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