Woche 39/2025: Mitesser mit Redebedarf und eine gelungene Anreise

Montag: Woche und kalendarischer Herbst begannen mit kühlem Daunenjacken-Pullover-Wetter, auf dem Rückweg erschwerte Gegenwind das Radfahren etwas, ansonsten waren kaum innere wie äußere Widerstände zu überwinden, vom Aufstehen morgens abgesehen. In den Büros auf der Etage herrschte nur wenig Betrieb, dementsprechend ruhig blieb es auf den Fluren. Auch das Mittagessen genoss ich ungestört von Mitessern mit Redebedarf.

Gedanke in einer ruhigen Minute: Wenn alte Sachen Antiquitäten sind, müsste Neuware dann Proquitäten heißen oder einfach nur Quitäten?

Dienstag: Üblicherweise jeden Diens- und Donnerstag gehe ich zu Fuß ins Werk und zurück, außer in kleinen Wochen mit freiem Donnerstag, dann gehe ich freitags. Seit einiger Zeit, vielleicht schon viel länger, nur fiel es mir früher nie auf, kommt mir dabei morgens auf Höhe UN-Campus Hand in Hand ein älteres Paar entgegen, er von mir aus gesehen rechts, sie links. Vermutlich Rentner, zu deren Tagesroutine es gehört, jeden Morgen um dieselbe Zeit einen Spaziergang zu machen, vielleicht nach dem Frühstück, vielleicht frühstücken sie erst danach. Ich finde das schön. Irgendwann überwinde ich vielleicht den inneren Ostwestfalen und grüße sie.

Wie jeden Dienstag mache ich morgens an immer derselben Stelle nach dem Rheinpavillon ein Foto und veröffentliche es bei Instagram, zu meinem Erstaunen bekomme ich dafür immer noch ein paar Herzchen, von manchen Leuten jede Woche erneut. „Sieh nach, wie dein Content performt“ schreibt Instagram. Für viele Menschen vermutlich ein völlig normaler Satz.

Ich bin kein Perfektionist. Das sollte man sein, wenn man Menschen operiert oder hochpreisige Armbanduhren zusammenbaut; in meiner Bürotätigkeit reichen achtzig Prozent meistens völlig aus. Doch was heute in einer Besprechung als Arbeitsergebnis eines Projekts gezeigt wurde, ist mit Murks noch wohlwollend bezeichnet.

Mittwoch: Der Arbeitstag bestand überwiegend aus (immerhin) interessiertem Zuhören, er endete mit kollegialem Abendessen auf dem Oelberg im Siebengebirge, verbunden mit einer kurzen Wanderung vom Parkplatz zum Restaurant. Ein weiterer Ort, wo ich vorher noch nie war und der in einen der kommenden Wandertage einzubeziehen sein wird. Der Oelberg ist übrigens die höchste Erhebung des Siebengebirges mit entsprechenden Aussichten.

Oelberg-Aussicht I
Oelberg-Aussicht II

(Notiert am Donnerstagmorgen unter leichten Nachwehen, denn …)

Donnerstag: … irgendetwas schien bei der Weinbegleitung am Vorabend außer Kontrolle geraten zu sein, obwohl ich in meiner Erinnerung für einen Wochentag nicht unangemessen viel davon getrunken hatte. Und doch begleitete mich mindestens bis zum Mittag ein Kater, den auch der Fußweg ins Werk morgens kaum zu bändigen vermochte. Da kam es durchaus gelegen, dass auch der heutige Arbeitstag überwiegend aus mehr oder weniger interessiertem Zuhören während eines Townhall* bestand. Ab dem Nachmittag veranstaltete der Arbeitgeber das jährliche Sommerfest am Mutterhaus. Jahreszeitlich bedingt war es etwas kühl, ich trank, da der Kater inzwischen die Krallen eingezogen hatte, den ersten Glühwein des Jahres. Ansonsten war es angenehm unterhaltsam. Nicht allzu spät fühlte ich mich genug unterhalten und trat den Weg nach Hause an, wo der Geliebte bei Niederschrift dieser Notiz ein Glas Cremant reichte. Es hört nicht auf.

*Für Normalsprachler: Eine interne Informationsveranstaltung des Geschäftsbereichs in internen Räumen, nicht in der Stadthalle. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen, vielleicht um es bedeutender erscheinen zu lassen, muss es Townhall heißen.

Werbung kann grausam sein

Freitag: Obwohl an den zurückliegenden beiden Tagen wegen Veranstaltungen wenig Zeit war, Anstehendes zu bearbeiten, kam ich mit dem Aufarbeiten heute zügig voran, daher endete der letzte Arbeitstag vor einer weiteren Woche Urlaub nicht sehr spät. Auch die Wetteraussichten für die kommenden Tage sind erfreulich.

Mittagessen mit mehreren Kollegen aus der Nachbarabteilung. Bei Tisch wurde geschäftliches besprochen und ich hatte keinen Schimmer, worum es ging. Eine Situation, in der ich mich immer öfter wiederfinde, weshalb ich größere Kantinenrunden mittlerweile gerne meide. Um einen neutralen Blick bemüht versuchte ich, mir nichts anmerken zu lassen. Das ist, und das schreibe ich ohne jeden Anflug von Bitterkeit, die nächste Generation, die schon in Kürze übernehmen wird.

Samstag: In Bonn ist an diesem Wochenende Stadtfest mit Flohmarkt in City und Innerer Nordstadt. Einer ungeschriebenen Übereinkunft folgend gehen die Leute noch etwas langsamer als ohnehin an Samstagen.

Sonntag: Wie erwartet schlief ich vergangene Nacht nicht besonders gut, wie üblich vor Reisen, insbesondere wenn sie mit der Bahn erfolgen. Während der Wachphasen flüsterten mir die Nachtgeister absonderlichste Schiefgehvarianten ein. Deshalb stand ich vor dem Wecker um kurz nach sechs auf und begab mich, da die Bahn-App zwischen Bonn und Köln von Verspätungen kündete, nach dem Kaffee zum Hauptbahnhof und fuhr mit der ersten Möglichkeit nach Köln, auch wenn ich dafür ein Fernverkehrsticket kaufen musste, sicher ist sicher. Es mag sein, dass man mit dem Alter gelassener wird, in vielen Dingen trifft das auch zu, etwa bezüglich der Ernstnahme mancher Arbeitsangelegenheiten. Aber beim Reisen werde ich zunehmend nervöser, warum auch immer.

Heute war die Nervosität unnötig, der IC Richtung Westerland (weshalb den ganzen Tag dieses blöde Westerlandlied von den Ärzten in meinem Kopf spielte) verließ Köln pünktlich, fuhr zwischendurch zwar eine Viertelstunde Verspätung ein, erreichte Heide (Holstein) indes mit nur wenigen Minuten Verzögerung, so dass der Anschluss nach Büsum erreicht wurde. Auch verkehrte er in der vorgesehenen Wagenreihung, wobei diese, um es nicht zu einfach zu machen, manchen Fahrgast herausforderte: Auf die Wagen 4 und 5 an der Zugspitze folgten planmäßig 12, 11, 10 bis 6.

Nach Ankunft im Hotel und Auspacken unternahm ich bei Sonnenschein und unerwarteter Wärme den ersten Spaziergang bis zur Hafenmole, durch den Hafen und die Stadt, verband das sogleich mit dem Abendessen im Restaurant: Rotbarschfilet und regionales Bier, wobei mir bewusst ist, dass der Fisch nicht gestern oder heute von einem der Kutter im hiesigen Hafen gefangen wurde.

Vieles in Büsum hat sich dem ersten Anschein nach verändert, seit ich vor fünfundzwanzig Jahren das letzte Mal hier war. Während des Rückwegs ins Hotel ging die Sonne über dem Meer in geradezu kitschiger Weise unter und veranlasste zahlreiche Touristen, den Chronisten eingeschlossen, die Kamera zu zücken.

Mit dem Hotel bin ich sehr zufrieden: Es vertrüge zwar den einen oder anderen Pinselstrich, doch liegt es direkt hinter dem Deich mit Blick vom Balkon auf die Nordsee, die bei meiner Ankunft gerade anwesend war, sich nun beim Notieren dieser Zeilen wieder zurückzieht, der Mond will es so. Ich glaube, das werden hier ganz schöne Tage.

Es geht los
Hamburg
Schleswig-Holstein ist erreicht
Ebenda
Hotelzimmerblick
Blick Richtung Norden. Im Sommer ist die Fläche voller Strandkörbe
Den hatte ich höher in Erinnerung
Ein wenigstens mir bislang unbekannte Innovation im Restaurant: der Ordercube. Allerdings löst er nach Antippen keinen Alarm aus, sondern er wechselt einfach die Farbe.
Damit endet auch dieser Rückblick

***

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit, kommen Sie gut durch die Woche.

Woche 4/2024: Schnee von vorgestern und ungewohnte Unruhe

Montag: Über Nacht ist der Schnee, der bis gestern die Stadt bedeckte, weitgehend weggeschmolzen, bis auf ein paar letzte schmutzig-weiße Flecken am Wegesrand und Resteis auf den Gehwegen, das morgens noch manchen Schritt rutschen ließ und bis zum Abend vollständig verschwunden ist. Geblieben ist ein grau-brauner Belag, der alles recht unfröhlich erscheinen lässt.

Vormittags erläuterte der Chefchefchef in einer großen Informationsveranstaltung die anstehenden Umstrukturierungsmaßnahmen. Aus mir nicht bekannten Gründen heißen solche Zusammenkünfte bei uns „Townhall“, auch wenn sie in einem internen Konferenzsaal abgehalten werden. Alles andere wäre faktisch unmöglich, da die örtliche Stadthalle seit geraumer Zeit wegen Baufälligkeit nicht betreten werden darf. Townhall also, das macht es nicht besser und nicht schlechter. Im übrigen ist es ruhegehaltsfähige Arbeitszeit, und da Präsenz ausdrücklich gewünscht war, kam man währenddessen nicht in Versuchung, nebenbei Mails zu bearbeiten.

Dienstag: Morgens zu Fuß ins Werk durch fast frühlingshafte Milde. Nur zahlreiche Pfützen entlang der Uferpromenade hatte der Schnee von vorgestern hinterlassen. Einige davon noch komplett vereist, andere direkt daneben bereits verflüssigt. Das als Wunder der Natur zu bezeichnen ist wohl etwas übertrieben, gewundert habe ich mich dennoch.

Jan Wiefels vom General-Anzeiger über den derzeitigen Zustand der Bahn in Bonn und Umgebung:

»Für zwei Wochen war die Bahnstrecke zwischen Köln und Bonn gesperrt, dann kam der Lokführerstreik dazu und zum krönenden Abschluss gab es – für rheinische Verhältnisse – noch jede Menge Schnee. Hätte man in dieser Zeit unter dem Hauptbahnhof auch noch eine Terrakotta-Armee entdeckt, es hätte mich nicht gewundert.«

Zum ganzen Text bitte hier entlang

Das mit der Terrakotta-Armee muss ich mir merken.

Mittwoch: Die Lokführer streiken bis nächste Woche. Ich möchte das nicht bewerten, es gibt gute Gründe dafür, man kann es indes auch für überzogen halten. Zum allgemeinen Sympathieträger macht sich Herr Weselsky damit nicht, das ist sicher auch nicht sein Hauptanliegen. Was man in diesem Zusammenhang und vergleichbaren Ausständen nicht mehr hören und lesen möchte: Die Bevölkerung würde von den Eisenbahnern „in Geiselhaft genommen“. Das ist Unfug und eines der zahlreichen schiefen Bilder, die irgendwann mal jemand, vielleicht ein FDP-Politiker oder Bild-„Journalist“, ich weiß es nicht, gemalt hat und das seitdem zu unterschiedlichen Anlässen gerne abgemalt beziehungsweise nachgeplappert wird.

Hyperaktiv dagegen die Sonnenschutz-Jalousien im Werk. Sobald Wind bläst, und der blies heute den ganzen Tag recht lebhaft, fahren sie ungefähr im Fünfminutentakt automatisch runter und kurz darauf wieder hoch, es scheint da einen irregeleiteten Sensor am Gebäude zu geben. Anfangs lief ich jedes Mal, wenn sie herunterzufahren begannen, zum Schalter neben der Bürotür, um sie daran zu hindern, was mich in Bewegung hielt; ungefähr nach dem zwanzigsten Mal ließ ich sie fahren.

Donnerstag: Wie üblich zu Fuß ins Werk, heute bei interessantem Licht.

..

Vormittags gab es Abschiedsgebäck des scheidenden Chefchefs. Dadurch waren die Büros heute überdurchschnittlich stark besucht, was ungewohnte Unruhe in die Flure brachte.

Das Casino am Mutterhaus (das wäre vielleicht ein schöner Titel für eine Vorabendserie im ZDF), umgangssprachlich Kantine, wirbt mit authentischen Gerichten aus aller Welt, saisonal und regional hergestellt. Heute im Angebot:

Wir wünschen „Guten Appetit“.

Tagebucheintrag vom 24. Januar 2004: »Mit einer gewissen Fassungslosigkeit sehe ich der Tatsache entgegen, daß ich bald 37 Jahre alt werde.« Derartige Unbehaglichkeiten haben sich in den letzten Jahren zum Glück völlig gelegt, keinesfalls möchte ich heute zwanzig Jahre jünger sein.

Freitag: Aus einem Zeitungskommentar über SUV: »Besonders unter geltungssüchtigen Männern, Helikopter-Eltern und Rentnern sind die Autos mit den großen Abmessungen beliebt.« Der darauf Bezug nehmenden Leserbriefempörung der oben Genannten sehe ich mit Freude entgegen.

Der Liebste hatte seinen letzten Arbeitstag bei der Firma in Ratingen, im Februar fängt er bei einem anderen Unternehmen in Köln an. Auf der Rückfahrt heute spielten sie „Don’t Look Back In Anger“ von Oasis im Radio. Künstliche Intelligenz?

Abends: „Hey Siri, spiel Humba Täterä!“ – Daraufhin wurde „I‘m still standing“ von Elton John gespielt. Bis auf Weiteres müssen wir uns wegen der Machtübernahme durch künstliche Intelligenz wohl keine großen Sorgen machen.

Samstag: Gestern Abend trafen wir uns mit einer Freundin in einem Weinlokal in der Südstadt. Das war sehr schön, erforderte heute allerdings ein etwas längeres Imbettbleiben.

Da der Tag ansonsten ohne nennenswerte Aktivitäten und Erkenntnisse verlief, schauen wir auf die WordPress-Tagesfrage, die heute lautet: »Welche Bücher möchtest du lesen?« Der Stapel der ungelesenen Bücher umfasst zurzeit zwanzig Stück, zumeist welche, die ich während sonntäglicher Spaziergänge aus öffentlichen Bücherschränken entnommen habe. Darunter „Lichtenberg Aphorismen“, „Wörter machen Leute“ von Wolf Schneider, „Das Ringelnatz Lesebuch“ (ohne Bindestrich, man kann nicht alles haben), „Vom Wandern“ von Ulrich Grober und „Die Leiden des jungen Werther“ von Goethe. Hinzu kommt eine lange Liste von Büchern, die mir aufgrund gelesener Beschreibungen mal beschaffenswert erschienen, wobei ich bei den meisten inzwischen vergessen habe, warum, etwa „Komplett Gänsehaut!“ von Sophie Passmann und „Kurz über lang“ von Nina Goldberg. Klar ist es dagegen bei „Faul! Vom Nutzen des Nichtstuns“ von Bernd Imgrund und „Porno. Eine unverschämte Analyse“ von Madita Oeming. Es erscheint unwahrscheinlich, dass ich es in der zur Verfügung stehenden Zeit schaffe, die alle zu lesen und frage mich immer wieder, wie andere das schaffen und darüber dann auch noch ausführlich bloggen. Aus Gründen, die ich selbst nicht erklären kann, komme ich außerhalb von Urlauben nur abends im Bett vor dem Einschlafen zum Bücherlesen. Das ist eindeutig zu wenig.

Aktuelle Bettlektüre ist übrigens „Die Welt ist laut – Eine Geschichte des Lärms“ von Kai-Ove Kessler. Sehr zu empfehlen.

Sonntag: Auch über diesen Tag gibt es nicht viel zu berichten, ein Sonntag, wie er sein soll: Ausschlafen, Erwachen ohne nennenswerte Nachwehen des Vorabends, ein Spaziergang, sonst keine aushäusigen Pflichten, kein Besuch, reichlich Sofalesezeit (Sonntagszeitung, Blogs, Spiegel; kein Buch, siehe oben).

Die Sonne schien durchgehend vom wolkenlosen Himmel, dazu ein kühler Wind. Daher hielt ich Schal und Handschuhe für angebracht, während in der Innenstadt ein Kellner die Gäste auf den Außenplätzen im Kurzarmhemd bediente. Warum auch nicht, wenn es ihm zum Wöhlnis gereicht. („Wöhlnis“ las ich vor einiger Zeit und notierte es für die spätere Verwendung. Also heute.)

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Ich wünsche Ihnen eine angenehme, möglichst lärmarme Woche.

Woche 23: Gute Laune für den Abflug

Montag: Nach vier freien Tagen habe ich heute wieder das große Antriebslos gezogen, woran auch die durch die oberste Werksführung abgehaltene „Roadshow“, eine zweieinhalbstündige Informationsveranstaltung mit bunten Charts, wenig änderte. Weiß der Himmel, warum die das so nennen, vielleicht halten sie das für „sexyer“ (oder wie auch immer der Komparativ dieses unerträglichen Wortes heißt; die Textverarbeitung von WordPress macht jedenfalls keine rote Strichellinie darunter, wohl aber unter „Strichellinie“). Wenigstens verzichtete der Vorstand darauf, so etwas wie „Seid ihr gut drauf?“ in die Menge zu rufen. Vielleicht ahnte er die Antwort.

Vielleicht weiß der Himmel auch nicht, warum das „Roadshow“ heißt. Mit dem Glauben ist das ja so eine Sache. Dreißig Prozent der Bevölkerung hält übrigens Werbung für glaubwürdig, aber nur, wenn sie in der Zeitung steht. Behauptet – Überraschung: die Zeitung.

Dienstag: Balkonroséwetter.

KW23 - 1 (2)

Verleser in der Zeitung: „Trio führt SPD in den Untergang„. Indessen stand dort „… im Übergang„. Hingegen kein Verleser: „… Prozess gegen ein Kölner Ehepaar, das einen islamistischen Abschlag geplant haben soll“.

Mittwoch: Es sollte jungen Männern untersagt sein, sich in der Öffentlichkeit so zu strecken, dass hochrutschende T-Shirts Blicke auf haarige Bäuche gewähren. Weniger aus ästhetischen, vor allem aus moralisch-hormonellen Gründen.

In der Bahn nach Köln diskutieren Jugendliche heftig über Humor in Werbung und auf Wahlplakaten. „Ein Witz ist doch nur gut, wenn du weißt, dass ihn alle gleich interpretieren“, sagt einer. Gegenthese meinerseits: Ein Witz ist besonders gelungen, wenn alle darüber lachen, jedoch aus unterschiedlichen Gründen.

Was ich auch noch nie verstanden habe: Warum tragen Männer außerhalb von Fußballplätzen Shorts bis kurz oberhalb der Knie zusammen mit langen Kniestrümpfen?

Donnerstag: Die Bahn ist morgens sehr leer, als wäre Feiertag und ich hätte es verpasst. Kurz darauf überzeugt mich der normale Wahnsinn im Werk vom Alltag. Merke: Was dem einen seine „Roadshow“, ist dem anderen sein „Townhall“.

Freitag: Heute beginnt die Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen. Nach meinem Empfinden übersteigt die Berichterstattung über das allgemeine Desinteresse daran diejenige über das Ereignis an sich, obwohl der Bevölkerungsanteil schwuler Ballsport-Atheisten eher gering ist.

Nach einem aktuellen Gerichtsurteil dürfen Apotheken beim Verkauf rezeptpflichtiger Medikamente keine kostenlosen Zugaben wie Papiertaschentücher, Traubenzucker und Ähnliches in die Tüte legen, weil das den Wettbewerb verzerrt und die Kunden benachteiligt. Bei rezeptfreien Produkten dürfen sie es weiterhin. Und wieder kratzt der Eizahn des Wahnsinns an der dünnen Schale der Vernunft.

Herzlichen Glückwunsch an Roberto Blanko zum zweiundachtzigsten Geburtstag. Erst sehr spät erkannte ich die wunderbare Ironie, die diesem Namen innewohnt.

Samstag: Zugfahrt nach Dortmund zum Zwecke der freundschaftlichen Kontaktpflege. Im Kölner Hauptbahnhof höre ich die Ansage des IC 4711 nach Entenhausen, was sich indes als Verhörer erwies. Der Zug fuhr nach Emden Außenhafen.

KW23 - 1 (3)

(Bei der Gestaltung der Front der Triebzug-Baureihe 632 scheint der Designer ziemlich schlechte Laune gehabt zu haben.)

Das Treffen mit dem Freund (nach über sechs Jahren, wie die Zeit vergeht) war kurzweilig und unterhaltsam. Er arbeitet als Psychologe in der Palliativmedizin, oder wie er es nennt: Er schafft „gute Laune für den Abflug“.

Passend dazu gab es (wieder in Bonn) schönes Abendrot:

Sonntag: Der folgende Dialog ist ausgedacht, hätte so aber stattfinden können: „Wie war die Woche?“ – „Gute, ich habe den Urlaub sehr genossen.“ – „Du hattest Urlaub?“ – „Nein, aber mein Chef.“

Abends wurde gegrillt. Dazu bereitete der Geliebte einen „original westfalischen Dibbelappes-Salat“. Rezept auf Anfrage.

Der Nachteil einer WhatsApp-Gruppe: Sobald einer „schöne Pfingsten“ schreibt, bricht eine Nachrichtenlawine los, die an den Abspann der „Waltons“ erinnert.

Dennoch: schöne Pfingsten!