Montag: Schon länger bemängele ich eine allgemein nachlassende Sorgfalt beim Verfassen von Schriftlichkeiten, hier und da merkte ich es bereits an. Heute in einer offiziellen Mitteilung an den Vertrieb: „Wir bitten für euer Verständnis.“ Fürbitte im harten Geschäftsleben ist mir bislang selten begegnet.
Ansonsten war der Start in die neue Arbeitswoche, schon wieder eine viertägige dank Feiertag, erträglich. Nur die Zahl der Besprechungen war etwas zu hoch, davon die erste bereits morgens um halb neun, somit deutlich vor meiner täglichen Buchstabenlieferung. Wenigstens blieben die meisten Kameras aus und ich hatte nur geringen Redeanteil. Währenddessen betrachtete ich in der Ferne die lange Warteschlange vor dem Konferenzzentrum, wo man sich dieser Tage wieder zu einer internationalen Klimakonferenz trifft. Und wieder frage ich mich, ob das dafür ausgestoßene CO2 in einem angemessenen Verhältnis zum zu erwartenden Ergebnis steht.
In einer anderen Besprechung nachmittags schweifte ich gerade gedanklich etwas ab, als ich plötzlich um meine Meinung gefragt wurde. Meine Antwort, nachdem ich das Mikrofon endlich eingeschaltet hatte, lautete sinngemäß „Ja, das kann man so machen.“ Hat hoffentlich keiner gemerkt.
Dienstag: Wenn ich wie heute zu Fuß ins Werk gehe, komme ich in der Innenstadt an einem äußerst hässlichen Haus vorbei. Gebaut wurde es mutmaßlich in den Siebzigerjahren, als ohnehin nicht sonderlich auf Ästhetik geachtet wurde oder man anders darauf schaute, jedenfalls ist mir aus dieser Epoche kein auch nur halbwegs ansehnliches Gebäude bekannt. Dieses Haus mit seiner zweifelhaften Ornamentik aus bräunlicher Metallverkleidung sticht besonders hervor. Im Erdgeschoss ist ein Friseursalon, die Etagen darüber werden von einer Leiharbeitsfirma genutzt. Ob es darüberhinaus weitere Nutzer, gar Bewohner gibt, weiß ich nicht, ist auch nicht wichtig. Weshalb ich es erwähne: An der Fassade ist eine Uhr angebracht. Diese steht schon seit Jahren, seit ich das Gebäude erstmals zur Kenntnis genommen habe, konstant auf halb eins. Als ob sie uns sagen wollte: Es ist nicht fünf vor zwölf, auch nicht fünf nach, sondern schon halb eins, und das seit Jahren. Also seht euch vor, noch fünf Minuten, und es ist um euch geschehen.

Am Rheinufer sah ich zahlreiche Konferenzteilnehmer auf umweltfreundlichen Elektrorollern zum Konferenzzentrum rollern, in der Hoffnung, den nächsten Zeigersprung der Uhr aufzuhalten oder wenigstens verzögern zu können. Außerdem zwei mittelalte Läufer, die sich wegen der Wärme bereits am Morgen ihrer T-Shirts entledigt hatten. Auch kein sonderlich ästhetischer Anblick, aber sowas soll man ja nicht mehr sagen oder schreiben wegen Badischäiming.

In der Kantine gab es Fairmasthuhn, demnach fair gemästet, welch Widerspruch in sich; dem Huhn gegenüber erscheint es nicht sonderlich fair. Den ersten Gedanken, ob es nicht Viermasthuhn heißen müsste, verwarf ich wieder. (Obwohl die Rechtschreibprüfung keine roten Strichelchen darunter macht.)
Wesentlich zufriedener als Fair- oder Viermasthühner wirkte diese Gänsegroßfamilie, die mir auf dem Rückweg begegnete.

Mittwoch: Außer dem von mir sehr geschätzten Erbseneintopf zum Mittag verlief der Büroaufenthalt ohne besondere Bemerknisse. Der Tag endete mit einer Geburtstagsfeier in einem Garten südlich von Bad Godesberg. Viel mehr ist danach nicht erinnerlich.

Donnerstag: An Fronleichnam feiern die Katholiken, wenn ich es richtig verstehe, jedes Jahr muss ich es erneut nachlesen, die bleibende Gegenwart von Jesus Christus. Erfreulich, dass wir auch zweitausend Jahre später deswegen heute nicht ins Büro müssen, auch Unkathohlen nicht. Sofern man im richtigen Bundesland wohnt; in den anderen scheint Jesus nicht so gegenwärtig zu sein.
Den freien Tag nutzte ich nach spätem Frühstück mit den Lieben auf dem Balkon unter anderem für einen längeren Spaziergang durch Schwarzrheindorf und Beuel. Es war sehr warm, nur wenige Menschen zog es aus den Häusern, auf dem sonst stark befahrenen Rheindeich nur wenige Radfahrer. Vielleicht sind die auch alle weggefahren über das lange Wochenende und drängen sich jetzt an irgendwelchen Stränden. Da bleibe ich lieber zu Hause.

Dort läuft die Klimaanlage auf Hochtouren, der Geliebte lässt darüber nicht mit sich reden. Dadurch ist es in der Wohnung kühl, für mein diesbezüglich etwas eigenartiges Empfinden, weswegen ich mir schon die Bezeichnung „fimschiges Weibchen“ gefallen lassen musste, zu kühl. Das treibt mich immer wieder zum Aufwärmen raus auf den Balkon, ehe es mir dort zu warm wird und ich wieder rein gehe, bis es zu kalt wird und ich wieder raus … siehe oben. Man macht was mit.
Auch Frau K. ist übers lange Wochenende weggefahren. In ihrem immer lesenswerten Landlebenblog schreibt sie wieder wunderbare Sätze wie diesen:
… Motorradfahrer brüllen sich über den ohrenbetäubenden Krach ihrer blubbernden Motorräder gegenseitig Unverständliches zu, bevor sie jaulend und heulend starten. Ich wundere mich, mit welcher Begeisterung und welchem Durchhaltevermögen Menschen laut sind – in einer ohnehin ja schon durchaus lauten Zeit.
Freitag: Im Büro herrschte dank Brückentag der anderen die erwartete Ruhe mit nur wenigen Besprechungen und geringem Aufkommen an Anliegen in Wort und Schrift. Das motivierte mich zu einem zeitigen Verlassen der Arbeitsstätte mit Zwischenhalt zur inneren Kühlung auf dem Heimweg, da man bekanntlich nicht warten soll, bis der Durst sich meldet. Von der wesentlich jüngeren Ausschankkraft wurde ich geduzt, ich werte es positiv und fühle mich geschmeichelt.

Bei Gunkl las ich das wunderbare Wort „Bedeutungsüberschuß“ und nehme mir vor, es demnächst in werklichen Angelegenheiten mal anzuwenden.
Samstag: Heute ist kalendarischer Sommeranfang, nachdem das Wetter sich schon länger sommerlich geriert. Wie üblich verband ich die erforderliche Altglasentsorgung mit einem Spaziergang, stets möglichst im Schatten, durch die Nordstadt, an den Rhein und durch die Innenstadt. In letzterer ist an diesem Wochenende Straßenfest, dazu ist die Friedrichstraße auf voller Länge mit einem roten Teppich ausgelegt und für den Radverkehr gesperrt. Zusätzlich zur dort ohnehin zahlreich ansässigen Gastronomie werden alle paar Meter Speisen und Getränke zum örtlichen Verzehr angeboten, trotz Hitze waren die Plätze gut belegt. An einer Stelle mit Livemusik ging ich etwas schneller, da ich Livemusik außerhalb von Konzerten und Karnevalsveranstaltungen zumeist als lästig empfinde. Immerhin gelang es mir, den gastronomischen Verlockungen zu widerstehen und mich zurück in die klimatisierte Wohnung zu begeben, die mir heute, im Gegensatz zu Donnerstag, nicht zu kalt vorkommt.

Zeit für eine weitere Frage. Da heute der 21. ist, nehme ich die doch gleich. Frage 21 lautet: „Ist es wichtig für dich, was andere von dir denken?“ Ja, grundsätzlich schon, jedenfalls bei Menschen, die mich kennen und die mir was bedeuten. Das halte ich auch für gut und richtig, denn Leute, denen das völlig egal ist, sind in der Regel die größten Arschlöcher, verzeihen Sie meine derbe Ausdrucksweise. Eine Folge daraus ist ein gesteigertes Harmoniebedürfnis und eine gewisse Konfliktscheu, was nicht immer gut ist, aber ich kann es nicht ändern.
„Bonn gewinnt“, mit dieser an ein in den Achtzigern beliebtes Spiel erinnernden Sentenz, bei dem es darum ging, als erster vier farbige Plastikplättchen in eine Reihe zu bringen, wirbt die amtierende Oberbürgermeisterin auf Plakaten um Wiederwahl bei den Kommunalwahlen im September. Offen bleibt dabei, was genau zu gewinnen ist und gegen wen. Vielleicht Bielefeld? Rätselhaft auch ein anderes Wahlplakat derselben Partei:

Gelesen bei Herrn Buddenbohm und zustimmend vehement genickt:
Als älterer Mensch jedenfalls, wenn man aus der Perspektive eines Menschen auf Szenen und Geschehen oder überhaupt auf irgendwas sieht, der nicht mehr primär an Action und Erlebnis interessiert ist, sondern vielleicht allmählich etwas mehr an Ruhe und Kontemplation, ohne damit allzu ambitioniert klingen zu wollen, aus dieser Perspektive, so glaube ich, wirkt die damalige Zeit naheliegenderweise anziehend. […] Wahrscheinlich geht es nicht nur mir so. Wie bekanntlich alle Fragen, die mit „Bin ich eigentlich der oder die Einzige …“ beginnen, kategorisch verneint werden können.
Nein, Sie sind nicht der Einzige.
Sonntag: Auch heute war es sehr warm, wärmer noch als gestern, was selbstverständlich kein hinreichender Grund ist, auf den allsonntäglichen Spaziergang zu verzichten.


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Vielen Dank für die Aufmerksamkeit, kommen Sie gut durch die Woche und den Sommer.
Redaktionsschluss: 18:30
