Woche 13/2025: Wanderlust, Wiedersehen in Ostwestfalen und (noch) keine Kirschblüte

Montag: Schon beim Aufstehen morgens bemerkte ich eine dumpfe Lustlosigkeit, die sich bis zum Nachmittag hielt, manchmal ist das so. Vor der Werktätigkeit lag ein Kontrollbesuch beim Zahnarzt, der sich die Stelle ansah, wo er vor zwei Wochen den Weisheitszahn gezogen hatte. Bis auf eine schwache, von mir unbemerkte Restreizung ist alles in Ordnung. Zur Sicherheit benetzte er die Stelle mit einem Mittel, dessen übler Geschmack mich noch ein wenig begleitete und mit dem ersten Bürokaffee verschwand.

Im Laufe des Arbeitstages schaffte ich es, das Rechnerpasswort dreimal falsch eingegeben. Es ist zwar lang, aber nicht schwer zu merken, vermutlich auch nicht leicht zu erraten. Immerhin passierte das nicht direkt nacheinander, das wäre schlecht, beim dritten Mal sperrt sich der Rechner und man muss irgendwo anrufen und es dauert lange und man muss viele Fragen beantworten, bis man ein neues Passwort bekommt und wieder arbeiten kann. Daher unbedingt immer Sorgfalt walten lassen beim Eintippen. Warum mir die Eingabe dennoch mehrmals misslang, ich weiß es nicht. Vielleicht wollten die Finger noch nicht so wie das Hirn.

Auch ohne verirrte Finger schien der Rechner unter Montagsunlust zu leiden, mindestens zweimal wurde die Bluetooth-Verbindung zum Sprechkopfhörer getrennt und die Stimme des Teams-Anrufers kam aus dem in den Bildschirm integrierten Lautsprecher, bis die Verbindung wieder hergestellt war, nachdem ich herausgefunden habe, wie das geht. So ein Tag war das heute. Morgen wird wieder besser.

In der Zeitung ein Artikel über das Geschwisterpaar, dessen Name mir wieder entfallen ist, das uns in diesem Jahr beim ESC vertreten wird. Nach Anschauen des Liedes auf Youtube habe ich wenig Hoffnung auf eine Platzierung in der ersten Hälfte der Tabelle. Und warum zertrümmert die Frau am Ende das Cello ihres Bruders, was soll das? Danach lag mir das Stakkato ihres Gesangs noch länger unangenehm in den Ohren, verschwand jedoch bald wieder wie das übelschmeckende Mittel des Zahnarztes.

Dienstag: Der Tag begann mit einem handkühlen Fußmarsch ins Werk und endete mit einem dienstlich veranlassten Restaurantbesuch in Rhöndorf mit den Kolleginnen und Kollegen der neu zusammengesetzten Abteilung. Beim nicht sehr späten Verlassen der Gaststätte verabschiedete ich mich von einer Gruppe Rauchern vor der Tür und bemerkte erst, nachdem sie meinen Abschied fröhlich erwidert hatten, dass sie gar nicht zu unserer Gruppe gehörten. Wir ließen uns gegenseitig nichts anmerken.

Morgens am Rheinpavillon
Gebirge oberhalb von Rhöndorf

Mittwoch: Bereits gestern Vormittag zeichnete sich bei einem Projekt, an dessen Umsetzung ich beteiligt bin, eine Komplikation ab, für die ich auch heute noch keine Lösung weiß. Deshalb dachte ich erstmal nicht weiter darüber nach; es hat sich bewährt, solche Fragen zunächst unbeantwortet im Hinterstübchen des Bewusstseins abzulegen, oft kommt die Lösungsidee dann von alleine. Vielleicht am freien Tag morgen beim Wandern. Doch werde ich währenddessen nicht aktiv darüber nachdenken, so weit kommt das noch.

Donnerstag: Wandertag, heute die 5. Etappe des Rheinsteigs von Leutesdorf nach Bad Hönningen. Die Anreise mit der Bahn verzögerte sich um etwa eine Stunde wegen „Reparatur an einem anderen Zug“. Ich sah es gelassen, die Sonne schien auf den Beueler Bahnsteig und ich hatte genug zu lesen. Auf der Karte wirkt die Wanderstrecke harmlos, doch sie hat es steigungsmäßig in sich. Bereits zwanzig Minuten nach Abmarsch in Leutesdorf war ich das erste Mal außer Atem, trotz täglichem Turmtreppentraining.

Unterwegs sah ich den ersten Schmetterling des Jahres, ein Tagpfauenauge, später mehrere Zitronenfalter, Kohlweißlinge und Kleine Füchse, zudem zwei Eidechsen. Hinter dem Ort Hammerstein ging es, stets bergauf, in den Wald, wo erstmals und vorübergehend das permanente Rheintalrauschen von jeweils zwei Bundesstraßen und stark befahrenen Bahnstrecken verstummte.

Nach ziemlich genau fünf Stunden Wanderung erreichte ich den Bahnhof von Bad Hönningen. Die Rückfahrt verzögerte sich wiederum, zur Auswahl standen abwechselnd „ein defektes Stellwerk“, „Verspätung aus vorausgegangener Fahrt“, „Reparatur an einem Signal“ und „Stellwerksstörung in Leutesdorf“. Es fügte sich dann alles zum Guten, mit Currywurst und Bier auf dem Bonner Marktplatz.

Aufstieg bei Leutesdorf
Drogenanbau
Der perfekte Platz für die Mittagspause
Relikt vergangener Zeiten in Hammerstein
Finde den Fehler
Waldesruh oberhalb von Hammerstein
Oberhalb von Rheinbrohl
Blick auf nämliches
Vor Rheinbrohl
In Rheinbrohl
Geschafft

Freitag: Meine Gesichtsfarbe spielte morgens ins Rötliche, die Nase stünde einem professionellen Säufer gut zu Gesicht. (Gut, Grund genug hätte sie dazu.) Die Sonne hatte beim Wandern gestern doch stärker geschienen als erwartet, und natürlich hatte ich keine Sonnencreme dabei.

„Ich wechsle jetzt ins Homeoffice“ sagte mittags jemand, die ich auf dem Rückweg von der Kantine traf. Homeoffice. Freitagmittag. Ist klar. (Bitte denken Sie sich ein vom Zeigefinger heruntergezogenes unteres Augenlid.)

Für die am Mittwoch genannte Komplikation habe ich weiterhin noch keine abschließende Lösung gefunden, stattdessen das Problem und mögliche Lösungen strukturiert aufgeschrieben. Grob gesagt suche ich jemanden für die Erledigung einer künftig aufkommenden Tätigkeit, die ich selbst nicht übernehmen möchte, weil das auf Dauer nicht sinnvoll wäre.

Samstag: Vereinspflichten bei der Dampf-Kleinbahn erforderten meine Anwesenheit in Ostwestfalen, weshalb ich zur Unzeit das Bett zu verlassen und zu einer längeren Autofahrt genötigt war. Die war dann gar nicht so schlimm, ich ärgerte mich weniger als sonst über andere Verkehrsteilnehmer und kam zeitig an. Erkenntnis während der Fahrt: Wenn man sein Fahrzeug in Köln angemeldet hat und beispielsweise Otto Theesen heißt, sollte man nicht unbedingt ein Autokennzeichen mit seinen Initialen wählen. Wohnt man hingegen in Hagen und heißt Siegmund Ippendorf, ist das recht putzig.

Die Vereinspflichten waren frühzeitig erfüllt. Nach nettem Plausch, einige hatte ich länger nicht gesehen, fuhr ich weiter nach Bielefeld zur Mutter. Dort verbrachten wir einen angenehmen Abend zusammen mit Mutterfreunden und Begleitgetränken, der für mich wegen Müdigkeit nicht sehr spät endete. Stolz präsentierte der Mutterfreundesohn seine frisch großflächig tätowierte Wade. Ich kam nicht umhin, meine Missbilligung darüber zum Ausdruck zu bringen, was der Stimmung indes nicht abträglich war.

Dampf-Kleinbahn

Sonntag: Aus Sommerzeitgründen blieb ich morgens etwas länger liegen, die Vorabendgetränke wirkten hingegen nicht nach. Nach dem Frühstück mit der Mutter fuhr ich zurück nach Bonn. Im Gegensatz zu gestern gestaltete sich die Fahrt äußerst langwierig mit einem gut einstündigen Stau vor dem Kamener Kreuz, einem kürzeren bei Remscheid und einer unnötigen, völlig absurden Umleitung durch Wuppertal, zu der mich Frau Navi verleitete. So wurden aus normal zwei Stunden Fahrt mehr als vier. Erkenntnis: Weniges trainiert so sehr Gelassenheit wie ein Stau, weil man als Fahrer überhaupt nichts tun kann, nicht einmal Blogs lesen. Man kann schon, darf aber nicht.

Die Muslime feiern Ramadan, wenn der Neumond zum ersten Mal gesichtet wird, sagte die Frau im Autoradio. Vielleicht habe ich mich aber auch verhört.

Kurz vor Ankunft zu Hause der nächste Verdruss: Wegen der weltberühmten Kirschblüte sind die Straßen in die Innere Nordstadt für den Autoverkehr gesperrt, an den Zufahrten stehen Sperrbaken und Kontrollposten in gelbleuchtenden Westen mit dem Auftrag, nur Anlieger durchzulassen. Erstmals ist in diesem Jahr ist auch unsere Straße betroffen, obwohl dort keine Kirschen blühen. Nachdem mein Anliegen durch Vorlage des Personalausweises bewiesen war, durfte ich passieren und ich war froh, als das Auto endlich auf dem Abstellplatz geparkt war. Bis auf Weiteres ist mein Bedarf am Autofahren gedeckt.

Nach Begrüßung meiner Lieben und telefonischer Ankunftsmeldung nach Bielefeld unternahm ich mit Verspätung den Spaziergang, heute etwa kürzer. Unter anderem durch die Breite- und Heerstraße, wo die Kirschen weiterhin noch gar nicht blühen. Das hält weder die Stadtverwaltung von Straßensperren ab noch zahlreiche Besucher, mit teilweise riesigen Kameraobjektiven die Knospen zu fotografieren. Was soll erst werden, wenn die Bäume wirklich blühen.

Breite Straße
Heerstraße
Michaelstraße – wenigstens dort blüht was

Zum guten Schluss: Erfreulich waren in dieser Woche ein Abteilungsessen, Wandlust und Wiedersehen mit lange nicht Gesehenen.

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Ich wünsche Ihnen eine angenehme Woche ohne Verdruss und Uhrenumstellungswehen.

Woche 36/2021: Eine gewisse Würze und ausgefüllte Kästchen

Montag: „Ganz kurz nur.“ Schon als der Kollege das Gespräch mit vorstehenden Worten eröffnete, war klar: Das dauert etwas länger.

Meiner Freude über die wiedereröffnete Kantine verlieh ich bereits Ausdruck. Dort darf aus bekannten Gründen bis auf weiteres nur jeder zweite Sitzplatz benutzt werden, auf den freizuhaltenden Stühlen sind einlaminierte Hinweisblätter ausgelegt. Das hielt zwei Hungrige in meiner unmittelbaren Nähe nicht davon ab, sich an einen Zweier-, somit zurzeit Einzeltisch setzen zu müssen, obwohl ausreichend Mehrpersonentische frei waren; den Hinweiszettel legten sie gut sichtbar und ohne Unrechtsbewusstsein auf den Nebentisch. Den Sicherheitsmann, der wenige Meter daneben stehend über die Einhaltung der Platzregeln zu wachen hatte, interessierte es nicht. Mich immerhin genug, dass ich es notierte.

„Ich liebe Stachelbeeren“, hörte ich im Gehen einen Entgegenkommenden zu seinem Nebenmann sagen. Ich mag sie auch, am liebsten direkt vom Strauch, vor allem die roten; auf Kuchen oder als Kompott hingegen nicht ganz so gerne. Liebe wäre für dieses Mögen daher ein zu starkes Wort.

Dienstag: Wie ich morgens beim ersten Kaffee des Tages in der Zeitung las, plant Helene Fischer im nächsten Jahr ein Deutschlandkonzert. Nicht, dass ich dorthin wollte, indes spielte seitdem mein Hirnradio mindestens bis in den frühen Nachmittag hinein „Die Hölle morgen früh ist mir egal“, mit erschreckend großer Textsicherheit.

Egal könnte und sollte mir sein, wie andere Leute ihre Kinder rufen, und vielleicht verstößt es gegen irgendeinen Bloggerkodex, wenn ich folgendes anzumerken mir nicht verkneifen kann: Es erscheint mir fragwürdig, wenn nicht unverantwortlich, als Mutter den zwölfjährigen Sohn, der einen eigentlich recht schönen anderen Namen hat, öffentlich „Ona“ zu nennen. An das falsche Mitschülerohr geraten könnte das zu unschönen Neckereien führen. Man stelle sich vor, das Kind hieße mit Zweitnamen auch noch Nils. Aber mir soll es egal sein. Zudem steht mir als Kinderlosem derartiges Urteil nicht zu.

Mittwoch: Wie die Zeitung in einer kurzen Meldung wissen lässt, erhalten sieben Länder, darunter ausgerechnet die Türkei, von der EU in den nächsten sechs Jahren wegen Aussicht auf einen Beitritt etwa 14,2 Milliarden Euro an sogenannter „Heranführungshilfe“. Ein wunderbares Wort für eine nach den aktuellen Erfahrungen mit Polen und Ungarn eher fragwürdige Ausgabe.

„Für Kinder ist dieser Virus absolut harmlos. Und die Gefahr von so einer Impfung, die man nicht erforscht hat, ist ungleich höher als der Virus selber.“ – Warum tut Til Schweiger nicht, was sein Nachname ihm nahelegt?

Apropos Name – Namenstag haben laut Zeitung heute diejenigen, die „Mariä Geburt“ in ihrem Ausweis oder vielleicht auf dem Grabstein stehen haben. Das mag ich nicht recht glauben, andererseits ist es dagegen vergleichsweise erträglich, Ona gerufen zu werden.

Donnerstag: Als ich morgens nach einem Fußmarsch mit angenehmer Müdigkeit ins Werk kam, fand ich im Maileingang einen von Inhalt und Umfang her völlig unklaren Arbeitsauftrag vor, der im wesentlichen das Ausfüllen von Kästchen beinhaltet, zu erledigen bis spätestens kommenden Dienstag. Warum ich?, fragte ich mich. Als kurz darauf die Mitteilung über den Eingang der nächsten Gehaltsabrechnung auf dem Datengerät eintraf, fiel es mir wieder ein.

Abends auf dem Rückweg sah ich am Rheinufer etwas, das morgens noch nicht da war und wahrscheinlich schon jetzt, da auch Sie es sehen, von irgendwelchen Vollidioten kaputt gemacht wurde.

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Die Sichtung eines neuen Nachbarn im Nebenhaus durch den Geliebten verlieh der häuslichen Abendkonversation eine gewisse Würze. Ich war zu müde für einen Ausdruck der Missbilligung und sehe vielmehr mit großer Gelassenheit dem langen Gesicht entgegen, wenn erstmals die Freundin des Herrn Nachbarn in Erscheinung tritt.

Freitag: Es hat sich vielfach bewährt, erstmal nichts zu tun. Zu dem gestern beklagten Arbeitsauftrag stellte man sich heute auch an höherer Stelle die Frage nach dem Sinn, bezeichnete dessen Vollzug gar als „overdone“. Leider waren da schon die meisten Kästchen ausgefüllt. Doch wozu klagen – es geschah in gut bezahlter Arbeitszeit.

Samstag: Anscheinend ist es von Relevanz, zu wissen, wo man heute vor zwanzig Jahren war, an dem Tag, als in Amerika … Sie wissen schon. Ich weiß es auch, möchte Sie aber ungern damit belästigen. Eine beliebte Aussage aus jenen Tagen war, von nun an sei nichts mehr, wie es war. Das ist nicht eingetreten, ob zum Glück oder leider, mag jeder für sich bewerten.

Laut Aufschrift auf der Zahnpastatube ist ihr Inhalt für den täglichen Gebrauch bestimmt. Ja was denn sonst?

Gemessen an der Zahl der zerstörten und heruntergerissenen Wahlplakate muss die Politikverdrossenheit erheblich sein. Was würden politische Parteien und Werbetreibende wohl dafür zahlen, wenn es ihnen gelänge, direkt in unsere nächtlichen Träume eingreifen zu können?

Sonntag: Wandertag im Siebengebirge mit lieben, seit Monaten nicht gesehenen Menschen; dazu Wiedersehensfreude unterstreichende Begleitgetränke und eine abschließende Einkehr in Königswinter. Die Hölle morgen früh ist mir egal.