Woche 16/2025: Zur freien Verfügung

Montag: Manche Wörter lösen in mir eine gewisse Aggression aus, ohne dass ich genau weiß, warum. Ein solches ist „Mindset“. Vielleicht ein Fehler in meiner Denkweise.

Vielleicht auch ein Fehler der Denkweise ist die Annahme, der Montag sei stets von dumpfer Trübnis überschattet, selbst wenn wie heute die Sonne scheint. Denn heute ging es, Unlust und Müdigkeit hielten sich in Grenzen. Mittags in der Kantine setzte ich mich sogar freiwillig an den Tisch mit mehreren Kollegen und lauschte Gesprächen über ihre Kinder, was ich sonst eher meide. Vielleicht war es die Aussicht auf eine kurze Osterwoche, die meine Stimmung erhellte.

Dienstag: Während der Kindheit in den Sieb- und Achtzigern gehörte es zum täglich gewohnten Klangbild, wenn Militärflugzeuge über die Stadt hinwegdonnerten. (Ein beliebtes Eis am Stiel hieß „Düsenjäger“, ich weiß nicht, ob es das noch gibt; falls ja, heißt es bestimmt nicht mehr so.) Danach wurde es diesbezüglich ruhiger, wohl nur wenige werden es vermisst haben. Ich schreibe bewusst nicht „niemand“, gibt es doch für alles noch so Abwegige Liebhaber, etwa knallende Motorräder oder Gorgonzola-Käse. Da fiel es heute Morgen schon auf, als während des Fußweges ins Werk mal wieder so ein Düsenjäger (also nicht das Eis) über mich hinwegbrauste. Hoffen wir, dass wir uns künftig nicht wieder daran gewöhnen müssen.

Woran ich mich auch nicht gewöhnen werde und möchte sind geschäftliche Anliegen über Teams-Chat, ich schrieb es schon. Deshalb aus gegebenem Anlass nochmals dieser Hinweis an die lieben Kolleginnen und Kollegen: Fragen, die mich als Chatnachricht erreichen, werden nur beantwortet, wenn es kurzfristig möglich ist und ich gerade Zeit (und Lust) dazu habe. Wenn nicht, werden sie zuverlässig vergessen. Wie Sie sicher wissen, bedeutet Chat (engl.) Unterhaltung, Geplauder, Geplapper. Schriftliche Anliegen, die nicht einfach mit ja oder nein zu beantworten sind, daher bitte grundsätzlich per Mail. Dann kann ich bei Bedarf Nachrichten weiterleiten, in Ordner ablegen und per Mausklick daraus eine Aufgabe anlegen. Zudem bin ich bestrebt, den Maileingang täglich leer zu arbeiten, so dass nur selten etwas vergessen wird. Danke.

Innere Nordstadt mit abnehmender Kirschblüte

Mittwoch: Der angekündigte Regen fiel freundlicherweise zu Zeiten, da ich nicht auf dem Fahrrad saß, die vorsorglich eingepackte Regenjacke konnte in der Tasche bleiben.

Im Büro wieder viele Besprechungen, so dass nur wenig Zeit war für einen Chat mit dem Kollegen gegenüber. Dazu muss ich kurz ausholen: Als ich von nunmehr sechsundzwanzig Jahren von der ostwestfälischen Niederlassung zum Bonner Mutterhaus wechselte, saßen wir beide mehrere Jahre im selben Büro und es verging kaum ein Arbeitstag, an dem wir nicht mindestens einmal laut lachten, weil unsere Humore und unsere Mindsets eine größere Schnittmenge aufweisen. Daher empfand ich fast so etwas wie Trennungsschmerz, als wir aus organisatorischen Gründen auseinandergesetzt wurden.

Dass wir nun wieder, trotz unterschiedlicher Abteilungen, wenigstens tageweise im selben Büro tätig sind, liegt an der aktuellen Arbeitsorganisation, die ich vor längerer Zeit schon beschrieb: Wenn man möchte, kann man an bis zu drei Tagen die Woche im Heimbüro arbeiten, dafür verzichtet man auf einen festen Schreibtisch und bucht sich einen, wenn man ins Bürobüro zu kommen beabsichtigt. Dadurch habe ich, der eine tiefe Abneigung gegen Heimbüro hegt und deshalb (als einziger im Geschäftsbereich) jeden Tag gerne ins Büro geht und somit über einen festen Schreibtisch verfügt, fast täglich wechselnde Zimmergenossen (manchmal auch keinen), somit, da wir nun wieder demselben Bereich angehören, auch besagten Kollegen. Das ist schön. Und gelacht haben wir trotz Besprechungen auch heute wieder.

Nicht ganz neue Kantinenerkenntnis zur Mittagszeit: Gemeinsam essen zu mehr als vier Leuten finde ich anstrengend, ich habe da immer weniger Lust drauf. Vor allem wenn das Tischthema Autos, Kinder oder Fußball ist, eins davon kommt meistens. In seltenen Fällen trifft das schon zu, wenn nur ein Mitesser zugegen ist.

Donnerstag: Der Gründonnerstag war grau und kalt, immerhin kam ich trockenen Fußes ins Werk und zurück, wobei auf dem Rückweg der Wind unfreundlich ins Gesicht blies.

Bei Ankunft morgens waren nur wenige Fenster des Turmes erleuchtet, auch auf unserem Flur blieben die meisten Büros leer, ich hatte meins für mich allein. Osterurlaub ist auch schön, wenn andere ihn haben. Während der Aufzugfahrt trug mir einer das Du an, der vor einigen Jahren, als Siezen noch nicht als exotisch galt, mein Chefchef war. Was soll man da sagen, womöglich wird er es irgendwann wieder.

Mittagessen mit einer lieben Kollegin, die ich aus dem gestern dargelegten Grund auch nicht mehr täglich sehe. Das war mindestens so schön wie allein zu essen. Ich hatte Weißwürste mit Radieschensalat und Kartoffelpüree, in das die Brezn in zerbröselter Form eingebettet war. Das klingt seltsam, hat jedenfalls sehr gut geschmeckt.

Freitag: Karfreitag. Da Ostern für uns in diesem Jahr nicht mit Reisen oder Besuchspflichten verbunden ist, bedeutet das vier freie Tage in der privat base (den Begriff las ich die Tage im Vorstellungs-Steckbrief einer neuen Kollegin) zur freien Verfügung. Während meine Lieben anderweitig beschäftigt waren, unternahm ich nach dem Frühstück eine kleine Wanderung auf die andere Rheinseite über Beuel, den Finkenberg (eine bewaldete Erhebung im Ortsteil Küdinghoven) bis Ramersdorf, zurück am rechten Rheinufer. Seit der letzten Wanderung hat die Begrünung der Natur noch einmal erheblich zugelegt, was den Weg mit Glücksgefühl anreicherte. Auch der angekündigte Regen blieb aus. Gar nicht zufällig führte der Rückweg an einem Biergarten vorbei, wo der erste Maibock des Jahres im Anstich ist und es wäre mir unhöflich erschienen, das zu ignorieren. Am Beueler Rheinufer überquerte ich die Osterkirmes, die aus bekanntem, zu recht zunehmend umstrittenem Grund heute geschlossen war.

Glücksgefühl auf dem Finkenberg
Glücksgefühl bei Maibock

Bei Herr Buddenbohm las ich das Wort „Leapfrogging“ und bin nun gespannt, wann es mir zum ersten Mal in einer Besprechung begegnet.

Samstag: Die samstagsüblichen Ent- und Besorgungen verband ich wieder mit einem Spaziergang. Außerplanmäßig suchte ich außerdem aus gegebenem Anlass ein Blumengeschäft auf. Die Sonne schien, doch war es nicht so warm wie vor einer Woche, auch die Kurze-Hosen-Dichte war deutlich geringer. Immerhin war es warm genug, um diesen Eintrag auf dem Balkon sitzend vorzunehmen.

Wann haben Sie zum letzten Mal ein Mofa gesehen?
Auch die Uferpromenade ist ergrünt

Abends waren wir im Zirkus Roncalli, der zurzeit in Bonn gastiert, für den uns die liebe Nachbarin Freikarten besorgt hatte. Es dürfte rund fünfzig Jahre her sein, als ich das letzte Mal in einem Zirkus war. Man hat ja auch so schon genug Zirkus im Werk und mit den Lieben, nicht wahr. Jedenfalls: Es war geradezu anrührend schön mit beeindruckender Akrobatik, Komik, einer Spur Erotik und ohne lebende Tiere. Gedanke während des Staunens: Diese Leute können so unendlich viel mehr als ich und bekommen dafür mutmaßlich viel weniger Geld.

Vergnüglich war es zweifellos

Sonntag: Geträumt, ich bin Mitglied der dreiköpfigen Jury bei Let‘s Drink, der Wettsaufshow auf RTL. Mein Name ist Kotzi Kabuse.

Der Liebste hat Geburtstag, deshalb der Blumenkauf gestern. Zur Feier des Tages unternahmen wir eine Radtour durch rechtsrheinische Gefilde bis Porz-Zündorf. Das war beglückend, die Sonne schien nicht zu warm; Raps, Kastanien und Flieder blühen, über den Feldern zwitschernde Lerchen. In Zündorf machten wir Rast in einem Biergarten, dann fuhren wir in Ufernähe unter zunehmender Bewölkung zurück, mit der Mondorfer Fähre wechselten wir schließlich wieder die Rheinseite. Während der Hinfahrt mussten wir immer wieder anhalten, weil leuchtende Rapsfelder die Motivklingel des Datengeräts heftig ausschlagen ließen.

Raps I
Raps II
Etwas Raps (III)
Raps IV – Suchbild mit Kölner Dom

Zum guten Schluss: Erfreulich in dieser Woche waren u. a. Wanderlust, der Zirkusbesuch und das Geburtstagsessen am Sonntagabend.

***

Ich wünsche Ihnen eine angenehme Woche.

Woche 39/2024: Unreife Brombeeren, Buskursionen und Gaudi ohne Lederhose

Montag: Gegen fünf in der Frühe erwachte ich aus einem ungemütlichen Traum (jemand jagte mich mit gezücktem Messer ein Treppenhaus hoch, dabei war er wesentlich schneller als ich) und fand erst eine knappe Stunde später wieder in den Schlaf, kurz bevor der Wecker des Geliebten anschlug.

Heute wäre mein Vater neunzig Jahre alt geworden. Ich erhebe das Glas auf ihn, das hätte ihn gewiss gefreut.

Der angekündigte Regen blieb weitgehend aus, was die planmäßige Fahrradfahrt ans Werk ermöglichte, wo ich erstaunlich gut gestimmt und in trockener Hose ankam. Der Arbeitstag bot wenig Berichtenswertes, er endete zu angemessener Zeit.

Ekaterina hat eine Mail geschrieben:

Willkomm!!!
Vielleichtdu uberrascht, einen Brief von mir zu sehen!
Sie scheinen mir nur ein interessanter Person zu sein! Ich habe mich nicht in dir geirrt?!?
Im den nachfolgenden Nachricht kann ich Ihnen weitere Informationen uber mich selbst schreiben.. Ich bin eine sehr lange Zeit keine mehr Ich hoffe dass Sie bist nicht dagegen? Wenn Sie die Kommunikation fortsetzen und mehr wissen mochten uber mich, dann antworten
Ich bin ein attraktives und freundliches Person mit ernsthaften Planen fur die Zukunft.. Aber in letzter Zeit empfinden ich mich oft Traurigkeit und Einsamkeit!
Ich bin Ekaterina ..
ernsthafte Beziehung gelebt..
Deshalb ich habe wollte, dir zu schreiben, um kennen zu lernen!
Sie mir.. Ich werde warten auf eine E-mail von Ihnen ! Ekaterina.

Dazu das Bild einer jungen Frau mit langen blonden Haaren, dunkel umschminkten Augen und bedrohlich langen Fingernägeln. Leider habe ich gerade keine Kapazitäten frei, mich der Dame anzunehmen, auch sollte sie an ihrer Zielgruppenbestimmung arbeiten. Wenn Sie interessiert sind, kann ich den Kontakt gerne herstellen.

Dienstag: Die Zeitung bezeichnet eine mögliche Koalition aus CDU, BSW und SPD als „Brombeer-Koalition“. Wie kommen die nur darauf? Reife Brombeeren, also die Früchte, sind schwarz, vorher rot, vielleicht auch ein bisschen violett. Außerdem neigen sie, also die Büsche, dazu, alles in ihrer Umgebung stachelbewehrt zuzuwuchern. Vielleicht deshalb?

Lange nichts Neues über die Rheinnixe geschrieben, die ehemalige Personenfähre nach Beuel. Am dortigen Ufer lag sie seit längerem und wartete auf bessere Zeiten. Laut einem Zeitungsbericht hat sie ein Privatmann gekauft ohne nähere Angaben, was er damit vorhat. Vielleicht ist ihm jetzt was eingefallen, seit heute Morgen ist sie verschwunden. Dieses Mal vielleicht für immer. Wir werden sehen.

In einer internen Mitteilung war etwas vom „richtigen Mindset“ zu lesen, auch so ein Begriff, der mich regelmäßig schaudern lässt. Außerdem nahm ich am Kick Off eines zweifelhaften Projektes teil. Bei solchen Anlässen ist es immer wieder beruhigend, wenn mein Name nicht im Projekt-Organigramm zu lesen ist.

Der Arbeitstag war wegen einiger spontan per Mail eingetroffener Handlungsbedarfe und wegen abzuwartenden Regens etwas länger als erwartet, das war nicht schlimm. Ohnehin empfiehlt es sich dienstags nicht, zu früh nach Hause zu kommen, um bei des Heimes Pflege nicht im Wege zu sein. Wozu das gerade in der Vorweihnachtszeit führen kann, wissen wir dank Loriot.

Mittwoch: Anscheinend bin ich nicht der einzige, bei dem das gestern beschriebene Brombeerbild Verwunderung auslöst. Heute sah sich die Zeitung veranlasst, per Kolumne auf der ersten Seite aufzuklären. Demnach hat sich das ein Parteienforscher (was es alles gibt; demnächst, wenn es einigermaßen gut läuft, forscht er vielleicht nach kaum noch nachweisbaren Spuren der FDP) namens K.-R. Korte ausgedacht, inspiriert durch noch nicht ganz reife Brombeeren, die neben schwarzen auch dunkelrote Fruchtperlen aufweisen. Das finde ich sehr weit hergeholt. Wobei: Unreife Brombeeren sind unbekömmlich, insofern passt das Bild.

Deshalb also
Nanu?

Morgens war es trocken, deshalb fuhr ich planmäßig mit dem Rad zum Büro. Dadurch geriet ich nach Arbeitsende in eine Situation: Wegen eines überzogenen Cheftermins kam ich erst später raus, eine halbe Stunde später hatte ich einen Gesundheitstermin in der Inneren Nordstadt. Zeitlich kein Problem, leider regnete es nun mittelstark. Deshalb versuchte ich, mir die morgens vom Geliebten gereichte, ungefähr auf Postkartengröße (falls Sie damit noch was anfangen können) gefaltete Regenschutzfolie überzuziehen, was im windbegleiteten Regen nicht ganz einfach und für mögliche Beobachter erheiternd gewesen sein muss. Wieder so ein Moment, in dem ich dachte: Hoffentlich filmt das keiner. Trotz aller Ungeschicklichkeit meinerseits leistete die Pelle, bis über den Lenker gezogen, was die Lenkung etwas einschränkte, gute Dienste: Die Hose blieb trocken, die Schuhe wurden nur etwas feucht. Vielleicht sollte ich das demnächst mal trocken üben.

Ob die originäre Zweckbestimmung des Produktes der Regenschutz ist, mag aufgrund der Abbildung angezweifelt werden

Donnerstag: Heute hatte ich frei. Da für den Tag Regen angekündigt war, verzichtete ich auf eine Wanderung, zumal die letzte erst zwei Wochen zurück liegt. Stattdessen startete der Tag mit Frühstück und Zeitunglesen im Kaufhof-Restaurant. Zu meiner Überraschung stand ich zunächst vor verschlossener Tür, weil sie erst um zehn öffnen, das muss ich mir merken für künftige freie Tage mit Auswärtsfrühstück.

Die Zeitung berichtet über den vierzehnten Extremwetterkongress in Hamburg. Experten fordern von den Menschen und der Politik sofortiges Umdenken und Handeln ein, wenn uns das Klima nicht schon bald um die Ohren fliegen soll. – In Bad Godesberg geht eine neu gegründete Bürgerinitiative gegen Baumpflanzungen an, weil dadurch Parkplätze entfallen. „Wir sind doch auf das Auto angewiesen“, so die Bürger. – Unterdessen sorgt sich die Weltgesundheitsorganisation um die Jugend, weil sie zu viel Zeit in den sogenannten sozialen Medien verbringt, die bekanntlich einen hohen Energieverbrauch haben. So passt eins zum anderen.

Nach dem Frühstück tat ich, was ich mir schon lange vorgenommen hatte: eine Buskursion in einen mir bislang unbekannten Stadtteil. Auch nach fünfundzwanzig Jahren, die ich nun in Bonn lebe, kenne ich nur wenige der Außenbezirke in den Zielanzeigen der Linienbusse. Also begann ich heute mit der Linie 611 ab Hauptbahnhof nach Heiderhof, ein Stadtteil, den ich bei der vorletzten Wanderung am Rande streifte. Die ersten Kilometer waren vertraute Strecke, sie entsprachen exakt meiner Radfahrt zum Büro. Bei Vorbeifahrt am Mutterhaus sah ich die ersten Hungrigen von den anderen Bürogebäuden in die Kantinen strömen. Die weitere Fahrt führte über Plittersdorf durch das Godesberger Villenviertel, das zu Fuß zu erkunden sich lohnt; falls Sie mal in Bonn sind, empfehle ich Ihnen das sehr. Am Godesberger Bahnhof gab es einen längeren Aufenthalt, weil der Fahrer den Bus verließ, vielleicht drückte die Blase. Es dauerte einige Minuten, ehe es weiter ging, während der ganzen Zeit lief der Motor. Wieviel CO2 mag täglich völlig unnötig ausgestoßen werden, weil Fahrer von Kraftfahrzeugen aller Art es nicht für nötig befinden, während längerer Haltezeiten den Motor abzustellen? Was haben sie davon, wenn der Motor läuft?

An der Godesberger Stadthalle wechselte der Fahrer, was wenige Minuten dauerte, immerhin wurde währenddessen der Motor abgestellt. Dann ging es weiter, nach einigen Kilometern bergauf durch den Wald wurde Heiderhof erreicht. Darüber ist nicht viel zu schreiben: eine nach meinem Empfinden eher seelenlose Ansammlung von Wohnblocks und Bungalows aus den Sechziger- und Siebzigerjahren, immerhin mit viel Grün dazwischen. Ein wenig erinnert es mich an Bielefeld-Sennestadt, das ungefähr zur selben Zeit auf der grünen Wiese bzw. im Wald entstanden ist. Da es keinen Grund zum längeren Verweilen gab, ging ich nach Ausstieg eine Haltestelle vor und fuhr direkt mit dem nächsten (bzw. demselben) Bus zurück.

Die Linie 611 fährt in Gegenrichtung bis Lessenich, das ich ebenfalls noch nicht kannte. Deshalb blieb ich am Hauptbahnhof, wo ein größerer Fahrgast- und der nächste Fahrerwechsel erfolgte, sitzen. Während der Fahrt nach Lessenich, durch die Weststadt, Endenich und Dransdorf, war der Bus wesentlich voller als nach Heiderhof. Lessenich ist im Gegensatz zu Heiderhof ein alter, gewachsener Ortsteil mit teilweise dörflichem Charakter. Bei Erreichen der Endhaltestelle am Sportplatz, direkt am Messdorfer Feld gelegen, war mein Bedarf an Busfahren nach etwa drei Stunden für heute gedeckt, daher beschloss ich, zu Fuß nach Hause zu gehen, zumal der angekündigte Regen ausblieb. Somit kam ich zwar nicht zu einer Wanderung, immerhin einem längeren Spaziergang, mit Einkehr auf Kaffee und Kuchen nach Rückkehr in der Innenstadt.

Man mag das für Zeitverschwendung halten, mir hat es gut gefallen, ich werde das wieder tun. Das Busnetz ist groß, es erreicht viele Orte, in denen ich noch nie war.

Heiderhof I
Heiderhof II
Oft ist böses über Busfahrer zu hören und lesen, sie seien unfreundlich und ließen Leute einfach an der Haltestelle stehen. Doch wie sie ihr Fahrzeug durch enge Straßen mit Baustellen und parkenden Autos lenken, ohne anzuecken, verdient Hochachtung. Meine haben sie.
Messdorfer Feld

Freitag: „Wer bereits geantwortet hat: disregard“ beendete einer seine Mail. Vermutlich war ich der einzige im Verteiler, der das letzte Wort nachschlagen musste. Laut einer Umfrage von Allensbach lehnen nur einunddreißig Prozent der Befragten die Verwendung englischer Begriffe in der deutschen Sprache ab, las ich letztens in der Sonntagszeitung. Offenbar muss ich diesbezüglich an meinem Mindset arbeiten.

Das Morgenlicht war wieder augstreichelnd

Aus der Zeitung:

Da bekommt das Wort Verbrenner eine ganz neue Bedeutung (General-Anzeiger Bonn)

Samstag: Die britische Schauspielerin Maggie Smith ist tot. Sie spielte in der Serie Downton Abbey die Countess of Grantham, Violet Crawley, Mutter des Hausherrn, und zwar ganz großartig, aber das wissen Sie vermutlich selbst, wenn Sie es gesehen haben. Downton Abbey war eine der wenigen Serien, die ich mir in den letzten zehn bis zwanzig Jahren angesehen habe; aus Gründen, die ich selbst nicht benennen kann, langweilen mich bewegte Bilder eher. Daher schaue ich – außer der Tagesschau, gelegentlich der heute-Show und Nuhr im Ersten* – kaum Fernsehen, gehe nur sehr selten ins Kino, per WhatsApp zugesandte Filmchen werden konsequent disregarded. Auf der Liste der Dinge, die ich im Leben benötige, stünde ein Netflix-Anschluss weit unten. Deshalb kann ich, neben Fußball und überhaupt Sport, beim Thema Filme, Serien und Schauspieler nicht mitreden. Maggie Smith war für mich jedenfalls eine der großen.

*Dazu stehe ich, auch wenn Dieter Nuhr umstritten ist

Zusammenhangloses Spaziergangsbild aus der Nordstadt. Finde den Fehler

Auch ziemlich weit unten auf besagter Liste stünde der Besuch von Oktoberfesten. Manchmal lässt es sich nicht ganz vermeiden, so veranstaltete unsere Karnevalsgesellschaft heute Abend ein solches in ihrem Zeughaus. Dem konnte ich mich als Mitglied nicht ganz entziehen, zumal ich mich freiwillig als Helfer an der Kasse gemeldet hatte. Wessen ich mich jedoch entzog war das Tragen einer pseudo-bayrischen Verkleidung, weil mir als ostwestfälisch-rheinischer Nichtbayer derartige kulturelle Aneignung albern erscheint, aber wer es möchte, bitte sehr. Ich kann auch ohne Lederhose a Gaudi haben, gell.

Sonntag: Das gestrige Oktoberfest geriet recht angenehm, auch negative Auswirkungen auf das heutige Wohlbefinden blieben weitgehend aus, was vielleicht auf die hohe Qualität des gereichten Festbieres zurückzuführen ist. Gleichwohl verließen wir die Schlafstätte erst spät, warum auch nicht, es ist Sonntag.

Für den Sonntagsspaziergang wählte ich nicht eine der schon oft gegangenen Strecken durch die Südstadt oder an den Rhein, sondern verband ihn, nachdem ich am Donnerstag auf den Geschmack gekommen bin, mit einer weiteren Bus-Erkundungstour. Am Friedensplatz stieg ich in den 608, der über den Rhein, durch Beuel, Pützchen und Holzlar bis zum Endpunkt Gielgen fährt. Schon immer wollte ich wissen, wie es in Gielgen sein mag, wohin die Busse an Wochentagen im Zehnminutentakt fahren. Seit heute weiß ich es: Es ist, ähnlich Lessenich, ein recht ansehnlicher, gewachsener Ort überwiegend mit Einfamilienhäusern.

Zurück ging es zu Fuß, am Wald entlang, durch eine Siedlung von Holzlar mit Bebauung mutmaßlich aus den Siebziger- und Achtzigerjahren. Die Häuser passen architektonisch nicht zusammen, was sehr unharmonisch wirkt. Aber was weiß ich schon über Architektur, man wird sich was dabei gedacht haben. Weiter führte der Weg entlang dem Festplatz von Pützchen, wo gleich vier Trafotürme in unmittelbarer Sichtweite stehen und für die Sammlung fotografiert wurden. (Machen Sie sich keine Sorgen, es geht mir gut. Andere fotografieren Flugzeuge oder seltene Käfer.)

Suchbild – finde die vier Trafotürme
Interessante und harmonische Architektur hingegen in Pützchen

In Beuel beendete ich den Spaziergang nach immerhin achteinhalb Kilometern, als ein Bus kam, der mich zurück in die Innenstadt brachte, wo ich einen Gang über das Bonnfest machte, ehe ich zu den Lieben nach Hause zurückkehrte, wo dieser Wochenrückblick vollendet wurde.

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Kommen Sie gut durch die Woche, bleiben Sie heiter oder, falls Sie es nicht sind, werden Sie es.