„Meine 15 Minuten Ruhm“ – Blogartikel und Erlebnisse, die für mich bedeutsam waren

Vorbemerkung: Dieser Aufsatz ist ein Beitrag zu den #BlogWochen2025 von Robert, Benedikt und Dirk, näheres dazu ist hier nachzulesen.

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Laut Andy Warhol erlebt jeder Mensch irgendwann seine persönlichen fünfzehn Minuten Ruhm. Zu meinem ersten Mal, 2010 war das, verhalf mir nicht das Blog, vielmehr war es Twitter. Aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen wurde Jan-Uwe F., der als der „Taubenvergrämer“ zur Twitter-Prominenz zählte (und vielleicht heute noch zählt, ich weiß es nicht), auf mich aufmerksam. Und also fragte er mich, ob ich Lust hätte, an einer von ihm veranstalteten Lesung teilzunehmen, als Vortragender, wohlgemerkt, nicht nur Zuhörer. Ich fühlte mich geehrt und hatte Lust, auch wenn ich dafür nach Berlin reisen musste. Was ich vortrug, weiß ich nicht mehr, jedenfalls fühlte es sich großartig an, auf einer Bühne mit einem Mikrofon einem größeren Publikum selbst verfasste Texte vorzutragen.

In den Jahren darauf veranstaltete Jan-Uwe weitere Lesungen in einem Kölner Telekomladen, auch dorthin wurde ich mehrere Male eingeladen. Immerhin musste ich dafür nicht nach Berlin fahren, sondern nur eine Stadt weiter. Dort las ich dann Texte aus meinem noch jungen Blog vor. Es müsste davon noch Youtube-Aufnahmen geben, warten Sie mal … hier:

Weitere Gelegenheiten, selbstgeschriebenes vorzulesen, erhielt ich bei den von Johannes initiierten #Mimimimi-Lesungen im Bonner Café Friedrich, auch das hat immer Spaß gemacht, die Abende waren gut besucht und zum Schluss gab es Jägermeister für alle. Dann kam Corona, vorbei war es mit #Mimimimi und Kräuterschnaps. Aber wer weiß, vielleicht irgendwann wieder.

Kürzer und weniger rühmlich waren meine Auftritte beim Rosenkrieg, einem Poetry Slam in der Altstadtkneipe Nyx. Beim ersten Mal schaffte ich es immerhin in die zweite Runde, beim zweiten und letzten Mal erzielte ich mit Abstand den letzten Platz und schwor mir, nie wieder um die Wette zu lesen. Tat ich dann aber doch noch einmal, ist noch gar nicht lange her: Letzten November bei der Lesebühne im Limes, einer Kneipe in der Nordstadt, die mittlerweile schließen musste, womit auch die Lesebühne obdachlos wurde. Schade, dort hätte ich gerne nochmal was vorgetragen. Siehe auch hier.

Dieser Aufsatz wäre unvollständig ohne die Erwähnung von Lothar und seiner Lesebühne TapetenPoeten in der alten Tapetenfabrik in Beuel. Dort durfte ich des öfteren was vorlesen als einer von vieren. Auch außerhalb der TapetenPoeten hatte ich schon zweimal Gelegenheit zu einem Leseabend zu zweit mit ihm. Das waren jeweils wesentlich mehr als eine Viertelstunde, wobei, Ruhm … na ja: Die beiden Abende hätten mehr Publikum vertragen. Spaß gemacht hat es trotzdem. Leider gibt es auch die TapetenPoeten nicht mehr. Aber vielleicht ergibt sich nochmal Gelegenheit zu einer gemeinsamen Lesung. Ich würde es wieder tun, auch für nur wenige Zuhörer. Eine Lesung als alleinig Vortragender schließe ich hingegen aus. Das möchte ich niemandem zumuten.

Da fällt mir ein, meine ersten fünfzehn Minuten Ruhm, vielleicht waren es auch ein paar mehr oder weniger, hatte ich bereits 1986 während der Abschlussfeier unseres Abiturjahrgangs in der Aula des Heeper Gymnasiums, zu einer Zeit also, als das Wort Blog noch unbekannt war, mir jedenfalls, was nicht viel heißt. Dort hielt ich anstelle der Jahrgangsstufensprecherin die Abiturrede; zu erklären, wie es dazu kam, würde den Rahmen dieses Aufsatzes sprengen, im weitesten Sinne war Alkohol beteiligt. Die Rede (ohne Alkohol) kam jedenfalls recht gut an. Das Manuskript habe ich noch, muss ich demnächst mal raussuchen.

Am 24.11.2025 im Limes (Foto: Lothar Schiefer)

Woche 48/2024: Vielleicht werden jetzt auch die Vögel irre

Montag: Wie mir die DB Reisebegleitung per Mail mitgeteilt hat, ist meine Fahrt nach München am nächsten Montag „nicht wie geplant möglich“. Was genau nicht und wie sie stattdessen möglich ist und ob überhaupt, bleibt offen.

Der Arbeitstag war besprechungsvoll und endete früh, da wir nachmittags Abschied nahmen von einem lieben Menschen. Das war, sofern man einem solchen Anlass dieses Attribut zuschreiben möchte und kann, sehr schön. Anschließend wurde wieder gelacht, das wäre in seinem Sinne gewesen.

Dienstag: Wie morgens im Radio gemeldet wurde, ist geplant, im Kreis Heinsberg zwei Bahnstrecken für den Güterverkehr zu reaktivieren. Die Stadt Wegberg will das verhindern, weil dadurch angeblich Lärm erzeugt und Flächen verbraucht werden. Lieber weiterhin alles mit LKW durch die Gegend fahren. Ein weiterer Stein im Schotterbeet unseres Verderbens, wir können und wollen es nicht anders.

Außerdem will Erdogan entgegen der Verfassung bis 2033 Obertürke bleiben und die Anklagen gegen Trump werden fallen gelassen. Dagegen wirkt der erklärte Anspruch von Scholz, Bundeskanzler zu bleiben, geradezu drollig.

Manchmal ist es nur noch im Zustand angenehmer Angetrunkenheit zu ertragen. Anscheinend gibt es auf der Terrasse des Rheinpavillons in diesem Jahr keine Glühweinbude; in den vergangenen Jahren war sie um diese Zeit schon in Betrieb. Vielleicht ist auch hier der allgegenwärtige Personalmangel der Grund. Schade, aber der Weihnachtsmarkt bietet zum Glück Alternativen für ein Heimweggetränk.

Serviervorschlag

Mittwoch: In der Abenddämmerung am Rheinufer flogen mir unzählige Halsbandsittiche entgegen, nacheinander in mehreren Schwärmen zu schätzungsweise je hunderten Vögeln. Sie flogen tief und rasend schnell, dabei wichen sie geschickt Hindernissen wie Bäumen und Menschen aus. Augenscheinlich hatten sie große Freude dabei. Etwas später war der Reviergesang einer Amsel zu vernehmend, anscheinend hatte sie sich in der Jahreszeit vertan. Vielleicht werden jetzt auch die Vögel irre.

Abends hatte ich die Ehre und das Vergnügen, als letzter Vortragender bei der letzten Lesebühne im Limes aufzutreten. Eigentlich wollte ich nach grandiosem Scheitern vor vielen Jahren bei einem Poetry Slam nie wieder an einem Wettlesen teilnehmen, doch hier machte ich gerne eine Ausnahme, zumal am Ende zwar der Gewinner (nicht ich, sondern völlig verdient der liebe L.), nicht jedoch der Verlierer bekanntgegeben wird, beziehungsweise wurde, es war ja das letzte Mal. Für diesen Abend schrieb ich extra einen Text, der hier nachzulesen ist.

Foto: Lothar Schiefer

Donnerstag: Den zweiten Tag in Folge gab es aus terminlichen Gründen (gestern Lesung, heute Musikprobe) kein Abendessen für mich. Da ich unter der Woche außerdem nicht frühstücke, war das Mittagessen somit jeweils die einzige Mahlzeit des Tages. Dennoch hielt sich der Abendhunger in erträglichen Grenzen. Intervallfasten kann ich. (Die während der Musikprobe in größerer Menge verzehren Weingummis zählen nicht.)

Morgens

Freitag: Ich halte mich nicht für einen, der oft und gerne „Habe ich doch gleich gesagt“ sagt. Jedenfalls nehme ich die aktuelle Blamage der FDP wegen ihres D-Day-Konzepts mit gewisser Genugtuung zur Kenntnis. Oder wie der Ostwestfale sagt: Dä!

Samstag: Aus einer Laune heraus habe ich mich jetzt auch bei diesem Bluesky angemeldet. Mal sehen, wie lange die Laune dieses Mal anhält. Nach den Erfahrungen mit Mastadon und Threads nicht lange. Immerhin ähnelt Bluesky dem früheren Twitter, allerdings wird meine damalige Begeisterung, die ich letzterem entgegenbrachte, wohl nicht wiederkehren. Das ist nicht schlimm.

Sonntag: Die Bluesky-App zeigte morgens den Eingang einer Meldung an, jedoch war da nix, weder ein neuer Folgender noch ein Herzchen. Egal.

Erster Advent, in den Blogs und zu Hause werden zahlreiche virtuelle wie physische Türchen geöffnet; ich habe den Eindruck, jedes Jahr werden es mehr, vielleicht irre ich mich auch.

Der Sonntagsspaziergang führte über die Rheinbrücken ans andere Ufer. Zwar schien die Sonne vom fast wolkenlosen Himmel, doch kalter Wind gab einen Vorgeschmack auf den nicht mehr fernen Winter, was innere Wärmung durch einen Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt angezeigt erscheinen ließ.

Am frühen Abend packte ich den Rucksack für die Dienstreise nach München morgen. Die alternative Bahnverbindung, die sich nur geringfügig von der ursprünglichen unterscheidet, siehe Eintrag vom Montag, steht zum Zeitpunkt der Niederschrift noch, es besteht Hoffnung. Was leider ausfallen wird ist das Treffen mit der Blogfreundin morgen Abend, aus Krankheitsgründen. Liebe N., auch auf diesem Wege nochmal alles Gute, irgendwann werden wir wieder zueinander finden.

Das andere Ufer
So sind Menschen nunmal
Noch mehr komische Vögel

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Kommen Sie gut durch die Woche. Falls auch Sie eine Krankheit plagt, wünsche ich baldige Gesundung.

Wenn ihr wüsstet

Vorbemerkung: Heute fand zum letzten Mal die Lesebühne im Limes statt. Ich hatte die Ehre und das Vergnügen, daran teilzunehmen. Unter anderem las ich folgenden, extra für diesen Abend verfassten Text.

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Das Sharlie war eine Eckkneipe in der nördlichen Bonner Innenstadt. Keine ganz gewöhnliche Kneipe, auch wenn das an der Außenwand neben der Eingangstür angebrachte Schild, das das Lokal als Stützpunkt eines Männergesangsvereins auswies, nichts Außergewöhnliches erkennen ließ. Jedenfalls: Frauen waren als Gäste unerwünscht, um hinein zu gelangen, musste Mann einen Klingelknopf neben der Tür drücken, woraufhin einem nach Sichtprüfung durch eine Klappe in der Tür, sofern man zutrittswürdig erschien, aufgetan ward. (Vielleicht erfolgte die Einlasskontrolle auch über eine Kamera, ich erinnere mich nicht mehr genau, es ist rund zwanzig Jahre her.) Ich schien die erforderlichen Zugangskriterien zu erfüllen, zumindest war ich schon damals keine Frau oder „weiblich gelesene Person“, wie es heute korrekt heißt; meinem Einlassbegehren wurde stets stattgegeben.

Nach Überwindung der Pforte betrat man einen größeren Raum mit schummrigen Licht, rechter Hand die Theke, dahinter der Wirt, wegen seines robust-spröden Charmes von den Gästen „die Herrin“ genannt. Mit ihr legte man sich besser nicht an. Ihr beziehungsweise sein richtiger Name ist mir entfallen, vielleicht wusste ich ihn auch nie.

Links von der Theke führte ein Gang zu den Toiletten sowie einem weiteren, nur knapp beleuchteten und eher spärlich möblierten Raum. Soweit ich mich erinnere, war er gefliest, aus gutem Grund: Während vor der Theke gewöhnlicher Kneipenbetrieb herrschte mit Getränkeverzehr, Musik und mehr oder weniger gepflegtem Gespräch, diente das Hinterzimmer nicht etwa der wöchentlichen Chorprobe des Gesangsvereins, sondern anderen, sehr speziellen zwischenmännlichen Vergnügungen, nach denen eine unkomplizierte Reinigungsmöglichkeit des Raumes nicht von Nachteil war. Am Rosenmontag – der Bonner Zoch ging direkt am Sharlie entlang – konnte es dazu kommen, dass hier der böse Wolf den Matrosen vernaschte und der Schotte ihnen mit gehobenem Rock dabei zuschaute, während im Vorderzimmer „Es ist noch Suppe da“ gesungen wurde.

Irgendwann änderte sich der Name der Gaststätte von Sharlie in Kwai Lounge. Auch der Besitzer wechselte, statt der Herrin stand nun ein mäßig sympathischer Österreicher hinter der Theke, daneben sein jüngerer asiatisch gelesener Freund. Letzterer konnte ziemlich zickig werden, weshalb ihn manche wenig respektvoll „Asia-Muschi“ oder „Reisschüssel“ nannten. Am Grundkonzept des Ladens hatte sich nichts geändert: vorne Bier, hinten Gier.

Sehr lange gab es die Kwai Lounge nicht, schon nach wenigen Jahren schloss sie. Vielleicht fuhr Mann inzwischen für das besondere Unterleibsvergnügen lieber nach Köln, wo es zahlreiche Etablissements ähnlicher Zweckbestimmung gab, oft mit besonderen Motto-Veranstaltungen wie Sportswear, Underwear, Leder, Bären, U30, Ü40, Anzug, Stutenmarkt oder naked, ich möchte da nicht zu sehr ins Detail gehen. Woher ich das weiß? Das ist mir entfallen, es ist lange her.

Nach einiger Zeit wurde die Kneipe unter dem Namen Limes wieder geöffnet. Auch Damen sind nun gerne gesehen, man muss nicht mehr klingeln, um einkehren zu dürfen, im Sommerhalbjahr kann man draußen sitzen. Statt Fang-die-Wurst-Spielen im Separée gibt es einmal im Monat eine Lesebühne. Das Schild des Gesangsvereins ist noch immer angebracht.

Doch die Tage des Limes sind ebenfalls gezählt, zum Jahresende wird es geschlossen. Ich war nur wenige Male dort. Wenn ich heute durch die Theaterstraße gehe und durch das Fenster die Gäste an den Tischen im hinteren Raum ihr Bier trinken sehe, denke ich: Wenn ihr wüsstet.

Foto: Lothar Schiefer