Woche 30/2021: Wie fährt man in Kopenhagen Rad?

Montag: Die erste Mail des Tages in meinem Eingang wurde am Samstag um 00:41 Uhr geschrieben, ihre inhaltliche Wichtigkeit eher mäßig bis gering, jedenfalls nichts, was am Wochenende geklärt werden müsste, was in diesem Fall auch nicht möglich gewesen wäre, da ich von Freitagnachmittag bis Montagmorgen keine Werkmails zur Kenntnis nehme. Offenbar hatte die Kollegin – keine Führungskraft – um die Zeit nichts besseres zu tun.

Als ich mittags am Froschteich hinter dem Mutterhaus eine Currywurst verzehrte, machte mich eine Frau auf vier augenscheinlich elternlose Entenküken aufmerksam, die sich piepsend durch den Schmodder auf der Teichoberfläche kämpften; sie hätte bereits die Feuerwehr alarmiert. Ich möchte nicht herzlos erscheinen, die Feuerwehr hätte ich indes wohl nicht gerufen. Zum einen nehme ich an, die hat im Moment wichtigeres zu tun als Familie Duck zu vereinen, zum anderen vertraue ich auf die Natur, die solche Fälle auf ihre Weise regelt: Schon bald hätte sich ein freundlicher Rabe um Tick, Tack, Trick und Track gekümmert. Wie es ausging, konnte ich wegen zeitlich begrenzter Mittagspause nicht bis zum Ende verfolgen.

Dienstag: In machen Momenten frage ich mich, ob ich das jetzt richtig gehört habe; je älter ich werde, desto häufiger. Heute früh etwa, kurz nach dem Aufwachen, als in der Radioreklame für ein Kraftfahrzeug dessen „weibliche Schiebetür“ angepriesen wurde, vorbehaltlich meines nachlassenden Hörvermögens. Abgesehen davon, dass eine Schiebetür natürlich weiblich ist, was denn sonst, so wie bei uns Qualität/Kundenservice/Currywurst/Wasauchimmer selbstverständlich großgeschrieben wird (außer von diesen notorischen kleinschreibern, die das für richtig/fortschrittlich/wasauchimmer halten, und deren texte ich deshalb konsequent nicht lese), nicht nur in Eigenlobzusammenhängen, wäre das Attribut „weiblich“ für eine Schiebetür schon sehr gewagt in Zeiten, da die Lufthansa ihre Gäste nicht länger mit „Damen und Herren“ ansprechen will, damit sich auch die 0,x Prozent Unentschiedenen mitgegrüßt fühlen.

Apropos weiblich: Olympia interessiert mich nicht sonderlich. Gleichwohl erlaube ich mir anzumerken, dass ich die Dienstkleidung von Beachvolleyballerinnen ausgesprochen entwürdigend für die Damen finde.

Mittwoch: In einer Mail an fünfzehn Personen wurde um kurze Bestätigung gebeten, die Einladung zu einem Termin erhalten zu haben. Immerhin zwei der Empfänger verursachten durch Wahl der Allen-antworten-Funktion den Versand von insgesamt achtundzwanzig völlig sinnlosen Mails. Ist ja zum Glück bezahlte Arbeitszeit.

In der Kantine gab es Schnitzel „Jäger*innen Art“. Da fängt das jetzt auch an. Ob auf dieselbe Weise auch das andere Schnitzel, das mit dem bösen Z, rehabilitiert werden kann, ist zu bezweifeln.

Nach dem Mittagessen kam mir im Park einer entgegen, bei dessen T-Shirt die Ärmel kurz unterhalb der Ellenbogen endeten. Also weder Lang- noch Kurzarm, eher Zukurzarm.

Erneut beklagte sich eine Leserbriefschreiberin im General-Anzeiger, weil sie, nachdem sie mit dem Fahrrad eine rote Ampel missachtet hatte, von der Polizei angehalten wurde und ein Bußgeld zahlen muss. Dazu schreibt die Dame: „Ich bin ei­ne le­bens­er­fah­re­ne Frau von 67 Jah­ren, kann ei­gen­stän­dig den­ken und bin durch­aus in der La­ge, ver­ant­wor­tungs­be­wusst zu ent­schei­den. […] Auch von un­se­rer Po­li­zei er­war­te ich, dass sie die Ein­hal­tung der Ge­set­ze mit Au­gen­maß und si­tua­ti­ons­ad­äquat über­wacht.“ Liebe Frau G, auch ich ignoriere beim Flanieren gelegentlich rotes Licht, manche Ampelschaltungen sind einfach unsinnig, ich ließ mich unlängst darüber aus. Doch käme ich niemals auf die absurde Idee, mich im Falle des Erwischtwerdens öffentlich darüber zu beklagen.

Donnerstag: Ich muss noch einmal auf die Wahlwerbung der Partei Volt zurück kommen. „Radfahren wie in Kopenhagen?“ plakatiert sie. Was bedeutet das? Wie fährt man in Kopenhagen Rad, was unterscheidet die dortige Radfahrweise von der hiesigen? Wahrscheinlich nichts – hier wie dort wird man, in der einen Hand das Datengerät, in der anderen den Kaffeebecher, unter Außerachtlassung von Regeln und Rücksicht über Gehwege und durch Fußgängerzonen rasen und rote Ampeln als unverbindliche Vorschläge interpretieren. Dafür soll man die wählen?

Freitag:Prozesskonformes Arbeiten ist für einige ein Fremdwort“, sagte eine in der Besprechung. Ich verkniff mir den Hinweis, dass das für alle ein Fremdwort ist.

Das Fremdwort für die Wolkenformation, die am Abend geboten wurde, müsste Cirrocumulus lauten, wenn ich nicht irre; auf jeden Fall war es schön anzusehen.

Samstag: In der Zeitung las ich erstmals das schöne Wort „Dernière“, also die letzte Aufführung, das Gegenteil von Premiere. Muss ich mir merken, wenn hier irgendwann das Licht ausgeht.

Für wen sonst demnächst das Licht ausgeht, ist noch nicht absehbar. Die aktuelle Debatte um die zunehmende Impfabstinenz jedenfalls ist für mich nicht nachvollziehbar. Beim besten Willen kann ich nicht erkennen, was an einer Impfpflicht falsch sein soll, egal ob „durch die Hintertür“ oder den Haupteingang.

Mitschrift aus der Abendunterhaltung: „Amöbe – das ist doch dieses Fahrzeug, das durchs Wasser und über Land fährt – Amöbienfahrzeug.“

Sonntag: Sie trinken gerne guten Wein und möchten gleichzeitig was Gutes für die durch die Flut ruinierten Winzer an der Ahr tun? Trinken für den guten Zweck? Dann bitte hier entlang.

Kommen Sie gut durch die Woche!