Woche 7/2023: Frohsinn, Kölsch und Lautstärke

Montag: Der erste Tag der Woche zeigte sich fast frühlingshaft sonnig, er verlief in milder Montäglichkeit. Viel mehr gibt es dazu nicht zu vermerken.

Dienstag: Ab Mittag Abteilungstagung in Königswinter (kurz davor, nicht dahinter; ha ha, Spaß muss sein). Wegen Streiks der öffentlichen Verkehrsmittel reiste ich mit dem Fahrrad an, was, abgesehen von stetigem Gegenwind, angenehm war.

Ich gehöre einer sehr großen Abteilung an, daher zog es sich im Ganzen etwas; nach zahlreichen Vorträgen und Powerpointen verließ mich gegen Ende etwas die Lust, zumal wegen Überziehung die Stunde Freizeit zwischen Ende der Tagung und Abendessen auf knapp zwanzig Minuten schmolz. Doch beklage ich es nicht, es gibt abends freie Getränke, daher entschuldigen Sie mich jetzt bitte.

Mittwoch: Aufgrund eiserner, mindestens jedoch blecherner Trinkdisziplin am Vorabend erwachte ich ohne nennenswerte Blümeranz, da muss ich mich mal selbst loben. Lobenswert auch die Herberge, in der wir untergebracht waren: Offenbar zur Förderung körperlicher Bewegung ist im Bad der Shampoospender außerhalb der Duschkabine angebracht.

Nach dem Mittagessen verließ ich die Tagungsstätte in Richtung Werk, wo ich ein paar liegengebliebene Mails umschichtete und mich nach einem nicht sehr späten Feierabend bis einschließlich Montag ins Karnevalsfinale verabschiedete.

Gelesen bei Herrn Emil: »Es sollte daher eine allgemeine Menschenpflicht zum täglichen Aus­schlafen gelten; und vorm Wachsein darf – außer in wirklich dringenden Notfälllen – niemand belästigt werden.« Eine Forderung, die ich jederzeit unterzeichnen würde.

Donnerstag: »Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker«, mit diesem Hinweis, mehr oder weniger rasch vorgetragen, enden bislang Reklamen für Durchfallhemmer und Produkte gegen Scheidentrockenheit. Nicht mehr lange: Laut Zeitungsbericht plant das Bundesgesundheitsministerium gendergerechte Formulierungen auch in der Werbung. Künftig fragen Sie daher »… Ihre Ärztin oder Ihren Arzt oder fragen Sie in Ihrer Apotheke«. Werbende Medikamentehersteller und Reklameerdulder wird es freuen.

Ähnlich jeck verlief dieser Weiberfastnachtsdonnerstag, den ich erstmals nach sechs Jahren wieder im Kollegenkreis beziehungsweise in der Kolleginnenkreisin verbrachte, da unsere Karnevalsgesellschaft, der ich sein 2016 angehöre, heute keine offiziellen Auftritte hatte; vielleicht weil überall gespart werden muss und sich viele noch nicht wieder auf Sitzungen trauen. Derart ungebucht verbrachten meine Lieben zusammen mit den Vereinsleuten den Tag in Beuel, während ich vormittags zu den Fröhlichkeiten ins Werk fuhr. Schön wars. Gegen achtzehn Uhr war mein Bedarf an Frohsinn, Kölsch und Lautstärke vorläufig gedeckt, daher beschloss ich den Polnischen Abgang, das heißt ich verließ die Veranstaltung ohne Verabschiedung, manchmal ist das besser. Bereits vor zwanzig Uhr lag ich im Bett. Das kommt auch nicht sehr häufig vor. (Dieser Eintrag entstand aus sicher nachvollziehbaren Gründen erst am Freitag.)

Freitag: Erfreulich katerlos aufgewacht, aus Sicherheitsgründen bis etwa zehn Uhr im Bett geblieben. Nach dem nicht allzu üppigen Frühstück und dafür ausgiebiger Zeitungs- und Bloglektüre unternahm ich einen Spaziergang bei sonnigem Frühlingswetter. Dabei unterlief mir etwas, worüber ich mich bei anderen heftigst aufregen würde: Als ich unter Missachtung des Fußgängerrotlichtes eine Einbahnstraße querte (ein Regelverstoß, den ich, sonst höchst regelverliebt, für vertretbar halte, Eltern und Erziehungsberechtigte mögen es mir verzeihen), schaute ich nur nach rechts, von wo Autos kommen könnten, vergaß jedoch den Blick in die andere Richtung, aus der auch Fahrräder fahren dürfen, und lief beinahe einem Radfahrer vor den Lenker. Der reagierte jedoch entspannt und fuhr wortlos an mir vorbei, wofür ich ihn bewundere. Als Radfahrer ist er es wohl gewohnt, stets für andere mitzudenken. Ich an seiner Stelle hätte mich angemessen beschimpft.

Auf dem Zuweg zum Rhein wünscht die örtliche SPD-Bundestagsabgeordnete auf einem Plakat immer noch „Frohe Weihnachtstage & ein glückliches neues Jahr“, außerdem stellt sie ab dem ersten Januar dieses Jahres mehr Kinder-, Wohn- und Bürgergeld und einen massiven Rentenanstieg in Aussicht. Warum nicht – über gute Wünsche freut man sich immer.

Zusammenhangloses Spaziergangsbild

Bitte rufen Sie mit mir aus ein dreimol hääzlich: Benignus – Alaaf!, Bonosus – Alaaf!, Evermod – Alaaf! Diese drei haben laut Zeitung heute Namenstag.

Heute ist der Schlagersänger Tony Marshall gestorben, auch ein Star meiner Kindheit, wie Roy Black und Peter Alexander. Bereits am Abend lief im Fernsehen ein längerer Nachruf auf ihn, und ich frage mich: Wie haben die das in der Kürze der Zeit hinbekommen? Das muss doch alles recherchiert, arrangiert, kommentiert und produziert werden, das kann unmöglich innerhalb weniger Stunden geschehen. Oder hatten die das in Erwartung seines baldigen Ablebens – es war schwer krank – bereits fertig und mussten es nur noch senden? Wenn ja, wie viele Nachrufe auf derzeit noch lebende Prominente mögen schon vorproduziert sein?

Samstag: Nach dem Frühstück fuhren der Liebste und ich ins Zeughaus* der Karnevalsgesellschaft, um eine Musiker-Uniform zu holen, die ich erst im vergangenen Jahr, vielleicht etwas voreilig, zurückgegeben hatte. Das kam so: 2016 hatte ich mich entschieden, oder vielleicht eher: überreden lassen, dem Musikcorps beizutreten, als Sänger, der während der Auftritte den Saal zum Mitsingen animiert. Das klappte trotz langjähriger Chorerfahrung im wahrsten Sinne solala. Es ist ein großer Unterschied, ob man im Chor als einer unter vielen singt oder als Einzelner rheinischen Frohsinn unter die Leute zu bringen sucht. Hinzu kam, dass mir als geborenem Ostwestfalen die rheinische Sprooch, die die meisten Lieder erfordern, nicht gerade angeboren ist. Kurz: Ich war mit mir nicht zufrieden. Die anderen auch nicht, auch wenn sie es nicht direkt sagten; als sensibler Sänger merkt man das. Da ich grundsätzlich Freude am Musizieren hatte und die Leute sehr mochte, versuchte ich mich als Trompeter, zumal mir dieses Instrument aus früheren Bläserzeiten im Posaunenchor des CVJM Bielefeld-Stieghorst nicht fremd war. Das klappte leider noch schlechter als das Singen – um einigermaßen trompeten zu können, auch hohe Töne über einen längeren Zeitraum, muss man üben. Regelmäßig und viel – mehr, als ich selbst bereit und unseren Nachbarn zuzumuten war. Dann kam Corona, es hatte sich für längere Zeit ausgeblasen. Zudem empfand ich es als recht angenehm, donnerstagabends nicht zur Probe fahren zu müssen. Daher beschloss ich, das Musikcorps zu verlassen und künftig nur noch in dekorativer Funktion an den Vereinsaktivitäten teilzunehmen.

Dann zog sich Corona langsam zurück**, Auftritte sind wieder möglich. Bereits beim Ordensfest im vergangenen November, als ich in meiner neuen Litewka das Musikcorps auf der Bühne spielen sah und hörte, kam mir der Gedanke: Warum stehst du hier unten und nicht bei ihnen dort oben? Da kam mir die Idee: Ich will trommeln! Auch das hatte ich damals im Posaunenchor gelegentlich gemacht, wenn auch nur unregelmäßig, da Choräle selten schlagwerkbegleitet dargebracht werden. Der Herr Kommandeur des Musikcorps zeigte sich angetan, ab März erhalte ich Trommelunterricht, in der nächsten Session bin ich wieder dabei. Dieses Mal freue ich mich richtig darauf. Die Nachbarn werden sich auch freuen.

Morgen beim Godesberger Zoch laufe also ohne Instrument mit, immerhin schon in Musikeruniform. Darauf freue ich mich auch.

Willkommen zurück

*Ein Zeughaus ist nichts anderes als ein Vereinsheim, bei Karnevalsvereinen heißt das eben Zeughaus. Seien Sie versichert, es wohnt nichts Anrüchiges darinnen.

**Während ich dieses schreibe, erreicht mich nach langer Zeit wieder eine rote Warnmeldung in der App. Das Leben ist manchmal komisch.

Sonntag: (Da ich heute wegen Teilnahme am Godesberger Zoch keine Zeit habe und später voraussichtlich nicht mehr in der Lage sein werde, hier etwas Sinnergebendes aufzuschreiben, entstand diese Tagesnotiz bereits am Samstag. Eventuelle Erwähnenswertigkeiten werden in der kommenden Woche nachgereicht, ich bitte um Verständnis.)

Die Sonntagszeitung widmet dem Thema Alkoholverzehr einen längeren Artikel. Demnach ist Alkohol trotz nachgewiesener Schädlichkeit die am meisten akzeptierte Droge, zudem mit hohem Rechtfertigungsdruck, wenn man darauf verzichtet. Ich erkenne mich darin wieder. Dem Ethanol nicht abgeneigt vergeht fast kein Tag ohne: das Bier zum Abendessen und am Wochenende im Wirtshaus, keine Tagung ohne kollegiales Abendtrinken, ein Restaurantbesuch ohne Wein undenkbar, Karneval ohne Kölsch sowieso. Im vergangenen Jahr gab es eine mehrwöchige Phase, in der ich zumindest vor Arbeitstagen enthaltsam war. Da möchte ich wieder hinkommen. Nach Karneval. Es muss ja nicht gleich eine sechswöchige Fastenzeit sein.

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Ich wünsche Ihnen eine angenehme Woche, ob mit oder ohne Karneval. Alaaf!

Woche 45/2022: Weiterhin mild

Montag: Ein Wochenbeginn ohne nennenswerte Ereignisse. Vielleicht dieses: Auf der Rückfahrt vom Werk wurde ich auf dem kombinierten Rad-/Fußweg von einem Fußgänger beschimpft, nachdem ich zunächst wegen Gegenverkehrs einige Meter hinter ihm her und dann, als frei war, langsam an ihm vorbeifuhr. Seine in äußerst unfreundlichem Ton vorgetragene und mit wachsender Entfernung leiser werdende Anregung, ich solle gefälligst auf der Straße fahren, nahm ich unkommentiert hin, zumal eine Diskussion über die Bedeutung des Verkehrszeichens 240 wenig zielführend erschien. Stattdessen nahm ich mir vor, es abends im Blog zu vermerken, was hiermit erledigt ist.

Dienstag: Mittags in der Kantine gab es für mich, da sich vor beiden (!) Currywurst-Schaltern lange Schlangen gebildet hatten, Pappadelle Pomodoro, zu Deutsch Breitbandnudeln mit roter Soße. Der Mann hinter der Nudeltheke fragte jeden, obwohl es dort nur dieses eine Gericht gab: „Für Sie die Pasta?“ Ich war kurz versucht, Nein zu sagen, nur um zu sehen, was er dann macht, nahm davon aber Abstand, weil ich Hunger hatte (wegen einer Präsentation der obersten Werksleitung war ich eineinhalb Stunden später dran als üblich), zudem wollte ich den Betrieb nicht unnötig aufhalten.

Auf dem Rückweg zu Fuß war es schon fast dunkel und weiterhin ungewöhnlich mild. Ich mag es, wenn die Lichter der Radfahrer nebenan (sofern sie es anschalten und auf dem Radweg bleiben), Jogger (außer wenn mir ihre Stirnlampen ins Gesicht blenden) und Rheinschiffe an mir vorbeiziehen. Und am Rheinpavillon ist schon die Glühweinbude aufgebaut, heute noch geschlossen; somit dauern die Rückwege demnächst wieder eine Glühweinlänge länger.

Mittwoch: Im Friseursalon, den ich seit Jahren besuche, arbeitet eine sehr nette Dame am Empfangstresen. (Es ist ein ziemlich großer Salon, daher allein zu Empfangs- und Kassierzwecken eine eigene Mitarbeiterin ohne Frisierbefugnisse.) Bislang siezte sie mich, was weder zu hinterfragen noch zu beanstanden war. Bis heute: Bei meinem Besuch am Abend duzte sie mich mit irritierender Selbstverständlichkeit. Ich sprach sie darauf an, vorausschickend, dass es mich nicht stört und wir gerne dabei bleiben können. Mich interessierte nur, warum; vielleicht war ja ein Gebot der Geschäftsleitung ergangen, auf dass ab sofort ein jeder Kunde ungeachtet des Alters und Vertraulichkeitsgrades zu duzen sei, so wie es nicht nur der schwedische Möbelhändler schon lange in klebrig-anbiedernder Weise tut. Es schien ihr ein wenig peinlich, sei ihr gar nicht aufgefallen, sagte sie. Wie auch immer – seit heute duze ich mich mit der sehr netten Dame. Das muss ich mir jetzt nur noch merken bis zum nächsten Haarschnitt.

Während ich mich bei gereichtem Tee im Wartebereich fläzte, bis die mich behandelnde (und weiterhin siezende) Friseurin frei war, sah ich einen offenbar fertig frisierten Mann mittleren Alters an den Tresen meiner neuen Duzbekanntschaft treten. Er wies gewisse Ähnlichkeit mit den üblich Darstellungen des Jesus von Nazareth (oder Darstellungen Jesu, wenn Ihnen das lieber ist) auf: üppiger Bart, lange Haare. Wie mochte er ausgesehen haben, als er das Geschäft betreten hatte? Aber vielleicht hatte er auch nur Maniküre oder Augenbrauenfärben gebucht.

Donnerstag: Morgens war es kühl. Also nicht für Mitte November, aber verglichen mit der spätsommerlichen Anmutung der Tage zuvor. Bei Ankunft im Büro zeigte das Thermometer auf dem Schreibtisch gerade mal siebzehn Grad an; daran gemessen fühlte es sich wesentlich wärmer an. Kalt – und doch nicht so kalt, da soll man noch durchsteigen. Im Laufe des Tages stieg die Innentemperatur auf bis zu fünfundzwanzig Grad, als die Sonne nachmittags ums Haus kam. Beziehungsweise das Haus um die Sonne, Sie wissen schon, Galileo und so.

Mittags im Park

Abends auf dem Rückweg wurde es wieder kühl, dafür ließ intensives Abendrot die westlichen Glasfassaden der Bürohäuser erstrahlen; bitte denken Sie sich hier entsprechende Bilder. Die Glühweinbude am Rheinpavillon war trotz angemessener Kühle noch immer geschlossen. Die Vorfreude steigt.

(Während der Niederschrift vorstehender Zeilen scheint der abnehmende Vollmond durchs dunkle Geäst der Bäume gegenüber. Auch hierzu dürfen Sie sich gerne ein Bild denken, wenn Sie mögen.)

Freitag: Heute ist der elfte Elfte, somit offizieller Beginn der Karnevals-Session. Morgens, als ich mit Schal und Handschuhen ins Werk radelte, sah ich drei Jungjeckinnen in kurzen Röckchen und fror spontan mit ihnen. Ansonsten wurde mein Tag nicht närrischer als sonst.

Rheinischer Karneval ist eng mit Kölschbier verbunden, doch sollen auch andere Biere nicht unbeachtet bleiben: Heute vor 180 Jahren wurde erstmals Bier Pilsener Brauart ausgeschenkt, ist bei Wikipedia zu lesen.

Erstmals las ich von der „Igelstellung“. Das ist ein gänzlich unsexueller Begriff, so interessant es auch erscheinen mag; vielmehr bezeichnet er laut Duden eine militärische Stellung zur Verteidigung nach allen Seiten.

Vader Abraham ist im Alter von siebenundachtzig Jahren gestorben. War der nicht vor über vierzig Jahren, als er mit den Schlümpfen sang, schon um die achtzig?

Samstag: Aufgrund alkoholischer Ereignisse am Vorabend lag über der ersten Tageshälfte eine gewisse Blümeranz. Das hielt uns nicht davon ab, zur Eröffnung der Karnevals-Session in Godesberg zu fahren, wo der Verein einen Bierstand betrieb. Das erste Kölsch lief noch etwas unwillig ab, mit jedem weiteren wurde es besser.

Kaputt.

Anlässlich der demnächst beginnenden, als Fußballweltmeisterschaft deklarierten Großwerbeveranstaltung in Katar fragen sich nun viele, ob es trotz der regional eigentümlichen Auslegung der Menschenrechte und der zahlreichen beim Stadienbau verunglückten* Bausklaven moralisch vertretbar sei, sich die Spiele überhaupt anzuschauen. Mir als in Fußballdingen umfassend Uninteressiertem stellt sich diese Frage zum Glück nicht. Auch nicht, wenn „Wir“ spielt.

*Auch ein interessantes Wort. Das Gegenteil wäre dann wohl „verglückt“.

Sonntag: Sehr gut und lange geschlafen. Nach dem Frühstück und Lektüre der Sonntagszeitung führte der Sonntagsspaziergang bei mildem Sonnenschein ans andere Rheinufer.

Gelesen in der PSYCHOLOGIE HEUTE über Perfektionismus: »Nur das Sichzufriedengeben unter Verzicht auf die optimale Lösung stellt eine den Grenzen des Lebens angemessene Verhaltensweise dar.« Als Lebensmotto durchaus geeignet.

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Kommen Sie gut durch die Woche.

Woche 9: Ein Idiot auf dem Bahnsteig, angemessene Saftgläser am Frühstücksbuffet und eine Ahnung von Frühling in der Luft

Montag: Notiz an mich: nächstes Jahr auch noch den Dienstag frei nehmen.

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Dienstag: Als ich mittags die Dienstreise nach Celle antrat, ging auf dem Bahnsteig des Bonner Hauptbahnhofs ein älterer Mann schnellen Schrittes hinter mir vorbei. Kurz danach sagte er laut: „Auf in die Türkei zu Erdogan“. Erst mit einigen Sekunden Verzögerung begriff ich, das dies einer Dame mit Kopftuch galt, möglicherweise türkischen Ursprungs, vielleicht auch nicht. Da war er schon zu weit weg für einen Kommentar meinerseits. Darum hole ich das jetzt nach: Sie sind ein Idiot.

Mittwoch: Warum sind Hotels nicht in der Lage, in den Zimmern einfache Jackenhaken an die Wand zu schrauben? Effizienzgewinn durch Verschlankung von Produktionsprozessen? Dem Hotel Celler Tor sind indes Saftgläser in angemessener Größe am Frühstücksbuffets zugute zu halten.

Donnerstag: Fieses Wetter in Celle. – Wie erträgt es ein Mensch, im ICE von Hannover bis Wuppertal nahezu ununterbrochen zu telefonieren? Und wie erst der Sitznachbar, also ich? Ich kann übrigens im Zug nicht schreiben, wenn einer daneben sitzt. Das ist so ähnlich wie der manchen Männern bekannte Pissrinneneffekt: Trotz höchstem Blasendruck kommt kein Tropfen heraus, solange einer daneben steht.

Freitag: Abends das traditionelle Fischtrinken bei den Fidelen Burggrafen. Die ursprüngliche Idee, die Veranstaltung gegen 22 Uhr zu verlassen, wurde nicht weiter verfolgt. Damit ist die Session nun endgültig beendet und ich kann aufhören, darüber zu schreiben. Apropos darüber schreiben: Mein Aufsatz brachte mir erstaunlich viel Lob ein, wobei ein mündliches Lob von Angesicht zu Angesicht das Herz um ein vielfaches mehr wärmt als ein geschriebener Kommentar oder ein Gefällt-mir-Sternchen. Danke dafür!

Samstag: Leichte Blümeranz am Morgen. Vielleicht wären wir doch besser um 22 Uhr gegangen. Abends schmeckte es schon wieder. Die Idee der menschlichen Vernunft und Selbstbestimmung ist ein alternatives Faktum.

Sonntag: Spaziergang zur (enttäuschend kleinen) Modelleisenbahnbörse in Endenich. Nichts gekauft. Dank einer Ahnung von Frühling in der Luft hat es sich dennoch gelohnt. Die Forsytien beginnen gelb zu knospen und die Singstar-Krähe von gegenüber erfüllt die Siedlung mit schiefem Gekreische.

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