Montag: Nach dem Mittagessen verhinderte höllischer Lärm im Werksgarten einen gesunden Büroschlaf. Was wie ein besonders fieser Laubbläser klang, erwies sich als motorgetriebene Heckenschere, was es nicht besser machte. Bekommen diejenigen, die damit arbeiten, wohl Schmerzensgeld, oder wenigstens eine Erschwerniszulage?
Dennoch musste ich auf den Gesang des Laubbläsers nicht verzichten, das Heckengeschnetzelte musste ja anschließend zusammengepustet werden.
Dienstag: Bleiben wir im Büro, wo ich dieses las: »In Zukunft setzen wir für unsere Büromitarbeitenden auf eine noch bessere Balance zwischen mobilem Arbeiten und persönlichem Kontakt in einem innovativen Umfeld.« Als Büromitarbeitender mit tiefer Abneigung gegen Heimarbeit glaube ich in diesem Satz eine Bedrohung zu erkennen. Die Lebenserfahrung lehrt, wann immer in einer öffentlichen Verlautbarung oder Werbung die Worte „noch besser“ vorkommen, ist selten etwas Gutes zu erwarten.
Eine Bedrohung ganz anderer Art erfolgt zurzeit in einigen Regionen durch Orcas: Laut einem Zeitungsartikel greifen sie gezielt Ruder von Schiffen und Booten an, bis sie nicht mehr manövrierbar sind. So ähnlich fing das in „Der Schwarm“ von Schätzling auch an.
Als Radfahrer am meisten bedroht fühle ich mich übrigens durch andere Radfahrer, die unter Missachtung gängiger Anstands- und Verkehrsregeln und ohne zu kucken einfach drauflos fahren.
Mittwoch: Noch einmal das beliebte Thema gendergerechte Sprache. Die Ankündigung der Bundeswehr, diverse Dienstgrade künftig auch in weiblicher Form zu bezeichnen, wie „Generalin“, „Gefreitin“*, „Unteroffizierin“ oder „Oberstleutnantin“, inspirierte heute gleich fünf Leserbriefschreiber (darunter immerhin eine Frau) im General-Anzeiger zu ablehnenden Meinungsäußerungen. Ein wesentliches Argument: Die Bundeswehr habe ganz andere Probleme, die zuvörderst zu lösen wären. Das ist ein beliebter Einwand von Leuten, die gegen eine grundsätzlich gute Sache sind, meist beginnend „Die sollen doch erstmal …“ bzw. „Sollen die doch erstmal …“. Sehr beliebt auch bei Maßnahmen zu Klima- und Umweltschutz. Über das Wort „Vorständin“ zu weiblichen Vorstandsmitgliedern habe ich indes noch keine Empörungsäußerungen wahrgenommen, obwohl das mindestens genauso unsinnig ist.
* Müsste das nicht auch „die Gefreite“ heißen, oder bekommt das dann eine andere Bedeutung?
Donnerstag: Die Corona-App hat offenbar einen gewissen Unterhaltungswert, wie die Beobachtung eines Kollegen in Siegburg zeigt: Ein älteres Ehepaar wollte ein Restaurant aufsuchen. Während sie am Eingang wartete, ging er durch das Lokal, immer den Blick auf sein Datengerät gerichtet. Nachdem er seine Runde beendet hatte und wieder bei seiner Gattin war, sagte er: „Alles grün, kannst reinkommen.“
Die gute Nachricht zum Flüchtlingsdrama: 2015 wird sich ganz sicher nicht wiederholen.
Freitag: Manches nimmt man jahrelang als gegeben hin, ohne es zu hinterfragen. Wie die Altglascontainer in Werksnähe, an denen ich täglich vorbei komme. Erst heute früh, nach Jahren unbedachten Dranvorbeigehens, dämmerte mir: Warum stehen in einem reinen Büroviertel, fernab von Wohnbebauung, Altglascontainer, und das an gleich zwei Stellen mit wenigen hundert Metern Distanz dazwischen? Wer nutzt die? Oder gab es dort früher, als es noch Regierungsviertel und zudem üblich war, täglich ins Büro zu gehen, so viele Büro-Partys mit Schaumweinbegleitung?
Samstag: Mit dem Auto fuhren der Liebste und ich zu einem Kurzbesuch nach Bielefeld, wo meine Mutter westfälischen Pickert briet. Für Nichtwestfalen: Pickert ist eine Art Pfannkuchen aus geriebenen Kartoffeln, Mehl, Rosinen und Hefe, den man, möglichst warm aus der Pfanne, vor dem Verzehr mit Butter, Marmelade, Zuckerrübensirup oder grober Leberwurst bestreicht, möglich und (kein Scherz) ausgesprochen köstlich ist auch die Kombination von Leberwurst und Sirup. Abends fuhren wir wieder zurück, weil ich private Übernachtungen nach wie vor, unabhängig von irgendwelchen Seuchenlagen, als etwas erachte, das es unbedingt zu vermeiden gilt. „Samstagabend ist Kult“, sagte einer im Autoradio. Was Leute so daherreden, wenn man ihnen ein Mikrofon hinhält.
Sonntag: Die Unfruchtbarkeit von Männern scheint im Heterosexuellenmillieu ein großes Problem zu sein; letzte Woche war es Titelthema im SPIEGEL, heute berichtet die F.A.S. ausführlich dazu. Betroffene behaupten, die Feststellung habe sie getroffen wie der Tod eines nahen Angehörigen oder eine Krebsdiagnose, vor allem sehen sie ihre Männlichkeit arg ins Wanken geraten. Meine Herren, bitte sehen Sie mir meine antinatalistische Sichtweise nach, und es liegt mir wirklich fern, Sie vor den Kopf oder andere Körperregionen zu stoßen, aber angesichts von sieben Milliarden Menschen auf der Erde, mit weiterhin steigender Tendenz, fällt es mir schwer, die Dramatik darin zu erkennen. Auch wenn ausgerechnet Ihre wunderbaren Gene nicht weitergegeben werden, die Welt dreht sich trotzdem weiter.
Am Beueler Rheinufer stand nachmittags ein Doppeldeckerbus, auf dessen Oberdeck eine Kombo aufspielte. Wie ich einem verteilten Handzettel nach grobem Überfliegen entnahm, handelt es sich um eine Art Konzertreihe, die der Linderung derzeitiger kultureller Entbehrungen dient. Leider ist mir der Zettel auf dem Heimweg abhanden gekommen, daher kann ich nicht mit weiteren Informationen dazu dienen. Der geäußerten Bitte, Fotos oder Videos der Darbietung ins Netz zu stellen, komme ich selbstverständlich gerne nach.

Ansonsten waren in dieser Woche erfreulich: neue Schuhe, ein Spaziergang durch Bielefeld-Stieghorst, gedeckter Apfelkuchen, eine umfassende Einweisung in die neue Küchenordnung durch den Geliebten („Herd, heiß“ / „Heiß, Herd“).