Woche 3/2024: Nicht unerwartet, gleichwohl gruselig

Montag: Angeblich ist der dritte Montag im Januar der traurigste Tag des Jahres, so ist zu lesen, wobei unklar bleibt, ob das eine Erkenntnis der Wissenschaft oder aus dem Tourismus-Marketing ist.

Beim Mittagessen mit einem Kollegen sprachen wir über die aktuellen politischen Entwicklungen und waren uns einig, dass die Aktivitäten und Erfolge der sogenannten Rechten äußerst beängstigend sind, was die Stimmung zu drücken vermag.

Erst abends zu Hause hellte sie deutlich auf, als ich nach längerer Zeit und viel Quengeln endlich mal wieder den Ofen anheizen durfte. Insgesamt war der Tag somit gar nicht so schlecht; wenn es der traurigste des Jahres war, könnte das Jahr ganz gut werden.

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Dienstag: Über Nacht hat es geschneit. Während die Rheinuferpromenade fast vollständig schneebedeckt war, waren in der Innenstadt nur vereinzelte weiße, wenige Quadratmeter große Flecken vorzufinden, als hätte jemand punktuell hier und da, ohne erkennbares Muster, eine Schubkarre voll Schnee ausgekippt und das ganze mit einer sehr feinen Harke anschließend glattgezogen.

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Bereits im vorletzten Jahr hat die Rheinnixe, eine Personenfähre, aus wirtschaftlichen und personellen Gründen dauerhaft den Betrieb eingestellt, ich berichtete. Seitdem lag sie vor dem Beueler Ufer und harrte ihrem ungewissen Schicksal entgegen. Angeblich war sie von dort auch nicht mehr ohne weiteres wegzubewegen, weil sich inzwischen größere Mengen Kies um sie herum abgelagert hatten, nur mit erheblichen Kosten zu entfernen, die keiner übernehmen wollte. Wie ich heute Morgen sah, wurde sie umgeparkt, sie liegt nun an ihrem alten Anlegeplatz auf der Bonner Seite, im Führerhaus brennt Licht, als warte sie nur auf die nächsten Fahrgäste und legte gleich ab. Vielleicht konnte das Hochwasser der vorletzten Woche genutzt werden, um sie zu befreien. Was auch immer der Grund für den Standortwechsel sein mag, mit der Wiederaufnahme des Fährbetriebs rechne ich nicht.

Womit hingegen zu rechnen war: Donald Trump hat die Vorwahl in Iowa gewonnen. Nicht unerwartet, gleichwohl gruselig.

Mittwoch: Wie angekündigt schneite es ab Mittag heftig, deshalb nahm ich statt des Fahrrades die Bahn zum Büro. Auch der Arbeitstag verlief in geregelten Bahnen ohne nennenswerte Vorkommnisse, während draußen die Schneedecke wuchs. In den Büros waren mehr Leute anwesend als erwartet, angesichts der Wetteraussicht rechnete ich damit, dass alle im Heimbüro blieben. Nur der gut gefüllte Futterteller vor dem Fenster blieb unbesucht, weder Raben noch Elstern schienen heute Lust auf Auswärtsessen gehabt zu haben.

In den zuständigen Apps unterdessen Warnungen vor Unwetter, Leib und Leben. Wir haben anscheinend Glück gehabt: Die Eisregenfront zog haarscharf südlich vorbei, hier bei uns nur Schnee, wenn auch mehr als reichlich davon. Warum auch nicht (bzw. „Aber hey“, wem das lieber ist), es ist Januar, da kann es schneien, auch viel. Ich erinnere mich an den Rosenmontag 1987, als über Ostwestfalen heftiger Eisregen niederging. Nach wenigen Stunden war alles mit einer Eisschicht überzogen: Straßen, Gehwege, Autos, Fahrräder, Bäume; letzteren knickten unter der Eislast die Äste ab. So etwas hatte ich vorher noch nicht gesehen. Dasselbe im Dezember 1988 nochmal, ich arbeitete an dem Tag in Werther und hatte Mühe, nach der Arbeit meine Autotür zu öffnen und die festgeeisten Scheibenwischer zu lösen. Irgendwie gelang es mir schließlich und ich kam unfallfrei nach Hause. Soweit ich mich erinnere, sprach beide Male niemand von Unwetter oder Katastrophe, vielleicht irre ich mich auch.

Zur Abwechslung mal wieder die WordPress-Tagesfrage, die heutet lautet: »Kannst du eine Situation schildern, in der du dich geliebt gefühlt hast?« Eine besondere Situation vergangener Zuneigungsbekundung zu nennen fällt mir schwer, vielmehr fühle ich mich durchgehend ausreichend geliebt. Auch wenn meine Lieben bisweilen eine sehr spezielle Art an den Tag legen, das zum Ausdruck zu bringen. Passt schon. (Bitte denken Sie sich hier ein zweifaches herzverziertes Kuss-Emoji.)

Donnerstag: Bonn liegt weiterhin unter einer dichten Schneedecke. Morgens schneite es noch, deshalb wählte ich statt des üblichen Fußmarsches auch heute die Bahn, die mich pünktlich und mit reichlich Platz zum Werk fuhr, das ist zu loben.

Vormittags eine Besprechung in größerer hybrider Runde, die einen saßen am Tisch im Besprechungsraum, die anderen waren zugeschaltet über eine kleine flache Lautsprecherbox auf dem Tisch. Es wurde viel durcheinander geredet. Ich schwieg, schaute nach draußen in den Schnee und fand es schön.

Schön auch die Schlussformel „Gehab dich wohl“, empfangen zum Abschluss eines Telefongesprächs. Die sollte viel öfter Anwendung finden, allemal besser als „Ciao“ oder, was zunehmend am Ende von Mails zu lesen ist: „Cheers“.

Mittags im Park

Zurück ging ich zu Fuß über die immer noch weiße Uferpromenade. Der Schnee ist inzwischen festgetreten, es ließ sich gut und ohne zu rutschen gehen. In der Innenstadt hingegen ist er auf Straßen und Gehwegen zu bräunlichem Matsch angetaut.

Die Rheinnixe an ihrem neuen alten Platz

Nach der Arbeit ging ich zum Zahnarzt wegen der in der vergangenen Woche abgelösten Zahnkrone. Obwohl der Zahn mittelfristig raus soll, erhielt er eine letzte Gnadenfrist, die Krone wurde noch einmal befestigt. Nach Karneval, haben wir vereinbart, melde ich mich wieder wegen der Ziehung. Nach Karneval ist ein dehnbarer Zeitraum.

Freitag: Mittags wurden bevorstehende organisatorische Änderungen bekanntgegeben. Ich behalte meine Aufgaben, meine Kollegen und meinen Chef, darüber bin ich sehr froh. Einzig an eine neue Abteilungs- und Stellenbezeichnung werde ich mich gewöhnen müssen, nicht zum ersten und vermutlich nicht letzen Mal. Ich freue mich nun auf die entsprechenden Mitteilungen dazu, in denen voraussichtlich von verschlankten Strukturen, zu hebenden Synergien und Konzentration auf das Kerngeschäft zu lesen sein wird. Cheers.

Auf dem Heimweg sah ich die ersten Frühblüher ihre Spitzen durch die Schneedecke stechen und freue mich, dass die Natur sich trotz allem offenbar auch in diesem Jahr noch einmal entschlossen hat, zu erwachen.

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Satz des Abends: „Es ist eigentlich traurig, dass man Modern Talking mitsingen kann. Aber man kann es.“

Samstag: Während ich nach dem Frühstück lesend auf dem Sofa weilte, vernahm ich aus der Küche folgenden Dialog: Siri: „Was kann ich für dich tun?“ – Der Geliebte: „Mich am A … lecken.“ – Siri: „Ich weiß nicht, was ich darauf sagen soll.“

„Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.“ Das schrieb einst der Philosoph Ludwig Wittgenstein.

Sonntag: Auch in Bonn wurde heute gegen die zunehmende Bräunung politischer Ansichten demonstriert. Ich war beeindruckt: Bis zum Marktplatz, Ort der Kundgebung, drang ich gar nicht vor, weil bereits die Straßen drumherum voller Menschen mit bunten Schildern und Regenbogenfahnen waren. Hoffentlich nützt es was.

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Gehaben Sie sich wohl, kommen Sie gut durch die Woche.

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