Feuer aus

„Wenn Gott gewollt hätte, dass wir rauchen, hätte er uns einen Schornstein wachsen lassen“, schrieb ich vor vielen Jahren auf Twitter; ob ich dafür Sternchen bekam, weiß ich nicht mehr. Inzwischen habe ich beides hinter mir gelassen: Twitter und das Rauchen.

Vor nunmehr zwei Monaten rauchte ich die letzte Zigarette. Das ist noch nicht so wahnsinnig lange her, doch bin ich guter Hoffnung, dass es wirklich die letzte war, mindestens für die nächsten, sagen wir … gut, sagen wir besser nichts, man wird sehen.

Dabei war ich kein besonders starker Raucher, zuletzt rauchte nur noch am Abend ein bis zwei Zigaretten, am Wochenende, wenn Alkohol dazu kam, deutlich mehr, dann konnte schon mal eine halbe Schachtel am Abend in Rauch aufgehen; mit jedem Glas Wein wurde der Drang stärker, noch eine anzustecken, zumal meine Lieben ebenfalls dem Dunst nicht abgeneigt sind. Ohne Alkohol bereitete es mir indessen keine Probleme, stunden- oder tagelang auf Tabak zu verzichten. Insofern war ich überzeugt, nicht süchtig zu sein, sondern nur aus Gründen eines nicht näher zu bestimmenden Genusses ab und zu eine anzustecken. Worin etwa der Genuss lag, sich aus Gründen eines gewissen Gruppenzwangs bei Minusgraden mit anderen vor eine Kneipe zu stellen, weil das Rauchen drinnen aus guten Gründen seit längerem verboten ist, hätte ich nicht sagen können.

So richtig angefangen mit Rauchen hatte ich – idiotischerweise, darf man es wohl nennen – mit vierzig Jahren, also in einem Alter, wo viele es sich längst abgewöhnt haben. Zuvor hatte ich jahrelang ab und zu mal einen Zigarillo gepafft, freilich ohne Lungenzüge. Ich weiß nicht mehr, was genau mich dazu bewogen hatte, aber eines Tages dachte ich mir: Kauf doch mal eine Schachtel Zigaretten. So tat ich, rauchte nach dem Besuch eines speziellen Etablissements die erste Zigarette auf dem Bahnsteig des Kölner Hauptbahnhofs, fand nach kurzem Hüsteln Gefallen daran und blieb erstmal dabei. Ob die zuvor in dem Etablissement erfahrenen Genüsse völlig anderer Art ausschlaggebend waren, weiß ich nicht mehr.

Die Schädlichkeit für die Gesundheit stand und steht für mich außer Frage. Dafür umso fraglicher der Nutzen: Rauchen führt zu keinem Rausch (jedenfalls ohne illegale Zuschlagstoffe), bringt auch sonst kein nennenswertes Wohlgefühl mit sich, zudem schmeckt es nicht, kostet viel Geld, schädigt die Umwelt (ein weggeworfener Zigarettenstummel enthält so viel Gift wie ein Eimer Glyphosat) und man stinkt aus allen Poren; wer selbst nicht raucht und eine Aufzugfahrt mit einem kurz zuvor geraucht habenden macht, weiß, was ich meine. Daher fasste ich zehn Jahre später den Beschluss, aufzuhören. Das war gar nicht so einfach wie gedacht, gerade im Urlaub und am Wochenende, siehe oben. Deshalb benötigte ich noch knapp anderthalb Jahre länger.

Im letzten Frankreich-Urlaub war es dann so weit, wobei ich nicht sicher sagen kann, was genau der Auslöser war: der horrende Preis von acht Euro fünfzig für eine normale Schachtel oder die in Frankreich markenunabhängig-einheitliche schwarze, wenig appetitanregende Gestaltung mit den bekannten, teils abschreckenden, teils unfreiwillig komischen Bildern darauf. Jedenfalls mein Entschluss: Nach dieser Schachtel ist Schluss. Das klappte problemlos.

Na ja, fast: Ein Wochenende später rauchte ich aus besonderem Anlass nochmals eine, die ich mir vom Geliebten schnorrte, danach war wirklich Schluss. Ein- bis zweimal war ich danach noch versucht, am Samstagabend nach dem dritten oder vierten Glas Wein zu sagen: „Gib mir mal eine.“ Aber ich blieb standhaft und die Frage ungestellt. Seitdem scheint in der Verdrahtung meiner Hirnwindungen ein Schalter umgelegt, ich verspüre keinerlei Drang mehr danach, ein rauchendes Stäbchen in den Fingern zu halten und daran zu ziehen, auch nicht, wenn meine Lieben sich in meinem Beisein weiterhin dem zweifelhaften Genuss hingeben.

Im Gegensatz zu meinem Vater, der früher sehr starker Raucher gewesen war und sich nach einer zweiwöchigen, für alle Beteiligten anstrengenden Entwöhnungsphase zum Rauchhasser wandelte, liegt es mir fern, Raucher mit missionarischem Eifer zum Verzicht zu bekehren. Es stört mich nicht, wenn in meiner Umgebung geraucht wird. Selbst wenn mir der Rauch ins Gesicht weht (so wie ein Marmeladenbrot immer auf die bestrichene Seite fällt, zieht Rauch, unabhängig von der Windrichtung, stets in Richtung der Nichtraucher), zeige ich mich meistens tolerant.

Nur eins verstehe ich nicht, und ich verstand es nicht, als ich selbst noch rauchte: Warum ist es in Deutschland immer noch gesetzlich erlaubt, öffentlich für Zigaretten zu werben? Wie kann es sein, dass unsere Politiker vor der Lobby der Tabakindustrie immer noch kuschen?

Übrigens habe ich nicht die Absicht, in absehbarer Zeit auch auf Alkohol zu verzichten. Der Genuss, der ausgeht vom Nachmittagsbier im Urlaub, dem Pastis vor und dem Wein zum Essen und vom kühlen Rosé am Sommerabend auf dem Balkon, überwiegt mögliche Nachteile. Aber wer weiß …

Noch ein Twitter-Eintrag gefällig? Folgender entstand offenbar während einer Dienstreise im Hotel: „Der Vorteil eines Raucherzimmers: Ich darf rauchen. Der Nachteil: Andere vor mir durften es auch.“

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