Was 2017 auch in der Zeitung stand

Wer da glaubt, die Zeit der unzähligen Jahresrückblicke sei überwunden, der irrt, hier kommt noch einer. Neben der Wahl eines Wahnsinnigen zum Präsidenten der Vereinigten Staaten, unfreundlichen Worten aus der Türkei, Atomkriegsdrohungen von und nach Nordkorea, Triebfahrzeugstörungen beim Schulz-Zug, Jamaika-Aus als Wort des Jahres, #MeToo und einem angeblich verregneten Sommer standen zahlreiche kleinere Meldungen in der Zeitung, die mir bemerkenswert erschienen, wobei die Auswahl völlig subjektiv ist und keinen Anspruch auf Relevanz und hohes allgemeines Interesse stellt.

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Eine Zugbegleiterin der Deutschen Bahn hatte im Januar wohl nach ihrem Dienst den Lieben zu Hause was zu erzählen, nachdem sie einen nackten Zweiundzwanzigjährigen bei der Intimrasur auf der Zugtoilette ertappt hatte, der zudem auch noch ohne gültigen Fahrausweis reiste. Gegenüber der herbeigerufenen Bundespolizei soll der Mann erklärt haben, er werde „zu Hause derzeit nicht gerne gesehen“. Über die Gründe lässt sich nur spekulieren.

Ebenfalls im Januar verkündete die Bonner Stadtverwaltung, die Sanierung der Beethovenhalle werde voraussichtlich um etwa 1,6 Millionen auf 61,6 Millionen Euro steigen, zudem verzögere sich die Fertigstellung um einen Monat.

Im Februar teilte die Justizvollzugsanstalt im sauerländischen Attendorn mit, einen Betriebsversuch mit pink angestrichenen Zellenwänden zu beenden. Ziel des Versuches sei es gewesen, festzustellen, ob randalierende JVA-Kunden sich in Räumlichkeiten mit dem Farbton „Cool Down Pink“ schneller beruhigen als in herkömmlich-grauen Zellen, was sich als nicht zutreffend erwies. Ein wenig erinnert das an den Film „Ödipussi“ von Loriot, in dem unter anderem die Auswirkungen von Sitzgruppen-Polsterfarben auf das Suizidverhalten der Besitzer ausgiebig erörtert wird.

Nicht überliefert ist die Farbe des Bettbezuges, in dem eine Inderin im selben Monat mit einem unerträglichen Juckreiz hinter den Augen aufwachte. Als Ursache wurde nach ärztlicher Untersuchung eine Kakerlake festgestellt, die der Dame im Schlaf in die Nase gekrabbelt und inzwischen fast bis zur Schädelbasis vorgedrungen war. Mit einem staubsaugerartigen Gerät konnte der Eindringling schließlich beseitigt werden.

Das klingt medizinisch kompliziert, ist jedoch ein Klacks gegen die Ankündigung des italienischen Arztes Ser­gio Ca­na­ve­ro, bis Weihnachten 2017 die erste menschliche Kopftransplantation vorgenommen zu haben. Der zu verpflanzende Kopf müsse zuvor auf zwölf Grad heruntergekühlt werden, etwaigen Abstoßungsreaktionen des Körpers sei unter anderem mit „Vir­tu­al-Rea­li­ty-Trai­ning“ zu begegnen. Also Pokemons gegen Kopflosigkeit.

Als virtuelles Familienmitglied wird in immer mehr Haushalten Alexa von Amazon akzeptiert. Im März berichtet die Zeitung über ein sechsjähriges Mädchen in Texas, das aus Langeweile Alexa mit der Bestellung eines Puppenhauses und zwei Kilo Keksen beauftragte, was diese unwidersprochen ausführte. Als ein Fernsehsender über den Fall berichtete und den Bestellvorgang nachstellte, erwachten zahlreiche in Hörweite von Fernsehgeräten befindliche Alexas und bestellten ihren Besitzern ebenfalls Puppenhäuser. Zudem wird Alexas schlechter Einfluss auf die Kindererziehung bemängelt: Sie fordert weder ein „Bitte“ noch „Danke“, weiterhin suggeriere ihre weibliche Stimme, Frauen haben zu gehorchen. Vielleicht sollte man Alexa mal über ihre Meinung zur #MeToo-Debatte befragen.

Keineswegs machtlos waren im April Mitarbeiter eines Berliner Supermarktes, als ein mit einer Grillgabel bewaffneter Mann die Herausgabe des Geldes aus der Kasse forderte. Unter beherzter Zuhilfenahme eines ihm in den Weg geschobenen Einkaufswagens konnte ihm die Beute entrissen werden.

Grillgabeln als Waffe dürften für die amerikanische Waffenlobby-Organisation NRA eine nur untergeordnete Rolle spielen. Ende des Monats dankte ihr Donald Trump für die Unterstützung im Wahlkampf, erklärte sie zu seinen Freunden und versprach, sich für ihre Belange einzusetzen.

Nicht nur von Waffen geht Missbrauchsgefahr aus, sondern auch von Alkohol. Dem tritt Anfang Mai der Geschäftsführer der Kölner Brauerei Gaffel gegenüber mit der Feststellung: „Bier ist ein Kul­tur­gut mit vie­len Tra­di­tio­nen. Der Haus­trunk ge­hört da­zu“. Zuvor hatte die Bun­des­dro­gen­be­auf­trag­te verlangt, die Abgabe von Bier an die Brauerei-Mitarbeiter als Lohnersatz einzustellen.

Zur Tradition geworden sind auch die Mitteilungen der Stadt Bonn, welche die Kostensteigerung für die Sanierung der Beethovenhalle betreffen. Anfang Juni ist es wieder so weit: Man geht von 2,5 Millionen Euro mehr gegenüber der ursprünglichen Planung aus.

Ebenfalls im Juni verbietet die Stadt Madrid das als „manspreading“ bezeichnete breitbeinige Sitzen in öffentlichen Verkehrsmitteln, welches vor allem männlichen Nutzern zur Angewohnheit geworden ist und neben einem entsprechenden Raummehrbedarf auch Unbehagen bei weiblichen Mitreisenden hervorruft.

Unterdessen verkündet die Stadt Bonn eine weitere Kostenspreizung von erneut 2,5 Millionen Euro für die Beethovenhalle, somit liegen die Gesamtkosten nach vorläufiger Schätzung nun bei 66 Millionen Euro.

Dass männlicher Geltungsdrang im Zusammenspiel mit freiem Waffenbesitz unerwünschte Folgen haben kann, zeigt ein Fall aus Minnesota, über den die Zeitung im Juli berichtete: Ein Mann bat seine Freundin, aus geringer Entfernung auf ihn zu schießen, während er sich eine Enzyklopädie als Schild vor den Leib hielt. Hiermit wollte er Millionen von Youtube-Nutzern beeindrucken. Offenbar hatte er ein zu dünnes Nachschlagewerk zu seinem Schutz ausgewählt, er überlebte den Schuss nicht.

Besondere Herausforderungen setzen nicht immer die Benutzung von Waffen voraus: Seit August bietet eine Schweizer Supermarktkette Burger mit Mehlwürmern an.

Der Zeitplan für die Fertigstellung der Beethoven-Halle gerät laut Stadtverwaltung in Bedrängnis, wenn auch zunächst ohne Mehrkosten.

Um nicht durch Rassismus-Vorwürfe in Bedrängnis zu geraten, entschloss sich ein bekanntes Lübecker Café im September, seine traditionelle Mohrenkopftorte umzubenennen in „Othellotorte“. Ich persönlich hätte „Roberto-Blanco-Torte“ origineller gefunden.

Die Beethoven-Halle wird wohl doch pünktlich fertig. Dafür steigen die Kosten auf etwas mehr als 72 Millionen Euro, so die Stadtverwaltung Bonn.

Deutlich geringer dürfte der Streitwert eines Gerichtsverfahrens gelegen haben, dessen Gegenstand ein Drama war, welches sich vortrefflich für eine Lustspiel oder eine Oper eignet: In Rheinbach bei Bonn empfing eine Zahnarztgattin einen Malermeister in nur leichter Bekleidung, derweil der Herr Gemahl sich auf Reisen befand. Ihre Bemühungen, den Meister vor dem Anstrich in ein Frühstück mit Lachs und Sekt und wer weiß was sonst noch zu verwickeln, blieben erfolglos, vielmehr ergriff er die Flucht. Als der Gatte zurückkehrte, fand er die beauftragten Malerarbeiten in mangelhafter Qualität ausgeführt vor, daher verklagte das Paar den Malermeister wegen Schlechtleistung. Den Ausführungen der Gattin, dem Maler lediglich Kaffee und Wasser angeboten zu haben, schenkte das Gericht keinen Glauben, wohl aber der Beteuerung des Beklagten, keinen einzigen Pinselstrich gezogen zu haben. Vielmehr hatte die Dame des Hauses nach des Malers Flucht selbst zum Pinsel gegriffen, um ihre vergeblichen amourösen Avancen zu vertuschen. Die Klage wurde abgewiesen.

Noch einmal die Amerikaner und ihre Waffenliebe: Im Oktober geriet eine christliche Freikirche in die Kritik, weil sie als Hauptgewinn einer Verlosung halbautomatische Sturmgewehre in Aussicht stellte.

Mitte November verkündet die Stadt Bonn eine erneute Kostensteigerung für die Beethoven-Halle auf nunmehr 75 Millionen Euro.

Unterdessen sorgt sich Christian W. aus Bonn über die Zukunft unseres Landes. In einem Leserbrief fordert er die Bundeskanzlerin auf, statt ständig die Rechte von Schwulen, Lesben und „Gender etc.“ zu thematisieren, lieber die Deutschen anzuhalten, mehr Kinder in die Welt zu setzten, wobei er einen gleichartigen Aufruf des türkischen Präsidenten als positives Beispiel anführt.

Ganz andere Sorgen plagen den Amerikaner Mi­ke Hug­hes (61). Mit einer aus Altteilen selbst gebauten, dampfbetriebenen Rakete will er sich ins All schießen lassen, um den Beweis anzutreten, dass die Erde eine Scheibe ist. Das erscheint offenbar sogar den Amerikanern zu gewagt, denn bislang verweigerten ihm die zuständigen Behörden die Startgenehmigung.

Wie eine Rakete ab gingen Anfang Dezember die Bemühungen eines kleinen Weihnachtsmarktes in Overath-Kreutzhäuschen, über Facebook ein paar Besucher anzulocken. Daraufhin machten sich auch auf zahlreiche Menschen aus nah und fern, nicht um das Kindlein in der Krippe zu sehen, sondern wegen Bratwurst und Glühwein in idyllischem Ambiente. Schon bald bildeten sich lange Staus, der Verkehr im Dorf kam zum Erliegen und der kleine Weihnachtsmarkt wurde überrannt. Ein Facebook-Nutzer lässt es dabei natürlich nicht auf sich beruhen, sondern postet seinen Unmut über schlechte Organisation, fehlende Parkplätze und weggefressene Würstchen umgehend in sein geliebtes Netzwerk. Ob die Massen daraufhin an den folgenden Wochenenden ausblieben, ist nicht bekannt.

Kurz vor Jahresende meldet sich noch einmal die Stadt Bonn, Sie ahnen schon, zu welchem Thema: Die Sanierungsarbeiten an der Beethovenhalle sind ein wenig ins Stocken geraten, die Fertigstellung verzögert sich um wenige Monate auf voraussichtlich Februar 2019. Zudem vergaß man leider, in die Kostenplanung eine neue Bestuhlung mit einzubeziehen, daher sind die Bonner nun zu Spenden aufgerufen, wollen sie künftige Konzerte nicht im Stehen genießen.

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Soweit mein kleiner Jahresrückblick. Nochmals Ihnen alles Gute für 2018, behalten Sie stets einen kühlen Kopf, nicht nur für den hoffentlich unwahrscheinlichen Fall einer Transplantation. Im Übrigen: Wer braucht schon eine Beethoven-Halle.

Ein Gedanke zu “Was 2017 auch in der Zeitung stand

  1. Michi Januar 5, 2018 / 12:04

    Ich lach mich weg 🤣 und da dachte ich bisher immer, das Jahr 2017 wäre langweilig gewesen. Ich sollte die Zeitung vielleicht auch mal lesen, die ich von meinem freundlichen Kollegen morgendlich, mal mehr mal weniger liebevoll auf den Schreibtisch gelegt (oder wenn weniger liebevoll auch mal geräuchvoll abgelegt-) bekomme 😉

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