An einem Montagmorgen im Februar, einen Tag nach seinem siebenundfünfzigsten Geburtstag, beschloss Herr W., das Reden endgültig einzustellen. Es wurde ohnehin zu viel geredet: in Talkshows, im Radio, im Kino, selbst öffentliche Toiletten waren alles andere als stille Örtchen. Angenommen, er hätte – wortkarg, wie er war – im Laufe seines Lebens nur zweihundert Wörter am Tag gebraucht, so wären das im Ganzen immerhin über vier Millionen Wörter gewesen, mit denen rund vierzehntausend normal bedruckte Buchseiten zu füllen wären, das wären um die fünfzig Bücher, so viele Romane hat nicht mal Johannes Mario Simmel geschrieben. Mehr als genug also, wie W. befand.
Nun denn, sagte er zu sich, gleichsam seine letzten Worte, dann packte er Butterbrote, Thermosflasche und Zeitung in die abgewetzte Ledertasche und fuhr ins Büro, wie jeden Morgen. Im Bus sprach niemand, man las Zeitung, tippte auf dem Smartphone herum oder schwieg montäglich-dumpf vor sich hin. Im Büro war jeder viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um zu bemerken, dass W. nicht sprach, und Telefongespräche, die er führte, fielen erfreulich knapp aus.
Da er zu Hause schon lange nichts mehr zu sagen hatte, blieb auch seiner Gattin sein Schweigen verborgen, derweil sie wie eh und je auf ihn einschwatzte.
Das läuft ja prima, dachte sich W. und beschloss, als nächstes das Essen, und dann das Atmen einzustellen.