So, nun liege ich also hier, im St. Petrus-Krankenhaus zu Bonn, vor mir zwei Krücken (ja ich weiß, die Dinger heißen Unterarmgehstütze, aber es sagt ja auch kein Mensch ,Lichtzeichenverkehrsanlage‘), Jesus an der Wand – und der operierte Fuß, noch dick verbunden und mit einem gelblichen Zeug bepinselt, nur der Große Zeh und sein Nachbar schauen oben heraus. Dank einer besonderen Betäubung des rechten Beins verlief die Nacht ohne Probleme. Erst heute früh um kurz nach vier meldete er sich zurück, nicht direkt mit Schmerzen, eher mit einem Kribbeln, als ob er sagen wollte: „Hallo, da bin ich wieder!“ Morgen wird zum ersten Mal der Verband gewechselt, bin sehr gespannt, wie es geworden ist. Das erste Röntgenbild gestern sah schon sehr vielversprechend aus.
Das schlimmste gestern war das Warten: um sieben Uhr morgens sollte ich im Elisabeth-Krankenhaus erscheinen, dort wurde mir zunächst ein Bett in einem Dreibettzimmer zugewiesen. Die beiden anderen Herren schienen ganz nett, aber auf Konversation hatte ich nun wirklich keine Lust, und die ganze Zeit lief der Fernseher, erst Frühstücksfernsehen, dann irgendwelche blöden amerikanischen Serien; daher widmete ich mich Max Goldt in Buchform, das geht immer.
Gegen elf kam endlich die Aufforderung, mich auszuziehen und meine Klamotten gegen ein Netzhöschen und ein hinten offenes Engelskleidchen zu tauschen. Nach einer weiteren halben Stunde unangenehmen Wartens wurde ich dann mitsamt Bett in den OP-Bereich gerollt. Früher dachte ich, dieser Moment muss der Horror sein, aber als es so weit war, fand ich es gar nicht so schlimm. Lag vielleicht an der Tablette, die ich nach dem Umkleiden genommen hatte. Wie heißt das Zeug? Sollte ich mir für den Bürobedarf besorgen.
Im OP-Bereich waren sie sehr nett, so wie hier überhaupt alle ausgesprochen freundlich sind, dennoch schaffe ich es leider nicht, mir ihre Namen zu merken. Ich wurde – ohne das Engelshemdchen – auf die fahrbare OP-Liege verfrachtet, dann bekam ich eine Spinal-Anästhesie, d. h. mein Unterleib wurde komplett außer Betrieb genommen, das Bewusstsein hingegen blieb wach. Ich hatte mich bewusst gegen eine Vollnarkose entschieden.
Von der OP bekam ich dennoch nicht viel mit, weil sie zum Glück hinter einem Sichtschutz ablief, ab und zu mal eine gut gelaunte Stimme und das Sirren der kleinen Motorsäge. Die Kiefer-OP vor sechs Jahren war viel viel schlimmer, vor allem schmerzhafter, DAS war Horror. Nach gut einer Stunde wurde mir – wie einer Entbundenen das Baby – das besagte Röntgenbild überreicht. Dann wurde ich erst in den Aufwachraum gebracht, wo nach wenigen Minuten das linke Bein erwachte, danach zurück ins Zimmer.
Gegen vier nachmittags brachten mich zwei nette Jungs von Medicare hierher – immer noch in OP-Höschen und -Leibchen (also ich, nicht die Jungs). Ich habe hier ein schönes Einzelzimmer, fast fühlt es sich wie Urlaub an, käme nicht immer wieder eine nette Schwester herein, um Blutdruck und Temperatur zu messen. Oder was zu essen, die Zeitung oder einen Kaffee zu bringen. Außerdem habe ich Schokolade vom Liebsten, so gesehen doch wie Urlaub.
Tatsache ist, ich kann nicht viel machen außer hier zu liegen und zu lesen – was nun wirklich nicht das schlechteste ist -, oder fernzusehen, was ich auf das absolut notwendigste beschränke. Ein Gang aufs Klo ist schon eine richtige Anstrengung. Heute Nachmittag bekam ich einen Vorderfuß-Entlastungsschuh, den ich unter therapeutischer Anleitung ausprobierte, sogar mit Treppe. Ziemlich gewöhnungsbedürftig und nicht ganz schmerzfrei das ganze, aber so muss es (bzw. ich) erstmal gehen in den nächsten Wochen. Zum Vergleich: nach der Kiefer-OP konnte ich vier Monate lang nicht zubeißen aus Vorsicht, das Provisorium nicht zu zerlegen, das war viel schlimmer.
Es ist schon bemerkenswert, wie hilflos man ist, wenn einem so etwas elementares wie die Fähigkeit zum Laufen abhanden kommt, das macht man sich gar nicht oft genug klar. Aber das wird wieder, und im nächsten Frühjahr kommt der linke Fuß dran, ich habe es ihm versprochen.
Zufrieden betrachte ich mein Baby. Es geht uns gut.