Woche 42/2024: Volle Hingabe und ein Naturschauspiel

Montag: Die Wiedereingliederung in das Arbeitsleben nach eineinhalb Wochen Urlaub gelang zufriedenstellend. Morgens auf dem Fahrrad war es fingerkalt, immerhin trocken. Erstmals nach längerem befuhr ich probeweise wieder den umstrittenen Radweg entlang der Adenauerallee (zur Erinnerung: umstritten, weil zugunsten breiterer Radwege nur noch zwei der einst vier Fahrspuren dem Autoverkehr zur Verfügung stehen), der wieder auf ganzer Länge nutzbar ist, ohne baustellenbedingt den gebeutelten Kraftfahrzeugführern ins Gehege zu kommen oder auf den Gehweg ausweichen zu müssen.

Im Büro keine nennenswerten Montäglichkeiten, weder im Maileingang noch im Gemüt; im Laufe des Vormittags waren alle Mails gesichtet, priorisiert, beantwortet oder, die meisten, nach mehr oder weniger interessierter Kenntnisnahme gelöscht. Außerdem besprach ich mit dem Kollegen, mit dem ich mich vertrete, unsere Urlaubsplanung für das kommende Jahr, dafür ist es nie zu früh. Das Mittagessen in der Kantine nahm ich ausnahmsweise unbegleitet zu mir, da die üblichen Mitesser beschäftigt waren. Das kam mir heute durchaus gelegen.

Da nichts Größeres anlag, das anzugehen nicht auch morgen oder im Laufe der nächsten Tage früh genug wäre, kam das Arbeitsende nicht sehr spät, gerade passend, um die Lücke zwischen zwei Regenschauern zu nutzen. Ab morgen wieder volle Hingabe.

Dienstag: Zu Fuß ins Werk und zurück durch den Herbst, das war schön. Am schönsten, nicht nur im Herbst, ist stets der Moment, wenn ich dem Innenstadtlärm von Kraftfahrzeugen und Kehrmaschinen entkomme und am Rheinufer in relativer Stille wandele, unterbrochen nur von mobilschwatzenden Mitmenschen und den Motoren der Schiffe. Kurz vor Ankunft am Mutterhaus empfing mich heute ein Duett aus Aufsitzrasenmäher und Laubbläser. Das war nicht schön.

Morgens I
Morgens II

Auf dem Rückweg dachte ich aus mehreren gegebenen Anlässen darüber nach, wie das Erscheinungsbild junger Männer im Wandel begriffen ist. Neben den allgegenwärtigen Einheitsjugendlichen mit Wuschelhaaren, knöchelfrei, weißen Turnschuhen, eingewachsenen Ohrstöpseln und stets auf das Datengerät gerichtetem Blick sind mittlerweile wieder vermehrt zweifelhafte Langhaarfrisuren, Schnäuzer und sackartige Hosen zu beobachten. Das finde ich ästhetisch bedenklich, aber mich fragt da keiner. Warum auch.

Weiterhin begegnete mir, während mich die Daunenjacke in Wohlfühltemperatur hüllte, ein Junge auf dem Fahrrad mit Rucksack, sonst obenrum mit nichts weiter bekleidet. Vielleicht hatte er sich kurz zuvor mit etwas sehr übel riechendem bekleckert und, da er in äußerster Eile war, keine Zeit gehabt, sich umzuziehen; man weiß ja oft nicht, warum Dinge sind wie sie sind.

Abends kaufte ich zwei Hosen, da es höchste Zeit ist, meinen Hosenbestand zu erneuern. Bei der Gelegenheit ließ ich mich, in Erwartung künftiger Rabatte, als Kunde registrieren, die Quittung erhielt ich per Mail. Darin werde ich abwechselnd geduzt und (im „Kleingedruckten“) gesiezt, was ich in letzter Zeit zunehmend erlebe. Ist das Absicht oder schlicht Schluderei?

Mittwoch: Ab Mittag schien die Sonne und heizte das Büro trotz heruntergelassener Jalousien stark auf wie während des ganzen Sommers nicht, achtundzwanzig Grad zeigte das Wandthermometer an. Vermutlich ist die Temperaturregelung des Gebäudes bereits auf Winterbetrieb umgestellt. Was solls, zu kalt hätte ich schlimmer gefunden.

Dazu war es recht laut: Im Nebenbüro war man zu dritt, zeitweise ohrenscheinlich in derselben Teamskonferenz auf Englisch. Vor der großen Seuche, als noch alle täglich in die Büros kamen, war das selbstverständlich. Ich bin diesbezüglich deutlich empfindlicher geworden.

Auch mal wieder in einer Besprechung gehört: „Wir müssen uns ehrlich machen.“ Dann macht mal.

Manchmal habe ich den Eindruck, um mich herum sind alle irre, was allerdings darauf hindeuten könnte, dass ich der Irre bin. Heute wieder: Auf dem Rückweg sah ich nebenan auf dem Gehweg eine junge Frau, die im Gehen ihr Datengerät über Kopfhöhe hielt, auf das Display schaute und dazu eine ziemlich dämliche Schnute zog, in Infaulenzer-Fachkreisen wohl Duckface genannt. Scheiß die Wand an, so mein spontaner, zugegeben nicht sehr wertschätzender Gedanke. Das dürfte sie mitbekommen haben, denn ich dachte ziemlich laut. Im Übrigen bin ich der Meinung, auch wenn das wie ein alter Griesgram klingt: Diese Geräte machen die Leute bekloppt.

Donnerstag: Der Fußweg morgens ins Werk kam mir wesentlich dunkler vor als am Dienstag. Da ich nicht davon ausgehe, zwischenzeitlich in ein mehrwöchiges Zeitloch gefallen zu sein, lag es wohl an der Bewölkung. Am Rheinufer traf ich auf den Hochleistungsfrühsportler, der dort jeden Morgen seinen Leibesertüchtigungen* nachgeht und dabei schnauft wie das NDR-Pausenwalross Antje, die Älteren erinnern sich vielleicht. Wenn ich ihn passiere, schaut er mich an mit einem irren bis auffordernden Blick, als erwarte er eine Ansprache wie „Mann, Sie sind aber sportlich, während ich hier einfach nur gehe, was ja immerhin besser ist, als mit dem Auto zu fahren oder so einem Elektroroller, die wahre Straßenpest, nicht wahr … Was meinen Sie, ich soll mal Ihren Bizeps fühlen? Ich bitte Sie, wir kennen uns doch gar nicht. Ein anderes Mal vielleicht. Frohes Schnaufen und einen schönen Tag noch“. Aus Gründen, die ich nicht benennen kann, ist mir der Kerl unheimlich und ich gehe jedes Mal etwas schneller an ihm vorbei. Dabei geht von ihm vermutlich keine Gefahr aus, außer vielleicht angesprochen zu werden, was morgens schlimm genug wäre.

*So hieß noch in den Siebzigern der Schulsport an unserem Gymnasium, in den Stundenplänen abgekürzt „LE“. Das machte es nicht schlechter, aber auch nicht besser.

Vgl. Dienstag

Letzten Sonntag besang ich hier das Ende der diesjährigen Außengastronomiesaison. Dem Lied ist eine weitere Strophe hinzuzufügen, heute war die Terrasse des Rheinpavillons wieder gut besucht, da es in den letzten Tagen deutlich wärmer geworden ist. Auch zahlreiche T-Shirts und kurze Hosen wurden nochmals hervorgeholt. Von solchem Hin und Her lasse ich mich nicht treiben; für mich ist jetzt Daunenjackensaison und basta.

Immerhin kein Serviervorschlag

Freitag: Nach Ankunft im Büro bis in die erste Tageshälfte hinein war meine Konzentration auf die Geschäfte eingeschränkt, weil sich vor den Fenstern ein Naturschauspiel ereignete, wie ich es noch nicht erlebt habe, jedenfalls kann ich mich nicht daran erinnern. Dichter Nebel bedeckte bis zum Horizont Stadt, Land und Fluss, nur der Turm und das Siebengebirge ragten heraus, was mir von meinem Arbeitsplatz in der achtundzwanzigsten Etage aus einen grandiosen Blick über die Wolken ermöglichte. Caspar David Friedrich hätte wohl nicht lange gezögert, den Pinsel zu zücken. Deshalb war ich dankbar für die einstündige Teams-Konferenz mit viel Fensterkuckzeit. Sehen Sie:

Zwischenzeitlich zeigte sich die Godesburg (rechts)
Es gibt schlechtere Arbeitsplätze
Gegen Mittag zog sich der Nebel über den Rhein und ins obere Rheintal zurück

Mittags schien wieder die Sonne und ich hatte nach dem Essen Gelegenheit für einen kleinen Spaziergang durch den Park. Außerdem schickte ich den Stanišić (also nur das Buch) nach Meppen, von wo sich eine Interessentin dafür gemeldet hatte. Liebe E., ich wünsche Ihnen viel Vergnügen bei der Lektüre.

Im Park
Nachmittag

Ansonsten war die erste Arbeitswoche nach dem Urlaub insgesamt angenehm, sie verging ähnlich schnell wie zuvor die Urlaubswoche. So hat alles seine Vor- und Nachteile.

Samstag: Dieter Nuhr erhält den Ehrenpreis des Bayerischen Ministerpräsidenten Söder, steht in der Zeitung. Ob er sich darüber freut?

„Lass mal wieder zusammen emotional werden“ las ich während des Spaziergangs an einer Litfaßsäule, für Kino werbend. Traurigkeit ist wohl eine angemessene Emotion für derart schludrigen Sprachgebrauch.

Wolkenemotionen über Schwarzrheindorf

Sonntag: Wesentliche Aktivitäten des Tages waren die Lektüre der Sonntagszeitung, ohne bloggenswerte Erkenntnisse, und ein längerer Spaziergang auf die andere Rheinseite bei sonnigem Herbstwetter. Gegen Ende hatte unerwartet der Lieblingsbiergarten geöffnet, was für das vielleicht letzte Freiluftbier des Jahres genutzt wurde, ehe bald wieder Glühwein das Freiluftgetränk der Wahl ist.

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Kommen Sie gut durch die Woche.