Montag: Der erste Tag in Mitteleuropäischer Zeit, umgangssprachlich auch als Winterzeit bezeichnet, verlief insgesamt angenehm; dafür, dass die Herbstferien vorüber sind, war es am Arbeitsplatz vergleichsweise ruhig.
Manchmal scheint es, man hätte mir auf die Seele geschaut und das dort vorgefundene notiert. Zum Beispiel Frau Anje, bei der dieses zu lesen ist:
„Dazu kommt, dass mein Interesse an anderen Menschen deutlich unterausgeprägt ist. Manchmal bekomme ich durch Zufall mit, was andere Menschen so machen oder planen und es kommt öfter vor, dass ich dann innerlich die Augen verdrehe, äußerlich versuche ich dann aber meist krampfhaft, mir nichts anmerken zu lassen, eben weil ich finde, es geht mich nichts an, soll doch jeder selber tun, was er für richtig hält.“
Erst heute Mittag in der Kantine empfand ich wieder so, als die Mitesser ausführlich ihre Kinder besprachen. Dankenswerterweise versuchten sie gar nicht erst, mich in das Gespräch einzubeziehen; mangels Kenntnis und Interesse hätte ich nichts dazu beitragen können. Wie bei Fußball, Autos, Serien und Skiurlaub.
Dienstag: Morgens während einer hochrangig besetzten Informationsveranstaltung zum bevorstehenden Weihnachtsgeschäft äußerte sich der IT-Chef zufrieden mit der Stabilität der Systeme. Wenige Stunden später trat eine umfangreiche Störung ein, die bis zu meinem Arbeitsende nicht behoben war und zu deren Behebung ich auch nichts beitragen konnte. Vielleicht hätte er besser nichts gesagt.
Mittwoch: Die IT-Störung konnte bereits gestern Abend behoben werden. Nach bisherigen Erkenntnissen sind keine Menschen zu Schaden gekommen.
Im Anschluss an den Werktag war ich letztmals zur Physiotherapie wegen Rücken. Das hintere Zwicken ist nicht ganz behoben, immerhin nur noch in einem Maße zu spüren, das ich als altersgerechte Begleiterscheinung zu akzeptieren bereit bin. Vielleicht habe ich mich auch einfach daran gewöhnt. Was will man machen, besser wird es voraussichtlich nicht.
Abends besuchte ich die Lesebühne in einer nahegelegenen Kneipe. Beim nächsten Mal, das zugleich das letzte Mal ist, da die Kneipe Ende des Jahres schließt, darf ich dort auch was lesen. Darauf freue ich mich.
Donnerstag: Morgens auf dem Fußweg ins Werk sah ich einen Silberstreif am Horizont. Ansonsten freute ich mich mittags über roten Wackelpudding zum Dessert und ganztägig auf das bevorstehende lange Wochenende. Viel mehr Berichtenswertes bot der Tag nicht, muss ja auch nicht.

Vielleicht noch das: Aus hier nicht näher darzulegenden Gründen empfiehlt es sich, beim Kauf von Erdbeermilch die Augen aufzuhalten. Wie schnell labt man sich an Erdbeer-Limes und wundert sich zunächst ob unerwarteter Schärfe, später ungeplanter Lustigkeit.
Freitag: Bei aller Skepsis gegenüber der Katholischen Kirche und überhaupt Religionen jedweden Glaubensbekenntnisses, die Sache mit den arbeitsfreien Feiertagen auch für Anders- und Ungläubige finde ich immer wieder gut geregelt, dafür auch mal dankbar sein, nicht immer nur kritisieren. Heute also Allerheiligen, warum auch nicht.
Als morgens die Vorhänge des Schlafzimmers aufgezogen wurden, zeigte sich der Tag novemberlich trüb, als nehme die Meteorologie irgendeine Rücksicht auf den Kalender. Ich mag den November. „Die Bestattungsbranche wächst“ wird im Radio gemeldet, während ich noch im Bett liege. Gestorben wird immer, nicht nur im November, wenigstens darauf kann man sich verlassen in diesen Zeiten.
Samstag: Offenbar bin ich nachts nur knapp einem feigen Anschlag entgangen. Nach dem Aufstehen fand sich an meiner Liegestelle, wo ich mich zuvor behaglich im Tuche gewälzt hatte, eine ausgewachsene Stecknadel. Das hätte ins Auge oder vielmehr andere Körperteile gehen können.
In der Zeitung lese ich von der Gruppe „Liste undogmatischer Student*innen“ und muss etwas grinsen. Ebenso über das Wort „Wirkungstrinken“ in einem anderen Artikel über Alkoholverzehr in der Tierwelt, für das ich Verwendung in meinem Wortschatz sehe.
Die erste Verwendungsgelegenheit ergab sich bereits am Abend beim Ordensfest der Karnevalsgesellschaft, wo die neue Session begrüßt wurde. Die Uniform passt noch, jedenfalls meine, was nicht selbstverständlich ist. Schon mancher wunderte sich, wenn Hosenbund und Weste nach mehrmonatiger Nichtnutzung eingelaufen sind.
Sonntag: Manchmal wirkt das Wirkungstrinken etwas nach bis in den Folgetag hinein. Zur Linderung haben sich längere Spaziergänge bewährt. Heute erweiterte ich das übliche Spazierrevier um einen Gang durch Poppelsdorf und das Melbtal bis nach Ippendorf, zurück mit dem Bus. Immer wieder erstaunlich, welch idyllische Wege es nur eine Gehstunde von der Haustür entfernt gibt, die mir bislang unbekannt waren.


Laut einer Umfrage glauben fast dreißig Prozent an Spuk und Geister in der eigenen Wohnung, steht in der Sonntagszeitung. Vielleicht haben die auch schon Stecknadeln oder Schlimmeres im Bett vorgefunden, oder die Hose ist auf unerklärliche Weise eingelaufen.

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Kommen Sie gut durch die Woche.
