Ich kauf mir was

Bald ist Weihnachten. Weihnachten ist das Fest des Schenkens, weil vor gut zweitausend Jahren angeblich drei Männer mit Migrationshintergrund Baumharze und Edelmetall nach Bethlehem trugen, um einen Säugling damit zu beschenken; ob der sich darüber freute, ist nicht überliefert. Aber das ist eine andere Geschichte mit bis heute weitreichenden Folgen wie Zölibat und Staatsleistungen.

Vor dem Schenken kommt das Kaufen. Hierzu schuf der Herr, also nicht der im Himmel, sondern einer aus Amerika, Konsumfeiertage mit klangvollen Namen wie Black Friday und Cyber Monday, aus China kam noch der Singles Day dazu, auf dass das Volk Zeug kaufe, was es nicht benötigt, das aber gerade besonders günstig angeboten wird. Wie kürzlich zu lesen war, haben diese Feiertage ihre große Zukunft bereits hinter sich, weil die Chinesen uns nun dauerhaft mit Billigwaren beglücken.

Unser Gesellschaftsmodell baut darauf auf, dass möglichst viel gekauft wird, je mehr, desto besser, das heißt dann Wachstum. Egal ob Autos, Mobiltelefone, Lippenstifte, überteuerte Schokolade mit zweifelhaft-grünlicher Matschfüllung oder Mittelstreckenraketen – am Konsum hängen Arbeitsplätze und Wohlstand. Das bleibt nicht ohne Folgen für Eichen und Eisbär, doch weniger oder nichts zu kaufen ist aus den oben genannten Gründen keine Lösung. (Konsumkritische Gruppen rufen seit einiger Zeit nach dem schwarzen Freitag zum Kauf-nix-Samstag auf, meines Wissens ohne größere Wirkung.)

Für mich selbst habe ich schon vor längerer Zeit beschlossen, dem allgemeinen Kaufruf nicht zu folgen. Was ist nicht benötige, bleibt ungekauft. Was es nur bei Amazon gibt, gibt es für mich nicht. Für Temu, Shein und wie sie alle heißen empfinde ich fades Desinteresse, von ihnen eingeblendete Werbeanzeigen beim Aufruf der Wetter-App laufen bei mir ins Leere. Überhaupt halte ich mich bezüglich Werbung für ziemlich immun, manche Reklamen sind eher ein Grund, die angepriesenen Produkte zu meiden, man denke an Seitenbacher mit dem hysterischen Schwaben oder Kijimea oder dem ungezogenen Kind.

Ganz anders eine nahestehende Person, die gerne und viel kauft, was im Angebot ist: Schuhe, Hemden, Geschirr mit saisonwechselnden Motiven, Gläser, Kaffee, Tee, Küchengeräte, auch Spuren einer glücklicherweise vergangenen Bleikristalphase sind noch in den Schränken zu finden. Und wenn ein Gebrauchsgegenstand wie eine Gartenschere oder ein Saugpömpel, von dem ein Exemplar je Haushalt üblicherweise völlig ausreicht, besonders günstig ist, werden davon gleich drei gekauft, man weiß ja nie. Unseren Keller und die Garage möchten Sie nicht sehen. Ich prangere das nicht an, so bleibt die Wirtschaft in Schwung, siehe oben.

Manchmal wird ausgemistet, immerhin. Kleidung wird dann, manchmal noch mit Original-Etiketten, als Spende zu Oxfam gebracht, andere Gegenstände landen in einem der noch zu wenigen Tauschhäuschen in der Stadt, auf dem Stromkasten um die Ecke oder, wenn die Nachbarin im Erdgeschoss Urlaub hat, auf deren Treppenabsatz vor dem Haus, mit dem üblichen Zettel „Zu verschenken“. Immer wieder erstaunlich, wie schnell die Sachen Abnehmer finden, selbst ausgemusterte elektrische Zahnbürsten, Backmischungen, Kaffeepads, Teebeutel und Tassen mit zweifelhaften Motiven.

Symbolbild

Doch ab und zu überkommt es auch mich. Nicht oft, dafür teuer. Eine Lokomotive für die Modellbahn, die in der Sammlung bislang fehlte. Oder wenn mir eine Armbanduhr besonders gefällt, weil sie schlicht vom Design und nicht klobig ist, außer der Zeit- und maximal Datumsanzeige nicht mit weiteren Funktionen überladen ist. Dann kann schon mal ein hoher dreistelliger bis unterer vierstelliger Betrag die Bankkarte belasten. In eine solche Uhr verliebte ich mich vor einiger Zeit spontan, nachdem ich sie im Katalog des Händlers, bei dem es sie noch gibt, die guten Sachen, gesehen hatte und sie umgehend in der örtlichen Filiale erwarb. Dabei habe ich genug Uhren, wobei man fragen kann, wie viele Uhren genug sind: eine? Zwei? Zehn? Braucht man im Zeitalter des allgegenwärtigen Datengeräts überhaupt noch eine Armbanduhr? Ich schon, ohne fühle ich mich unvollständig bekleidet.

Oder der Baumwollanzug, schmal geschnitten, den ich vor einigen Jahren im Schaufenster eines höherpreisigen Bekleidungsgeschäfts in der Innenstadt sah. Der Preis schreckte mich zunächst ab, doch nachdem ich das Schaufenster noch einige Male passiert hatte und mir die Schaufensterpuppe irgendwann zuzuzwinkern schien, betrat ich das Geschäft, wenigsten anprobieren konnte ich ihn ja mal, zudem bestand Hoffnung, dass sie ihn nicht in meiner Größe hatten. Indes – er passte perfekt und trug sich äußerst bequem. Noch heute hängt er in meinem Kleiderschrank, er passt immer noch, obwohl auch bei mir der Zeiger der Waage mittlerweile deutlich weiter nach rechts ausschlägt als beim Kauf. Leider trage ich ihn nur noch selten, weil sich die Büromode seit der Coronazeit geändert hat in Richtung Jeans und Pulli, einerseits gut, andererseits ein wenig schade. Manchmal ziehe ich ihn noch an, dann falle ich auf, das ist es mir wert.

Das bislang letzte Objekt meiner Spontanverliebtheit war ein Paar Maßschuhe, die ich im Schaufenster eines Schuhmachers in der Nebenstraße sah, schlichte schwarze Lederschuhe. Die musste ich haben, genau die, auch wenn dafür mehrere Vermessungs- und Anprobetermine wahrzunehmen waren und mehrere Monate vergingen, ehe ich die fertigen Schuhe abholen konnte und dafür einen Preis zahlte, zu dem ich im gewöhnliches Schuhhandel zehn Paare bekommen hätte. Immerhin besteht die Hoffnung, dass sie bis zu meinem Lebensende halten. Über die Möglichkeit, dass künftige Reparaturen so teuer werden wie ein neues Paar im Kaufhof, sehe ich großzügig hinweg. Jedenfalls harmonieren sie perfekt mit dem Anzug.

Bei solchen Anlässen verwende ich keine Zeit darauf, andere Angebote zu recherchieren, ob es vielleicht dasselbe oder ein vergleichbares Produkt woanders günstiger gibt. Genau so, wie ich es sehe, will ich es haben, nichts anderes und am liebsten sofort, der Preis ist nicht so wichtig. Ich glaube, ich bin ein ganz guter Konsument.

Es gäbe noch vieles mehr zu schreiben über dieses Thema, doch will ich Sie nicht länger aufhalten. Sie müssen ja bestimmt noch einige Weihnachtsgeschenke besorgen.