Umweltsau

Ich bin eine Umweltsau, weil ich …

… Fleisch esse. Alle Bemühungen, es einzuschränken, waren bislang vergebens. Immerhin wähle ich mittlerweile in der Kantine ab und zu und somit öfter als früher ein vegetarisches Gericht, der Wille zur Besserung ist also erkennbar. Außerdem kann man von einem Tiger nicht erwarten, dass er Gras frisst.

… Nespresso trinke, mehr aus Gewohnheit denn Überzeugung, wobei der Kaffee schon ziemlich gut ist. Daran etwas zu ändern dürfte in diesem Haushalt schwer durchzusetzen sein. Ich kann es ja mal versuchen, wenn die aktuelle Maschine defekt wird; bislang wurden die mit großer Verlässlichkeit nach ein paar Jahren undicht.

… Dampflokomotiven toll finde und einen Verein unterstütze, der welche bewahrt und betreibt, wenn auch nur manchmal am Wochenende und ziemlich kleine. Trotzdem, auch die werden mit Kohle gefüttert.

… mir bislang wenig Mühe gebe, möglichst ohne Plastik auszukommen. Immerhin nehme ich beim Einkaufen schon lange keine Plastiktüten mehr.

… täglich dusche. Na ja, ob einmal wöchentlich Baden eine sinnvolle Alternative ist, darf bezweifelt werden.

… eine klassische Glühbirne in meiner Schreibtischlampe habe und die toll finde. Als der Verkauf von Glühbirnen zu Ende ging, habe ich mir sogar noch einen Vorrat angelegt.

KW5 - 1

… schonmal eine kaputte Energiesparlampe im Hausmüll entsorgt habe und mir dabei vorkam wie ein Rebell.

… ich mich nur wohlfühle bei mindestens dreiundzwanzig Grad in der Wohnung.

Ich bin keine Umweltsau, weil ich …

… kaum Auto fahre, stattdessen Bahn und (ab und zu, wenn es nicht regnet und/oder kalt ist) Fahrrad.

… Flugreisen meide.

… auf Kreuzfahrten verzichte. Nicht nur aus Umweltgründen.

… Skiurlaub, womöglich mit Schnee aus der Kanone, absurd finde.

… keinen Kaffee aus Pappbechern trinke. Überhaupt gibt es keinen vernünftigen Grund, mit einem Kaffee durch die Gegend zu laufen.

… nicht sterbe, wenn eine Frage unbeantwortet bleibt, weil ich nicht sofort Google, Siri oder Bing frage.

… ich nicht (mehr) rauche und anschließend die Zigarettenkippen in die Gegend werfe.

… nur selten neue Klamotten kaufe, und wenn, dann im Laden und nicht im Netz.

… keine Kinder in die Welt setze. Mehr kann man als Einzelner wohl nicht tun.  (Sie dürfen mich wegen dieser These gerne beschimpfen.)

Weitere Optimierungen sind denkbar. So könnte ich Wasser sparen, indem ich mich des Morgenstrahles beim Duschen entledige. Das würde indes zu Diskussionen führen, die die um die Nespressomaschine in den Schatten stellten.

Im Übrigen bin ich überzeugt, ohne es zu wissen oder beweisen zu können, dass die viel bejubelten Elektroautos und -fahrräder ebenso wenig eine Lösung sind wie vegane Leberwurst. Elektroroller schon gar nicht.

Ansonsten fürchte ich, auch dafür dürfen Sie mich meinethalben beschimpfen, es ist bereits zu spät, um den Klimawandel noch aufzuhalten. Was indes kein Grund ist, es nicht mehr zu versuchen.

Die Bösen sind immer die anderen

Es herrscht Krieg. Jedenfalls wenn man in diesen Tagen der Berichterstattung der führenden örtlichen Tageszeitung und den zugehörigen Leserbriefen Glauben schenkt. Als unversöhnliche Konfliktparteien stehen sich gegenüber: Fußgänger und Radfahrer. Vor allem in der Innenstadt und am Rheinufer, wobei laut Kriegsberichterstattung die Fußgänger die Guten und die Radfahrer die Bösen sind. Rücksichtslos mähen sie ohne Vorwarnung und Ansehen von Person, Rang und Namen jeden nieder, der ihnen vor den Reifen läuft; im günstigsten Fall kommt der Flaneur mit einer wüsten Beschimpfung davon.

In einem Leserbrief beklagte sich beispielsweise eine Dame aus Bad Godesberg, an einem heißen Sommertag sei es ihr nur mit Mühe und unter Lebensgefahr gelungen, durch den nicht endenden Strom von Radrasern ihren Hund an den Rhein zu führen, auf dass er sich an den kühlen Fluten labe. Hundehalter sind ja auch so eine Zunft, welcher es mühelos gelingt, alle anderen gegen sich aufzubringen, allein schon durch ihre Auffassung, Hundeleinen seien eine Zumutung für ihre kleinen Kacker.

Ich bin auch Radfahrer, also potentiell böse. Zugegeben, meine velicopedischen Aktivitäten beschränken sich auf Phasen günstiger Witterungsverhältnisse, also kein Regen, noch Sturm oder Hagel, zudem nur bei Temperaturen oberhalb zwanzig Grad. Also eine überschaubare Anzahl von Tagen im Jahr. Aber dann fahre ich gerne, auch am Rheinufer, nicht so gerne hingegen in der Innenstadt.

Und ich bin Fußgänger, ständig, mit großer Begeisterung, auch bei Regen und unter zwanzig Grad. Somit bin ich auch einer von den Guten. Ungefähr einmal in der Woche gehe ich zu Fuß ins Büro, entlang des berüchtigten Rheinufers. Zweimal in der Woche laufe ich zudem, ebenfalls bevorzugt am Rheinufer. Es sei denn, es ist zu warm, zu kalt, zu stürmisch oder zu glatt, oder ich habe gerade keine Zeit oder Lust. Bei Regen laufe ich indes sehr gerne, es hat etwas geradezu Erotisches, bitte verzeihen Sie meine Vorlieben. Ich liebe es, mir anschließend die durchnässten Klamotten vom Leib zu reißen und mich unter der Dusche wärmende Strahlen zu stellen. – Ich schweife ab.

Zurück zu den kriegerischen Auseinandersetzungen. Einige der geschilderten Beobachtungen kann ich bestätigen. Die Schlimmsten sind auch nach meiner Beobachtung die mit den bunten Kampfanzügen – zumeist Männer mittleren Alters. Sie rasen, als hätten sie einen wütenden Wespenschwarm hinter sich, überholen an den engsten Stellen, auch bei Gegenverkehr, und machen dabei ein Gesicht, als zwänge sie eine unsichtbare Macht oder vorgenannter Wespenschwarm, bei vierzig Grad den Gipfel des Mont Ventoux in einer neuen Rekordzeit zu bezwingen. Die Allerschlimmsten rasieren sich dazu auch noch die Beine, aber ich schweife schon wieder ab.

Zwei Begegnungen mit den rasenden Wahnsinnigen sind mir in Erinnerung geblieben. Einmal als Fußgänger: Da der Radweg am Rheinufer wegen Baumschnitts gesperrt war, mussten sich beide Parteien den relativ schmalen verbleibenden Streifen teilen. Das war für einen entgegenkommenden Radler indes kein Argument, sein Tempo zu drosseln, und wäre ich nicht in letzter Sekunde beiseite gesprungen, könnte ich diese Zeilen heute wohl nicht mehr niederschreiben. Leider war ich in dem Moment viel zu verdutzt, um ihn anzurempeln oder ihm wenigstens ein „Arschloch!“ oder „Fahr zur Hölle!“ hinterherzurufen.

Das andere Mal, in diesem Fall gehörte ich zu den Bösen, wäre ich fast mit einem von diesen pinkfarbenen Essensausfahrern mit den irrsinnig großen Tornistern kollidiert, der mit nahezu Lichtgeschwindigkeit rechts vorbeizog, während ich gerade im Begriff war, rechts abzubiegen. Meinen Ausruf „Trottel!“ wird er nicht gehört haben, da er dem Schall voranfuhr.

Nun zu den Guten. Aus gutem Grund sind dort, wo es der Platz erlaubt, auch am Rheinufer, Rad- und Fußweg für jedermann erkennbar getrennt. Das hindert viele Fußgänger und Läufer nicht daran, mit eigentümlicher Selbstverständlichkeit ihren Pfad zu verlassen und alleine, zu mehreren oder mit dem dreirädrigen Hochgeschwindigkeitskinderwagen die den Radlern vorbehaltene Spur für sich in Anspruch zu nehmen. Oder sie kommen unvermittelt seitlich aus dem Gebüsch und empören sich über das warnende Klingeln. In solchen Momenten wünsche ich mir die Laufklingel aus Kindheitstagen zurück: Man zieht an einem Hebelchen, und das Geläut ähnlich einer Straßenbahn oder einem Eiswagen, der die Kinder der Siedlung anzulocken sucht, hebt an. Aus mir unerfindlichen Gründen sind Laufklingeln schon lange verboten. Eiswagen kommen auch nicht mehr in die Siedlung, vielleicht bringen das Eis jetzt auch die pinken Überschallboten.

Und nun? Der Krieg wird weiter toben, weil Vorgenannte unversöhnlich gegenüber stehen. Die Bösen sind immer die anderen. Dabei ist es eigentlich nicht so schwierig: blieben Radfahrer auf Rad- und Fußgänger auf Fußwegen, wären wir dem Weltfrieden ein Stück näher. Und wo das nicht möglich ist, würde ein wenig gegenseitige Rücksichtnahme helfen. Aber dann erfindet bestimmt wieder einer so etwas wie Pokemon Go.