Montag: An den inflationären Gebrauch des Wortes „spannend“ als Synonym für interessant hat man sich inzwischen gewöhnt, selbst Pilze und Schnecken können heutzutage spannend sein. Eine gewisse Steigerung stellt da die Ankündigung von „exciting news“ dar, heute gleich zweimal in unterschiedlichen Zusammenhängen gelesen. Meine Aufregung über das derartig Verkündete hielt sich in Grenzen.
Dienstag: Der strahlende Sonnenschein bildete einen deutlichen Kontrast zum kalten Wind, der mir morgens auf dem Fußweg ins Werk entgegen blies. Auch die Läufer am Rheinufer liefen überwiegend langebehost, wer wollte es ihnen verdenken. Verdenken kann man einigen von ihnen allenfalls, dass sie dabei konsequent und ohne Not auf dem Radweg laufen, das aber unabhängig von Temperatur und Hosenlänge.
Nachmittags hatte ich einen Termin beim Hals-Nasen-Ohren-Arzt, um das Hörvermögen mal wieder überprüfen zu lassen. Während ich – wie schon mehrfach geschrieben – es keineswegs als Nachteil empfinde, nicht mehr alles so genau zu hören, erst recht nicht das Gerede fremder Menschen am Nebentisch oder in der Bahn, liegt mir der Liebste schon lange in den Ohren, endlich was gegen meine Hörschwäche bei Hintergrundgeräuschen zu unternehmen. Indes der Befund: Keine Verschlechterung zum letzten Mal, weiterhin keine Hörhilfe erforderlich. Mit meinem Hinweis, er müsse einfach deutlicher sprechen, wenn wir etwa in einer Gaststätte sind, stoße ich regelmäßig auf taube Ohren.
Wie mir Epubli schrieb, hat im Februar jemand mein Buch gekauft. Ich sage herzlichen Dank und wünsche viel Vergnügen damit.
Wie die Zeitung berichtet, hat in Gera ein Mann in der Straßenbahn seine Gattin mit einer brennbaren Flüssigkeit in Brand gesetzt. Dazu die Zeitung: „Die Tat in Gera lässt den Atem stocken: Am helllichten Tag brennt eine Frau“ – hätte er sie etwa besser abends anzünden sollen? „Das ist kein alltägliches Geschehen“, wird dazu eine Polizeisprecherin zitiert. Die Frau versteht ihr Hand- beziehungsweise Mundwerk.
Herr Gunkl schreibt: »Der* Erwiderung „Das ist polemisch!“ wird meist dann gebracht, wenn der Formulant dieses Vorwurfs gerade bemerkt hat, daß seine Argumente einem deutlichen, sauberen Schachmatt erlegen sind.«
*Das sollte wohl „Die“ heißen. Trotzdem treffend.
Mittwoch: Ein (mir) neuer Gruß aus der Küche der Kommunikationshölle erreichte mich morgens: „AFAICS“. Wie eine kurze Recherche ergab, steht das für „as far as I can see“. Soweit ich das sehe, vollendeter Bullshit.
In Zeiten zunehmender Falschmeldungen ist ein Abo für Qualitätsmedien gut angelegtes Geld: Laut Zeitung ist der Trigema-Chef Wolfgang Grupp im echten Leben niemals dem Affen Charlie begegnet. Für diese Nachricht zahlt man doch gerne.
Abends schrieb ich einige Zeilen an meinem nur langsam vorankommenden Romandings, das, so viel sei verraten, völlig ohne Liebe und Triebe auskommt. Es ist nicht so, dass mir dazu die Zeit fehlte, es mangelt nur am regelmäßigen Aufraffen und Machen. Ich weiß nicht, woran das liegt; dieses Blog regelmäßig zu befüllen schaffe ich ja auch.
Donnerstag: Da große Woche ist, musste ich heute arbeiten, das war nicht schlimm. Auf dem Rückweg erlaubte ich mir, da es deutlich milder geworden ist, das erste Freiluftbier der Saison, wofür die Norweger das Wort Utepils verwenden, ich erwähnte es schon in den Vorjahren. Ort des Genusses war der Außenbereich des Rheinpavillons, auf einer Schräge unmittelbar am Ufer, gleichsam auf (Bull-)Augenhöhe mit den Schiffen. Nächsten Donnerstag habe ich wieder frei, voraussichtlich ohne Freiluftbier, weil es wieder kühler werden soll. Haben die Norweger auch ein Wort für Bier in geschlossenen Räumen? Wobei der Bedarf für ein solches Wort überschaubar sein dürfte, aber hey, das gilt ja für viele Wörter, dennoch werden sie häufig hergeplappert. (Woher kommt eigentlich dieses pubertär-dämliche „aber hey“?)


Freitag: Eine nicht neue, heute bei Ankunft im Turm bestätigte Erkenntnis ist, manchen Menschen geht die Kombination der Wörter „guten“ und „Morgen“ nur schwer über die Lippen. Vielleicht hat man es ihnen nicht beigebracht. Das ist indes kein Hindernis, um Teamleiter zu werden.
Ebenfalls nicht neu die Frage, warum Toilettenkabinen nicht schall- und geruchsdicht gebaut werden. Zu den Dingen, die ich ganz besonders wenig schätze, gehört die akustische und olfaktorische Zeugenschaft anderer Leute Darmentleerung. Nicht zu Hause und erst recht nicht in Gemeinschafts-Verrichtungsorten wie in Bürogebäuden und Gaststätten.
„Älterwerden hat nicht viele, aber doch einige Vorteile“ schreibt Kurt Kister in seiner wöchentlichen Kolumne Deutscher Alltag, die ich seit heute nach Neuanmeldung wieder empfange, nachdem ich aus rätselhaften Gründen schon zweimal aus dem Verteiler gefallen bin.
Der Meister des Symbolbilds stellt wieder sein Können unter Beweis:

Samstag: In der Inneren Nordstadt hat die Kirschblüte begonnen und sie lockt die ersten Fotografenden an. Falls auch Sie deswegen in nächster Zeit eine Reise nach Bonn planen, warten Sie noch etwas, die Bäume in den beiden Hauptblühstraßen brauchen noch etwa zwei Wochen, bislang sind nur erste, wenig fotogene Knospen erkennbar, die von einigen ebenfalls fotografiert werden, warum auch immer.

Sonntag: Ein großer Textilhändler in der Innenstadt bietet laut Schild im Schaufenster Styles ab 25,99€ an, wie ich während des Spaziergangs sah. Warum auch nicht. Ansonsten lockt der Frühling wieder zahlreiche Menschen nach draußen, das jahreszeittypische Nebeneinander von T-Shirts und Daunenjacken. Auch die Natur hat umgestellt auf Frühling: Forsythien und Magnolien stehen in voller Blüte, die Kastanien in der Südstadt bringen zartes Grün hervor. In der Außengastronomie auf dem Münsterplatz fand ich einen freien Platz, aus Vernunftgründen bestellte ich eine Limonade. Direkt gegenüber, am Fuße des Beethoven-Denkmals, säugte unter den Augen zahlreicher Cafébesucher eine Frau an freigelegter Brust ihr Kind, das für einen Säugling ungewöhnlich groß wirkte.
Zum guten Schluss: Erfreulich in dieser Woche waren der Hörbefund, das erste Freiluftbier und mehrere geschriebene Zeilen.
***
Ich wünsche Ihnen eine angenehme Woche.

Sehr geschätzter Herr Kubicki,
ohne Ihr Vergnügen über den erfreulichen Hörbefund schmälern oder die Expertise Ihres Hals-Nasen-Ohren-Arztes bezweifeln zu wollen, sollten Sie die Beobachtungen Ihres Liebsten doch ernst nehmen. Erfahrungsgemäß wird im sozialen Umfeld am ehesten bemerkt, wenn sich eine Altersschwerhörigkeit (Anmerkung: beginnt mit dem 25. Lebensjahr…) einschleicht. Ihr Wunsch, Ihr Partner möge in bestimmten Situationen einfach deutlicher sprechen, weist doch eher auf Verluste hin.
Fragen, die sich mir stellen, da die Ergebnisse des Tests für Sie nicht auf Höreinschränkungen hinweisen: War der Testraum schallgedämmt? Wurde ein Sprachaudiogramm gemacht? Mit Störlärm? Das dichotische Hören überprüft? Wurde das Audiogramm mit Ihnen besprochen, die Sprachniere mit einbezogen?
Mir ist dieses Thema zum einen vom Beruf her vertraut, zum anderen musste ich es mit meinem Liebsten in den letzten Jahren diskutieren/verhandeln/erdulden. Erst nach dem Besuch bei einem Hörgeräteakustiker, einem Hörtest dort mit der entsprechenden Auswertung und dem Aufzeigen der Auswirkungen schon leichter Hörbeeinträchtigungen auf das Sprachverstehen konnte er sich durchringen, sich ein Hörgerät verschreiben zu lassen. Wobei der HNO-Arzt meinte, das sei eigentlich noch nicht dringend nötig… Da bin ich anderer Meinung. Ihr Liebster wohl auch.
Falls Sie meine Mail überflüssig und anmaßend finden, in den Papierkorb damit! Falls nicht, würde ich mich freuen, wenn Sie sich zu einem weiteren Hörtest unter den o.g. Bedingungen durchringen könnten.
Auch Ihnen eine erfreuliche Woche, Grüße aus dem Süden
Ulrike Arndt
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Liebe Frau Arndt, vielen Dank für die detaillierten Hinweise. All das wurde nicht gemacht, vielleicht war ich etwas zu vertrauensselig gegenüber der ärztlichen Kompetenz. Bei nächster Gelegenheit werde ich das ansprechen.
Herzliche Grüße
Carsten Kubicki
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Lieber Postwestfale,
vielen Dank für den Blogbeitrag, den ich mal wieder gerne gelesen habe. Ihre Bemerkungen zu dem „nur langsam vorankommenden Romandings“, verstehe ich allzu gut. Denn auch mir fehlt als Rentnerin gewiss nicht die Zeit, an meinem Roman zu arbeiten, auch mir mangelt es „nur am regelmäßigen Aufraffen und Machen“. Und auch ich weiß nicht, woran es liegt. Ich habe, das schwöre ich, in den fast 40 Jahren, in denen ich mit Schreiben mein Geld verdient habe, alle Abgabetermine eingehalten. Herzliche Grüße von Ihrer Leidensgenossin
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Wir bleiben dran!
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