Woche 14/2023: Posende PS-Äffchen und Ankunftsgetränk in der Außengastronomie

Montag: Die Bürger von Paris konnten gestern darüber abstimmen, ob man in ihrer Stadt weiterhin Elektroroller mieten können soll. Die Beteiligung war gering, das Ergebnis eindeutig: Fast neunzig Prozent der Abstimmenden stimmten für die Abschaffung. Das ist bedauerlich für all diejenigen, die für sich in den Rollern eine Alternative zum Kraftfahrzeug sehen, die damit in angemessener Geschwindigkeit auf den vorgesehenen Wegen und Spuren fahren und sie hinterher so abstellen, dass sie niemandem im Wege stehen. Aber auch nur für die. Ende August werden die Dinger aus dem Pariser Stadtbild verschwinden. Sollte es in Bonn jemals eine solche Abstimmung geben, wüsste ich, wo mein Kreuzchen zu machen ist.

Dienstag: Zu den ersten Geschäftigkeiten eines jeden Tages gehört nach mehr oder weniger erfolgreicher Inbetriebnahme des Körpers ein erster Blick in die Tageszeitung. Dort las ich die Artikelüberschrift »Anzeige nach Raddemo-Vorfall«. Raddemo? Was soll das sein? Eine neuartige Krankheit? Eine Glaubensrichtung? Eine perfide Methode, anderen Geld und Gut abzunehmen? Erst bei weiterem Lesen verstand ich: Es ging um eine polizeiliche Maßnahme während einer Fahrrad-Demonstration am vergangenen Wochenende. Ein Bindestrich wirkt manchmal Wunder.

Ansonsten ging ich dienstagsüblich zu Fuß ins Werk …

Magnolienblütenpracht am Rheinufer

… und wieder zurück.

Abendsonne über Beuel

Mittwoch: Als Wort der Woche hat wohl „beispiellos“ gute Chancen. Jedenfalls kommt kaum ein Pressebericht über den Gerichtstermin eines gewissen Donald Trump ohne seine Verwendung daher.

In Bad Godesberg wird übernächste Woche Samstag von 10 bis 17:30 Uhr ein „Wut-Trainig für Erwachsene“ angeboten, ausdrücklich auch für „Menschen, die wenig bis keine Wut spüren“. Wenn Sie also gerne etwas wütender wären, melden Sie sich gerne wegen der Kontaktdaten.

Übrigens sind hier alle Texte garantiert handgemacht. Sollte zur Erstellung ausnahmsweise eine künstliche Intelligenz zum Einsatz kommen, wird ausdrücklich darauf hingewiesen.

Donnerstag: Der Tag begann sonnig und nicht mehr ganz so eisig wie die letzten. Auf dem Fußweg ins Werk sah ich an einem Lampenpfahl einen Aufkleber mit der Aufschrift »Freiheit für alle Gelenke« mit jeweils links und rechts einer schwarzen Hand. Wer lässt solche Aufkleber drucken, und warum?

Ansonsten war es nicht nur der letzte Arbeitstag vor Ostern, sondern auch vor einer Woche Urlaub in Avignon, der ich angesichts der derzeitigen Unruhen in Frankreich mit etwas gemischten Gefühlen entgegen sehe. Wird schon, immer optimistisch bleiben und nicht gleich die Katastrophe erwarten.

Die Abendstimmung ist von Reisevorabendunruhe geprägt: Der eine fühlt sich gehetzt und murrt, der andere lässt sich davon anstecken und murrt zurück. Alles wie immer. Nur der Chronist bewahrt bei einem Osterfestbier die Ruhe.

Freitag: Die gereizte Stimmung setzte sich am Morgen zunächst fort, legte sich jedoch mit dem ersten Becher Sekt kurz nach Abfahrt, selbstverständlich nicht für den Fahrer.

An der Tankstelle im Bonner Norden rotteten sich junge Männer zweifelhaften Charakters mit ihren mehr oder weniger auffälligen Autos zusammen, vermutlich zur örtlichen Car-Freitags-Prozession. Passend dazu wurde im Radio „Drive“ von The Cars gespielt.

Davon unbehelligt verlief die Fahrt zu unserem ersten Etappenziel, Beaune im Burgund, entspannt.

Wetter über Dijon

Anschrift an einem Zementwerk bei Dijon: „dijon béton“. Eine reizvolle Melange aus profaner Produktionsstätte und Poesie.

Nach Ankunft unternahmen wir einen Gang durch den Ort, wurden jedoch bald vom Regen in eine Weingaststätte getrieben. Was soll man machen. Abends aßen wir in einem vorzüglichen Restaurant, wo der Liebste Souveränität bei der Weinbestellung bewies: „pour le fish is‘n bisschen strong.“ Mehrsprachig kann er.

Beaune nach dem Regen

Samstag: Die Weiterreise nach Avignon verlief angenehm, mit dem üblichen Stau bei Valence, nachdem uns die künstliche Navigationsintelligenz staumeidend um Lyon herumgeleitet hatte.

Von der Autobahn aus sah man leuchtende Rapsfelder und Lavendel, der bis zur Postkartenblüte noch ungefähr zwei Monate braucht.

Hier in Avignon haben wir eine schöne Ferienwohnung an einem zentralen Platz nahe der Markthalle bezogen. Die Sonne scheint, die Temperatur ist mild, für manche schon Kurzehosenwetter, während ich beim Ankunftsgetränk in der Außengastronomie immerhin den Reißverschluss der Daunenjacke ein paar Zähne öffnete.

Kurz nach Ankunft am Place Pie

Abends beim Essen war vor dem Restaurant ein bizarrer Vorgang zu beobachten: Eine Gruppe Soldatinnen und Soldaten bezog Stellung, mit gezückten Waffen blickten sie in alle Richtungen und verharrten. Nachdem der Feind es vorgezogen hatte, nicht in Erscheinung zu treten, zogen sie weiter. Etwa eine Stunde später wiederholte sich das ganze. Ansonsten blieb es friedlich.

Sonntag: Bereits am frühen Morgen drehte eine Kehrmaschine dröhnend ihre Runden über den Platz, auf dass er in österlicher Reinheit erstrahle. Ich frage mich, warum die Dinger so laut sein müssen. Vielleicht ist das eine gesetzliche Vorgabe, damit niemand in einem unachtsamen Moment, vielleicht abgelenkt vom Datengerät, unter die rotierenden Bürsten gerät. So wie Elektroautos seit geraumer Zeit einen Teil der geladenen Energie in Geräusch umsetzen müssen, wobei ich den Akustikdesignern dankbar bin für das neutrale Surren. Sie hätten stattdessen auch knallende Motoren simulieren können, um posende PS-Äffchen für die Elektromobilität zu gewinnen.

Nach dem Frühstück gingen wir in die Markthalle, wo bereits Rosé gereicht wurde, danach ein wenig durch die Stadt, wie weitere zahlreiche Touristen.

Protest
Handwerkskunst
Lieblingsplatz
Der Mont Ventoux

Einen Teil des Tages verbrachte ich damit, per Whatsapp übermittelte Ostergrußbildchen zu sichten und wegzuwischen. Für sowas müsste es automatische Filter geben.

***

Ich wünsche Ihnen, je nach Glaubensbekenntnis, frohe Ostern oder wenigstens einen angenehmen, möglichst arbeitsfreien Montag. Kommen Sie gut durch die Woche.

3 Gedanken zu “Woche 14/2023: Posende PS-Äffchen und Ankunftsgetränk in der Außengastronomie

  1. SmileySmile77 April 14, 2023 / 20:12

    Auch wenn es zur Situation passte ist „Drive“ trotz Titel und Bandname wahrscheinlich noch niemals zur Untermalung eines Straßenrennens eingesetzt worden.

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