Montag: Morgens klagte der Geliebte, weil er sich im letzten Wochenrückblick nicht angemessen durch den Kakao gezogen fühlte. Ich gelobe Besserung.
Mittags gab es in der Kantine tomatisierten Eintopf. Dieses Wort war mir bis heute ohne die Vorsilbe „au“ unbekannt, wobei es mit bei Eintopf wenig Sinn ergäbe.
Ansonsten war es heute sehr kalt, was mich indes nicht davon abhielt, gleichsam wie ein Mann mit dem Fahrrad ins Werk und zurück zu fahren. Zum Auftauen wurde abends gegen nur geringen Widerstand des Geliebten nach langer Zeit mal wieder der Ofen angeheizt.
Angeheizt auch die Stimmung am vergangenen Wochenende auf dem AfD-Parteitag. Dazu der General-Anzeiger: „Mag der Schnelle Brüter in Kalkar auch nie in Betrieb gegangen sein, der AfD-Chef erbringt den Nachweis, dass an dieser Stelle gleichwohl gewaltige Kettenreaktionen möglich sind.“ Manchmal finden sich in der Zeitung echte Satzperlen.
Dienstag: Morgens sprach ich mit Kollegen A, der ein festes Abonnement ausschließlich auf Themen zu haben scheint, deren Inhalt und Umfang nur in unflätigen Worten einigermaßen treffend zu klassifizieren sind. Ohne Sie mit konkreten Inhalten zu langweilen – in solchen Momenten merke ich, wie zufrieden ich mit meinen Arbeitsinhalten sein kann und auch bin. Dessen sollte man sich öfter bewusst sein, wenn das nächste Wochenende, der Urlaub oder der Ruhestand mal wieder in unerreichbarer Ferne erscheinen.
Manche Sätze sind von absurder Schönheit wie dieser, den Marcel Proust geschrieben haben soll: „Kenntnis der Notausgänge ist das schönste Welttheater.“
Vom Welt- zurück ins Bürotheater: „Alles tutti“, sagte die Kollegin, die auch „Joy Fixe“ sagt. Auch ganz schön. Nicht so schön dagegen: „Das sollten wir im Nachgang bilateral besprechen.“
Groteskes Theater in Thüringen: Abends in den heute-Nachrichten wurde in Hildburghausen, wo die Viren gerade eine wilde Party feiern, eine Frau wegen Ihrer Meinung zu Coronatests befragt, woraufhin sie sinngemäß allso sprach: „Das muss ja schließlich jeder selbst entscheiden. Außerdem …“ – mit Blick auf ihre kleine Tochter – „wenn ich mir vorstelle, so eine kleine Maus kriegt dieses Stäbchen in den Rachen gesteckt – also ich weiß nicht.“ In solchen Momenten möchte ich die Leute bilateral in unflätigen Worten anschreien.
Mittwoch: Unflätige Gedanken kamen mir am Morgen, nachdem den vorderen Fahrradreifen die Luft verlassen hatte, fast genau an derselben Stelle wie dreizehn Wochen zuvor den hinteren. Mehrere Kilometer zuvor war ich im Dunkel über etwas gefahren, das im Überfahren bedenklich knirschte und knackte, und da dachte ich schon: oh oh …
Die Kantine des Werks verkauft zurzeit nur zum Mitnehmen, ich berichtete unlängst, und Sicherheitspersonal wacht darüber, auf dass sich niemand ungebührlich lange dort aufhält. Das ist unschön, indes während des vorläufigen Dauerzustandes nicht zu beanstanden. Augenscheinlich erlaubt war hingegen, das Mitgenommene im Foyer des Mutterhauses zu verzehren, wo Einzeltische in großen Abständen platziert sind, wenngleich ich mich schon fragte, warum man hier sitzen durfte und dort nicht. Nun dachte ich so: Was nicht verboten ist, ist erlaubt, und was erlaubt ist, ist unbedenklich. Seit heute muss ich nicht länger darüber nachdenken, auch das Foyer ist nun abgesperrt.
Die Paketdienstleister bewältigen in diesen Tagen Rekordmengen. Früher feierten die Menschen zu Weihnachten die Geburt von Jesus. Heute den Gedeih von Bezos.
Abends flossen Tränen, nachdem ich meiner Skepsis gegen saisonales Lichterkettenwettrüsten, Konsumsucht und Geschenkewahn Ausdruck verliehen (nicht geschenkt) hatte. Das tut mir leid und war nicht beabsichtigt, gleichwohl stehe ich dazu, wobei ich es selbstverständlich akzeptiere, wenn viele Menschen es lieben und als notwendig erachten. Weihnachten ist auch in diesem Haushalt ein emotional geladenes Thema, wer hätte das gedacht. Und mit dem Titel „Weihnachtsa…loch“ kann ich leben, auch wenn er mir von einem verliehenen wurde, der glaubt, die Heiligen Drei Könige hätten Salbei, Dingsbums und Mürrisch gebracht.
Donnerstag: In vorübergehender Ermangelung eines Fahrrades und wegen eines unzeitig frühen Termins fuhr ich morgens nach längerer Zeit mal wieder mit der Bahn ins Werk. Die kam sieben Minuten zu spät; während ich in morgendlicher Bahnsteigmelancholie vor mich hin fror, formulierte ich einen weiteren Eintrag in der ungeschriebenen Liste der Dinge, die ich seit Monaten überhaupt nicht vermisse. Immerhin war die Bahn nicht besonders voll.
Als ich abends mit dem genesenen Fahrrad vor einer roten Ampel wartete, querte vor mir eine ältere Frau (keine Dame, wie Sie gleich lesen werden) die Straße, zog die Maske nach unten, schaute mich böse an und rief: „Asis!“ Ehe ich mich nach dem Grund ihrer Schmähung erkundigen konnte, war sie bereits um die Ecke verschwunden. Voll Asi, ey.
Es gibt Tage, an denen es scheinbar nichts zu bloggen gibt. Nun ist es nicht so, dass an diesen Tagen nichts passiert, nur eben nichts, was des Aufschreibens wert erscheint. Das kennt auch Thomas, er schreibt dazu diesen wunderschönen Satz: »Und “nichts erleben” kann man schließlich gar nicht, so lange man morgens aufwacht.«
Freitag: „Du musst dazu keine Powerpoint erstellen, eine Mail reicht mir“, wurde mir am Morgen bedeutet. Manchmal geschehen noch kleine Wunder.
Die Kantine bot Minutensteak an. Sekundenschlaf, Minutensteak, Stundenhotel, Tagesschau, Wochenbett, Monatsblutung, Quartalssäufer, Jahreswagen, Jahrhunderthochwasser, Jahrtausendwende – irgendwas ist immer.
Ansonsten allüberall „Mimimimi … kein Skiurlaub … mimimi …“
Samstag: Im Iran wurde das Todesurteil gegen zwei Männer aufgehoben, das gegen sie verhängt worden war, weil sie gegen hohe Benzinpreise demonstriert hatten. Solches sollten die Anti-Corona-Verquerdenker bedenken, bevor sie das nächste Mal was von „Diktatur“ phantasieren.

Verspüren Sie auch manchmal das Bedürfnis, sich künstlerisch-kreativ zu betätigen, verwerfen das Vorhaben jedoch, weil Sie glauben, es nicht zu können? Man kann alles erlernen, es muss ja nicht gleich zur Darstellung der Mona Lisa gereichen. Oft führen schon einfache Übungen zu ersten kleinen Erfolgserlebnissen.

Sonntag: Gelesen in der PSYCHOLOGIE HEUTE:
„Das japanische Zenwort wabi-sabi bezeichnet eine andere Art von Schönheit: eine Ästhetik des Nichtperfekten, Betagten, Verwitterten. Das vom Zerfall Gezeichnete, etwa eine Burgruine, hat seinen ganz eigenen Reiz, suggeriert Geheimnis und Bedeutung.“
Das sollte ich auf den Badezimmerspiegel kleben.
Zufällig fand ich dieses, in optischer wie akustischer Hinsicht sehr schön:
Etwas verspätet studierte ich soeben Ihren Wochenrückblick.
Ich halte es drei Wochen vor Weihnachten für eine weise Entscheidung, dass Sie den erwähnten Ausdruck nur verliehen, nicht aber verschenkt haben.
Das Wortspiel mit Jesus und Bezos begeistert mich (bin jetzt schlagartig wieder hellwach) und was die gelben Animations-Aufkleber angeht: die Steigerung davon begegnete mir neulich an einem Münchner Laternenpfahl (hatte das Foto auch im Blog, glaube ich). Male und forme da aber nicht mit, Sie etwa?
Herzliche Grüße nach Bonn!
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Ich male nur selten und nicht sehr gut, wobei für mich die Darstellung primärer Geschlechtsmerkmale (m/w/d) bislang keine hohe Priorität hat.
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Auch wenn das vielleicht spießig rüberkommt: Ihre Antwort beruhigt mich irgendwie.
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