Woche 19: Ohne einen Ausdruck des Bedauerns

Montag: „Wie können wir das challengen?“, fragt die Kollegin in einer Besprechung. Ich bin einfach zu müde, um sie zu fragen, was sie meint. Nicht ganz dazu passend, irgendwie aber doch, diese Fundsache:

„Ich beschließe, ihm mehrmals an diesem Vormittag lebhaft zuzustimmen und dabei einen leicht blöden Ausdruck der Bewunderung aufzusetzen, als würde er mir ungeahnt überraschende, weitgespannte Perspektiven der Weisheit eröffnen.“

Aus: Michel Houellebecq, „Ausweitung der Kampfzone“

Kurz nach Feierabend zaubern zwei Enten im Abklingbecken neben dem Werk ein Lächeln in mein Gesicht, weil ich, wahrscheinlich erwähnte ich es bereits, Enten sehr mag, zum einen wegen ihres sympathischen Wesens, zum anderen in kulinarischer Hinsicht.

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Noch eine Fundsache, die Aufnahme fände in die Liste der besonders gelungenen Sätze, so ich denn eine führte, erst heute Abend gelesen bei Herrn Buddenbohm:

„Man muss aber doch unbedingt sicher sein, wo diese hübsche Sinnlosigkeit am meisten Sinn hat, das ist im Garten nicht anders als im restlichen Leben auch.“

Vielleicht sollte ich eine solche Liste mal anlegen.

Dienstag: Auf der Fahrt mit der Bahn nach Bad Neuenahr sehe ich im Bahnhof Remagen einige Bauarbeiter in grellen Warnwesten. Während einer mit einer Schaufel schaufelt, stehen mindestens vier andere – möglicherweise besser bezahlte – drumherum und schauen ihm beim Schaufeln zu oder auf ihr Telefon. Also wie so oft im Leben.

Mittwoch: Es behagt mir nicht, mit eingeschaltetem dienstlichen Mobiltelefon im Zimmer zu übernachten, etwa so, wie nachts durch einen Park zu gehen – besteht doch in beiden Fällen latent die Gefahr einer unerwünschten Belästigung. Ersterem kann man durch Aktivierung des Flugmodus begegnen, und durch einen dunklen Park sollte man ohnehin nicht laufen.

Die Hoffnung auf einen durch Knopfdruck angeforderten besonderen Zimmerservice in Form eines attraktiven Hotelmitarbeites, der beim Waschen des Rückens behilflich ist, erfüllte sich leider nicht.

Donnerstag: Ein neues Wort gelernt: Ein „Canophop“ ist ein Hundehasser. Ich mag Hunde – im Gegensatz zu Enten – nicht besonders, „hassen“ wäre indes übertrieben, zumeist können die Tiere ja nichts für ihre bekloppten Herr- oder Frauchen. Gibt es auch ein Wort für Hundehalterkomischfinder?

Freitag: Ich nahm an einer „Operation Finance Challenge“ teil, fragen Sie bitten nicht, was das ist. Gegen Ende schauten sechs gut bezahlte Leute zu, wie der Projektleiter, an die Leinwand projiziert, eine Mail an die Teilnehmer verfasste. Gut, es gibt wesentlich härtere Bedingungen, um sein Gehalt zu verdienen.

In einer anderen Mail teilt der Arbeitgeber mit, dass das Werk am Wochenende wegen Wartungsarbeiten nicht betreten werden kann. Und jetzt?

Noch ein Hinweis an die Bahnnutzer, die ohne Not mit ihrem Scheißtelefon im Türbereich stehen, obwohl es in der Bahn genug Platz gibt: Falls euch jemand beim Aussteigen scheinbar versehentlich anrempelt ohne einen Ausdruck des Bedauerns, dann könnte ich das sein.

Samstag: Hier ein lesenswerter Artikel von Thomas über das antiquierte, gleichwohl noch nicht ausgestorbene Kommunikationsmedium Telefax. (Ich weiß, man sagt heute nur noch Fax, nicht Telefax. Egal – soviel Zeit muss sein.)

Am Abend Weinprobe. Zu fortgerückter Stunde mit etwas Alkohol im System widerstehe ich nur ganz knapp der Versuchung, meine Lieben um eine Zigarette zu bitten. Aber ich widerstehe, worauf ich ein ganz kleines bisschen stolz bin. Es geht also, das Nichtrauchen.

Sonntag: Der Sonntagsspaziergang führt mich an den Rand eines Landschaftsschutzgebietes im Bonner Norden, wobei die schützenswerte Landschaft nicht unmittelbar ins Auge springt.

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Trotz der darüber brausenden Autobahn erklingt hier ein erstaunlich vielstimmiges Vogelgezwitscher, anscheinend stören sich die Tiere nicht am menschlichen Fortbewegungsdrang. Ein bemerkenswerter Kontrast zu der Meldung vom Wochenbeginn, dass eine Million Arten vor dem Aussterben stehen (was bitte keineswegs als „alles halb so schlimm“ verstanden werden soll).

Bemerkenswert nicht weit davon entfernt auch das Händchen eines Kleingartenbesitzers für die naturnahe Gestaltung seiner Parzelle (passend zum Buddenbohm-Satz von Montag):

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Ein künstlerisches Händchen beweist der Schöpfer eines Straßenkunstobjekts in der Inneren Nordstadt, zugleich eine erfreuliche Alternative zu den sonst hier vorherrschenden Graffiti-Schmierereien:

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