Woche 30: Summer in the city

Montag: Wann und wo wurde eigentlich festgeschrieben, dass Motorräder laut zu sein haben? Trotzdem sollte ich mir vielleicht mal abgewöhnen, ihnen jedesmal „Fahr zur Hölle!“ hinterherzurufen. Das Lächerlichste, das ich in diesem Zusammenhang heute sah beziehungsweise hörte, war ein äußerlich aufdekorierter Fiat 500, dessen Motor beim Anfahren blubberte wie ein Büsumer Krabbenkutter.

Dienstag: Geschäftliche Angelegenheiten erfordern meine Anwesenheit in Hannover und Berlin. Erkenntnisse einer Bahnfahrt: In Wuppertal gibt es nicht nur eine Herrenboutique und eine Schwebebahn, sondern auch ein Bibelmuseum. Warum auch nicht. Die Hannoversche Kläranlage wirbt um Sympathien mit der angeschriebenen Ansage: „Wir klären das.“

Sehr sympathisch dann in Berlin auch diese Reklame für sittenlos-unterleibserfreuendes Spielzeug, wie man sie in Stuttgart oder Paderborn wohl vergeblich suchen würde:

(Die Unschärfe des Bildes bitte ich zu verzeihen. Sie ist nicht meiner durch jähe Lustwallungen zitternden Hand geschuldet, sondern der hauptstädtischen Straßenlage.)

Mittwoch: Bleiben wir noch etwas beim Thema Sex. „Der Frage, ob Eheleute mit oder ohne Kondom, mit oder ohne Pille Sex haben sollen, wird heute in der Kirche einige Bedeutung zugemessen, während die Gesellschaft sich längst anderen Fragen widmet. Das dezente Einsetzen einer Kommission durch den Papst deutet bereits auf die Stoßrichtung hin.“, steht in der Zeitung. Ho ho ho, „Stoßrichtung“!

Durchsage in Wolfsburg: Die Weiterfahrt des Zuges verzögert sich um wenige Minuten, da hierfür eine „Fahrplanmitteilung“ benötigt wird. Eine erfrischende Alternative zu den sonst üblichen „Verzögerungen im Betriebsablauf“.

Donnerstag: Summer in the city – Es ist in jeder Hinsicht heiß.

Freitag: „Der Timer läuft nicht“, teilt die Stubensiri ungefragt mit. Was auch immer sie uns damit sagen will. Vielleicht ist auch ihr einfach nur heiß. Klingt jedenfalls hoffnungserweckender als „Deine Zeit ist abgelaufen“. Das wirft die Frage auf, die man sich irgendwann stellt: Was soll mal auf meinem Grabstein stehen? Ist mir völlig wurscht. Was möglicherweise draufstehen wird: „Der wohl erfolgloseste Blogger und Instagramer aller Zeiten.“ Oder: „Seine bevorzugte Farbe war blau, sowohl was seine Kleidung betraf als auch seinen vorherrschenden Zustand.“

Samstag: Apropos Siri: Ich gebe zu, Neuerungen nicht immer mit offenen Armen entgegenzutreten. So war ich lange Zeit davon überzeugt, Grillen verdiene nur dann diese Bezeichnung, wenn dabei Holzkohle verbrannt wird, auch auf dem Balkon in dichter Besiedelung; mag sein, dass die Nachbarn neben und über uns dazu eine andere Meinung vertreten. Heute suchten wir ein großes Fachgeschäft in Köln-Deutz auf, welches in einer ehemaligen Fabrikhalle unzählige Grills und Zubehör in allen Größen anbietet, vom kleinen transportablen Taschengrill als sinnvolle Alternative zu den unsäglichen, müllerzeugenden Einweg-Grills, bis hin zu Apparaten vom Aussehen und den Ausmaßen einer mittleren Dampflokomotive. Ziel unseres Besuches war der Erwerb eines Gasgrills, nachdem die Nachbarn nicht mehr grüßen und panikartig alle Fenster schließen, sobald auch nur jemand unseren Balkon betritt.

Nach kurzer, vergeblicher Diskussion über die Größe des zu erwerbenden Geräts („Der ist doch nur acht Zentimeter breiter, dafür hat er drei Brenner“, so die Argumentation des Liebsten) entschieden wir uns für einen Grill mit den Abmessungen einer Heimorgel, für den zuvor Platz auf dem Balkon geschaffen worden war. Die Montage gestaltete sich unkompliziert, bald stand das gute Stück an seinem neuen Platz, und nach Anschluss der Gasflasche erfolgte das erste Probeheizen.

Am Abend Angrillen – Würstchen, Spieße, Steaks, Kartoffeln, Paprika. Ich bin begeistert: In kürzester Zeit ist der Grill betriebsbereit, die Temperatur lässt sich komfortabel per Drehknopf regeln, und die Rauchentwicklung ist so marginal, dass die Nachbarn vielleicht demnächst wieder grüßen. Und wenn nicht, ist das auch nicht schlimm.

Manchmal muss ich wohl zu meinem Glück getrieben werden. Ich bin eben auch nur ein Mensch aus Fleisch und Wurst.

Sonntag: Nachbarschaftliche Belästigung kann nicht nur per Grilldunst erfolgen, sondern auch per Geräusch. Der Nachbar zur Linken beherrscht es perfekt: Seit Stunden hört er bei gekipptem Fenster zweifelhafte Musik und begleitet sie mit eigenem, jammerndem Gesang.

Belästigung auch aus dem Radio: „Und wenn sie tanzt …“, wird Giesinger nicht müde, uns vorzujammern, man mag es nicht mehr hören. Oder wie der Geliebte es auf den Punkt bringt: „Die ficken sich in jungen Jahren die Bude voll, und wir müssen es dann ertragen!“

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s