Woche 21: Wenn man mit einem Kater aufwacht

Montag: Es mag ein Zeichen gewisser Unreife sein, aber jedes Mal, wenn ich von Boxspringbetten höre oder lese, stelle ich mir ziemlich bizarre Liebesspielpraktiken vor und kichere innerlich wie ein Teenager.

Dienstag: Laut Hermann Hesse wohnt jedem Anfang ein Zauber inne. Dem möchte ich entgegenhalten: Aller Anfang ist schwer, allen voran der Wochenbeginn an einem Dienstag, der sich pfingstbedingt wie ein Montag anfühlt. Ebenfalls deprimierend sind inszenierte erste Spatenstiche für Gewerbebauten. Jedenfalls strahlen Pressefotos, die den Firmenvorstand, den Bürgermeister und ein paar andere mehr oder weniger Prominente beim Schaufeln in einem nur für diesen Zweck aufgefahrenen Sandhaufen zeigen, eine erhebliche Lächerlichkeit aus, vor allem, wenn sie dazu auch noch mit Schutzhelmen ausgestattet wurden.

Mittwoch: Netter Versuch.

KW21 - 1

Übrigens, oder by the way, wie eine gute Freundin, die durch gelegentliches Einflechten englischer Fragmente in ihre wörtliche Rede gerne Bildung und Weltgewandtheit zum Ausdruck zu bringen sucht, jetzt vielleicht sagen würde: Ich habe gar kein PayPal-Konto.

Donnerstag: Hinweis an die junge Dame, die mich auf der Straße ansprach: Bitte werten Sie mein stummes Kopfverneinungszeichen nicht als naturgegebene Unhöflichkeit, aber meine Neigung, mir von hyperaktiven jungen Tier-, Kinder-, Natur- oder Was-auch-immer-Schützern etwas aufschwatzen zu lassen, ist äußerst flachwurzelnd.

Freitag: Am Morgen sah ich in der Bahn einen jungen Mann mit Rastalocken, diesen filzartigen Haarschlangen, die einst auch Momo Zenkers Haupt zierten; vielleicht tun sie das auch heute noch, ich weiß es nicht, weil ich aufgrund medialer Interessenverschiebung die Lindenstraße seit Jahren nicht mehr gesehen habe. (Daher merke ich auch gerade jetzt erst, da ich es niederschreibe, dass er Momo Sperling hieß, nicht Zenker, er possierte nur mit der jungen Zenkers, so weit ich mich erinnere. Außerdem hatte er einen entsetzlich farblosen Bruder, Philipp hieß der, glaube ich.) Das Besondere an dem Sperling, also dem Vogel in der Bahn, war nicht sein Haupthaar, sondern seine Beschäftigung: er strickte. Damit war er gleichsam ein erfreulicher Farbtupfer im allgemeinen Grau der auf ihr Display starrenden Mitreisenden.

Eigentlich müsste ich heute laufen. Eigentlich laufe ich zweimal in der Woche, jeweils dienstags und freitags. Heute ist es einfach zu warm dafür. Dienstag war ich zu müde. Immerhin läuft mein Gründegenerator tadellos.

Samstag: Die trotz hoher Temperatur erstaunlich gut besuchte Weinprobe am Abend nahm zu späterer Stunde einen gewissen Partycharakter an. Partybilder verabscheue ich übrigens genauso wie offensichtlich gestellte Pressefotos. Wenn es sich mal nicht vermeiden lässt: Ich bin der, der nicht in die Kamera schaut.

Sonntag: Wenn man mit einem Kater aufwacht, sind seltsame Gedanken manchmal der Begleiter. Zum Beispiel die Frage, was dabei herauskäme, wenn man eine Amsel mit einer Elster kreuzte. Vielleicht eine Alster? Der Tag wurde dann aber doch noch ganz passabel. Es gibt übrigens ein Deutsches Vogelschlagkomitee, wie ich in einem Zeitungsartikel las. Was machen die wohl den ganzen Tag? Nebenbei bemerkt: Die Angst vor Vögeln heißt Ornithophobie. Und das hat wirklich gar nichts mit Boxspringbetten zu tun.

Ein Gedanke zu “Woche 21: Wenn man mit einem Kater aufwacht

  1. solminore Mai 28, 2018 / 12:42

    Eine „heranwachsende Bedrohung“? Na, wenn die mal in die Pubertät kommt, dann gute Nacht.

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