Über schiefe Bilder

Neulich war zu vernehmen, dass Peter Maffay einen höheren runden Geburtstag zu feiern wusste, wie hoch genau, erinnere ich mich nicht, siebzig oder achtzig vielleicht, es erscheint mir nicht sehr wichtig, zumal Tonträger Peter Maffays keinerlei raumeinnehmenden Platz in unserem Wohnzimmerregal für sich beanspruchen. Gut, die Single Es war Sommer hätte ich durchaus gerne, Sie wissen schon: „Ich war sechszehn – und sie einunddreißig…“ Woran ich mich jedoch erinnere, ist das althergebrachte und auch in diesem Zusammenhang wieder herangezogene Bild, Herr Maffay sei noch immer „fit wie ein Turnschuh“.

Ob das gut oder schlecht für ihn ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Zunächst stellt sich die Frage: gibt es das überhaupt noch, Turnschuhe? Turnschuhe waren früher das, was man morgens in einen von Mutti selbstgenähten Stoffbeutel packte und mit zur Schule nahm, um darin später zusammen mit den anderen Kindern zu erniedrigenden Ballspielen wie Völkerball oder Turnübungen gezwungen zu werden; noch heute befällt mich beim Anblick von Turnhallen und Sportplätzen ein tiefes Unbehagen, woran sich wohl bis zum hoffentlich noch fernen Ende meiner Tage nichts mehr ändern wird. Auch Turnschuhminister gab es schon, wobei sich deren Kompetenzbereich – so fern dieser Begriff in diesem Zusammenhang angezeigt ist – nicht zwingend auf den Schulsport oder überhaupt irgendeine Art körperlicher Aktivität erstreckte.

Betritt man heute ein Sportfachgeschäft, so trifft man dort auf Sneaker, Lifestyleschuhe (ein Wort zum Grausen) sowie spezielle Schuhe für alle möglichen Arten sportlicher Betätigung: Laufen, Tennis, Fußball, Skateboardfliegen, Basketball, Poolbillard, Schach, Angeln und Halma. Fragte man den jungen, äußerlich durchtrainiert wirkenden Fachverkäufer jedoch nach Turnschuhen, könnte man sich seines mitleidig-irritierten Blickes gewiss sein, eine unschöne Situation für beide Seiten, daher fragt man besser nicht.

Ein Turnschuh, so es ihn also noch gibt, kann alles mögliche sein: alt wie Peter Maffay oder neu wie das iPhone 6. Hell wie eine verbotene 100-Watt-Glühbirne oder dunkel wie der Montagmorgen. Leicht wie Chucks oder schwer wie diese Klumpschuhe, die alberne Jugendliche mit noch viel alberneren Mützen vor einiger Zeit gerne trugen. Mühelos ließen sich zahlreiche weitere Eigenschaftspaare finden, die dem Leser erspart seien. Eines jedoch kann ein Turnschuh mit Sicherheit nicht sein: fit. Ohne dieses Wort im Duden, im Oxford Dictionary oder wo auch immer nachgeschlagen zu haben, bedeutet es in etwa so viel wie gesund, körperlich und geistig aktiv und belastbar, alles in allem Eigenschaften, welche Herrn Maffay zu wünschen sind, die auf einen Schuh zu übertragen indes nur schwerlich in Übereinstimmung mit meinem Vorstellungsvermögen zu bringen sind, was an dessen Eingeschränktheit liegen mag. Körperlich und geistig aktive Fußbekleidung käme mir jedenfalls nicht ins Haus.

Wenn ich lese, Peter Maffay sei „fit wie ein Turnschuh“, so erscheint vor meinem geistigen Auge ein alter, ausgetretener Adidas-Schuh mit Löchern an der Seite und abgelöster Sohle, bei dem die rissige Außenhaut großflächig abblättert und dem ein unangenehmer Geruch entströmt. Wahrlich kein Kompliment.

Journalisten bedienen sich ja gerne altausgetretener, schiefer Bilder. Hat mal wieder ein Sturm gewütet, so ließ er Bäume umknicken „wie Streichhölzer“. Das möchte ich gerne mal sehen: jemand versucht, sich im Angesicht einer Windhose eine Zigarette anzünden, und *knacks* muss er sein Vorhaben auf windstillere Zeit verschieben, weil sein Zündholz durch aufgebrachte Luftbewegung zerbrochen wurde.

Immer wieder hört man Menschen klagen, sie „leiden wie ein Hund“. Diese Klage kann man getrost als Jammern auf höchstem Niveau abtun. Schauen Sie sich die Hunde in Ihrer Umgebung an, leiden die? Im Gegenteil, sie werden verhätschelt wie Blagen und bekommen ein Leckerchen verabreicht, wenn sie ihr Geschäft brav auf dem Gehweg oder in anderer Leute Vorgärten erledigt haben. Die einzigen Hunde, deren Leid ich vorbehaltlos anerkenne, sind Möpse, zum einen weil sie konstuktionsbedingt mit ständigen Atembeschwerden zu kämpfen haben und zum anderen, weil sie so unglaublich scheiße aussehen. Vermutlich bedingt das eine hier das andere: offenbarte mir mein Spiegelbild so ein Mopsgesicht, bliebe mir auch die Luft weg. Möglicherweise entgeht die Rasse nur deshalb dem Schamestod, weil ihre Angehörigen selten ihres Antlitzes angesichtig werden, sind doch die meisten Spiegel weit über Mopsniveau angebracht. Ja, wenn irgendwer Grund zur Klage hat, dann Möpse. Dagegen erscheint fit wie ein Turnschuh als ein vergleichsweise erträgliches Schicksal.

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(Quelle: Welt Kompakt)

Müssen müssen – über die Ästhetik stiller Orte

Die Ästhetik von Toiletten wird in deutschen Feuilletons nur unzureichend gewürdigt, dienen sie doch der Befriedigung eines Bedürfnisses, dem sich auch im einundzwanzigsten Jahrhundert kein Mensch entziehen kann, trotz bisweilen auftretender unangenehmer Begleiterscheinungen wie mangelhafter Handtrocknungsmöglichkeit oder missmutig dreinblickender Damen neben einem Münzteller. Immerhin verbringen wir nicht wenig Lebenszeit mit der Betrachtung von Kacheln, während wir farbige Duftsteine, aufgemalte Fliegen oder kleine Fußballtore bewässern. Gelegentlich dienen Toiletten auch als Rückzugsort zur Linderung weitergehenden zwischenmenschlichen Drängens, was hier jedoch nicht weiter ausgeführt werden soll.

Die nachfolgenden Bilder entstanden gestern Abend im Meyer´s zu Bonn-Poppelsdorf anlässlich des dritten Treffens der Bonner Ironblogger. Einer der eisernen Schreiber ist Christian, der in seinem Blog Fokus Lokus der medialen Vernachlässigung dieser wichtigen Orte ein Ende setzt und dessen Hinweise für die Anfertigung von WC-Bildern hier streng beachtet wurden.

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