Gut verpackt

Oft ist es die Verpackung, welche einer Ware den besonderen Wert verleiht. Ein hochwertiger Kugelschreiber etwa wäre nichts weiter als ein Kugelschreiber, käme er nicht in einer monströsen, mit Samt ausgeschlagenen Holzschatulle daher. Ein Fertiggericht, Roulade, Kartoffelpüree und Rotkohl sorgsam in drei Kammern getrennt, mutet an wie von einem Dreisternekoch gezaubert, betrachtet man die Abbildung auf der Schachtel, vorausgesetzt, man übersieht das Wörtchen „Serviervorschlag“ ganz unten, ganz klein. Bei manchen Produkten ist gar die Verpackung das eigentlich wertvolle, denken Sie nur an stilles Mineralwasser.

Was für Waren gilt, lässt sich mühelos auf Menschen übertragen: Vielen Zeitgenossen möchte man nur ungern unbekleidet begegnen, auch verdankt unsere Bundeskanzlerin einen Großteil ihrer Autorität ihren Hosenanzügen, und welchem Konzernlenker oder Bankvorstand vertraute man blind ohne dunklen Anzug und gedeckte Krawatte?

Und schließlich: die schlechte Nachricht verliert deutlich an Schrecken, so sie sorgsam in weiche Wortwatte gehüllt verkündet wird. Für die Bevölkerung besteht keine unmittelbare Gefahr, dennoch wird dringend geraten, Fenster und Türen geschlossen zu halten und kein Obst und Gemüse aus dem eigenen Garten zu essen, rein vorsorglich, versteht sich.

Doch hat Verpackung ihre Tücken.

Damals, als Musik noch von einer CD kam und nicht von iTunes oder aus den Weiten des Netzes, die älteren unter Ihnen werden sich vielleicht dunkel erinnern, stand dem Musikgenuss nach dem Kauf zunächst ein längerer Kampf mit der umschweißten Plastikfolie bevor. Mit bloßen Händen, hilfsweise Zähnen, ohne ein scharfes Werkzeug war da gar nichts zu machen. Und selbst wenn man ein spitzes Messer zur Hand hatte, war der Hörgenuss noch weit entfernt, weil jegliche Ansatzstelle in der Folie fehlte und man sich mit dem abrutschenden Messer eher den Handrücken aufriss als die Umhüllung. Besonders findige Verpackungshersteller woben einen kleinen roten Faden in die Folie ein, mit dessen Hilfe man sie zerteilen sollte. Leider befand sich der Anfang dieses Reißfadens ebenfalls unerreichbar unter der Folie, gute gemeint ist bekanntlich das Gegenteil von gut.

Beispiel Gummibärchen. Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, um die kleinen süßen Racker aus ihrer Tüte zu befreien: entweder man zieht die Tüte oben an der Verschweißung auseinander, oder man folgt der Anweisung „Hier Aufreißen“ und zerrt an der dafür vorgesehenen Kerbe oben in der Ecke. Versucht man es mit Alternative 1, passiert dank der Fortschritte moderner Schweißtechnik gar nichts, auch Alternative 2 läuft zunächst ins Leere. Reißt man noch kräftiger an der Kerbe, gibt die Materie endlich nach, die Tüte teilt sich mit einem Ruck der Länge nach, die bunten Freunde kann man anschließend vom Teppich aufsammeln. Diesbezügliche Beschwerden bei Herrn Gottschalk blieben leider bisher unbeantwortet.

Ein besonders heikles Kapitel ist die Verpackung von Kondomen: Soeben hat man sich angenähert, sei es in heimischer Sitzgruppe oder im öffentlichen Personennahverkehr Kölner Darkrooms, alles steht bereit, fehlt nur noch das schützende Mäntellein. Leider befindet sich dieses, sorgsam aufgerollt, in einer nahezu unzerstörbaren quadratischen Kunststoffumhüllung. So sehr man auch zieht, zerrt und an den Ecken beißt, das blöde Ding gibt nicht nach. Und wer geht schon mit Taschenmesser zum Liebesspiel, ist ja auch nicht gerade der Erotik förderlich, lässt man einmal besondere Spielarten außer acht. Hat man dann doch endlich, nach vielen Versuchen und Diskussionen („Lass mich mal…“) die eine richtige von acht möglichen Ecken erwischt und gelangt endlich an das Ersehnte, so hat sich der Rest unten herum zumeist längst erledigt. Das Prinzip Safersex funktioniert.

Manchmal glaube ich, die machen das extra, haben einen Riesenspaß daran, wie ihre tollen, unzerstörbaren Verpackungen uns das Leben schwer machen, vielleicht sogar mit einem rauh gehöhnten „Vorfreude ist die schönste Freude“ auf den Lippen, während ihr neu kreiertes Packprodukt jeder Materialprüfung mühelos standhält. Ich wünsche wirklich niemandem etwas schlechtes, aber ihr, ihr Verpackungsdesigner, sollt ewig in der Hölle schmoren und dort gezwungen werden, von morgens bis abends nichts anderes zu tun als eure eigenen Scheißverpackungen zu öffnen!

2 Gedanken zu “Gut verpackt

  1. ThomasS September 29, 2012 / 23:32

    Auf deinen Beitrag hin habe ich jetzt auf der Verpackung meines Mitttagessens wirklich mal drauf geachtet, ob dort irgendwas von wegen „Serviervorschlags“ draufgedruckt ist. Allerdings habe ich diesen Schriftzug dort nicht vorgefunden. Also, entweder, ich bin blind, oder aber du nutzt irgendeinen anderen Anbieter, der zumindest noch irgendwelche Minimal-Bedürfnisse beim Endverbraucher voraussetzt und dafür gleich 5.50 Euro mehr verlangt. In meinem Fall erledigt diese Funktion schon die kräftige Soße. Von mir aus könnte da auch irgendwelches Gammelfleisch drin ertränkt sein … ich würd’s nicht bemerken. Dass mir auf diese Weise nicht irgendein Noro-Vieus o.ä. untergejubelt wird, das mich ins Krankenhaus oder ins Grab bringt … so viel Vertrauen habe ich als Endverbraucher dann doch schon noch zu unserer deutschen Nahrungsmittel-Industrie. Dies umso mehr, als ich jetzt weiß, dass du dir offenbar abends genau dasselbe Zeugs heiß machst wie ich, wenn auch unter einem teureren Label, und davon nicht krank wirst. Zumal du dir zweifellos die besseren Anwälte leisten könnest, die dem Produzenten dann schon die Hölle heiß machen werden. Solang bin ich sicher. Falls ich irgendwann nicht mehr sicher sein kann, sei bitte so fair und schick mir eine PN.

    Ich meine, welcher Single – ob arm oder reich – müht sich schon in der Küche ab, bloß um für sich selbst ein gesundes Mahl aus frischem Gemüse zuzubereiten, von dem er dann letztlich aber doch nicht satt wird. Was soll der Scheiß! Dieses Fertigkost-Angebot ist also quasi klassenübergreifend. Und das ist auch gut so!

    Aber auch im übertragenen Sinne kommt es m.E. nur auf den Inhalt an, nicht auf die Verpackung. Jedenfalls aus einer Sicht gesehen, die nicht die des Anbieters eines sozialen Netzwerkes ist. Manch eine arme Wurst, die in solchen Netzwerken schon mal unter seinen persönlichen Daten höchst Intimes hochgeladen hat, wird dir bestätigen können, dass sie einen Fehler gemacht hat.

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  2. Mind-Penetrator Oktober 4, 2012 / 21:03

    Gnadenlos gut! Das musste mal gesagt werden. Jede einzelne CD von mir hat einen Kratzer auf ihrer Hülle – ein Andenken an jeden einzelnen Kampf mit der Verpackung.

    Besonders viel Humor beweisen die Verpackungsdesigner übrigens bei komplett in Hartplastik eingeschweißten Hüllen: Der findige Entwickler hat die Verpackung so konzipiert, dass zwischen dem Objekt der Begierde und der Verpackung kein Zwischenraum ist. Würde man Messer oder Schere nehmen, wäre das Objekt eigentlich schon zum Tode verurteilt. Möglicherweise soll das die Vorfreude steigern. Oder man mahlt vor Wut so lange mit den Zähnen, bis man das Objekt aus der Verpackung freigenagt hat… vielleicht ein geheimer Deal mit Zahnärzten??

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