Montag: Über Nacht ist der Schnee, der bis gestern die Stadt bedeckte, weitgehend weggeschmolzen, bis auf ein paar letzte schmutzig-weiße Flecken am Wegesrand und Resteis auf den Gehwegen, das morgens noch manchen Schritt rutschen ließ und bis zum Abend vollständig verschwunden ist. Geblieben ist ein grau-brauner Belag, der alles recht unfröhlich erscheinen lässt.
Vormittags erläuterte der Chefchefchef in einer großen Informationsveranstaltung die anstehenden Umstrukturierungsmaßnahmen. Aus mir nicht bekannten Gründen heißen solche Zusammenkünfte bei uns „Townhall“, auch wenn sie in einem internen Konferenzsaal abgehalten werden. Alles andere wäre faktisch unmöglich, da die örtliche Stadthalle seit geraumer Zeit wegen Baufälligkeit nicht betreten werden darf. Townhall also, das macht es nicht besser und nicht schlechter. Im übrigen ist es ruhegehaltsfähige Arbeitszeit, und da Präsenz ausdrücklich gewünscht war, kam man währenddessen nicht in Versuchung, nebenbei Mails zu bearbeiten.
Dienstag: Morgens zu Fuß ins Werk durch fast frühlingshafte Milde. Nur zahlreiche Pfützen entlang der Uferpromenade hatte der Schnee von vorgestern hinterlassen. Einige davon noch komplett vereist, andere direkt daneben bereits verflüssigt. Das als Wunder der Natur zu bezeichnen ist wohl etwas übertrieben, gewundert habe ich mich dennoch.
Jan Wiefels vom General-Anzeiger über den derzeitigen Zustand der Bahn in Bonn und Umgebung:
»Für zwei Wochen war die Bahnstrecke zwischen Köln und Bonn gesperrt, dann kam der Lokführerstreik dazu und zum krönenden Abschluss gab es – für rheinische Verhältnisse – noch jede Menge Schnee. Hätte man in dieser Zeit unter dem Hauptbahnhof auch noch eine Terrakotta-Armee entdeckt, es hätte mich nicht gewundert.«
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Das mit der Terrakotta-Armee muss ich mir merken.
Mittwoch: Die Lokführer streiken bis nächste Woche. Ich möchte das nicht bewerten, es gibt gute Gründe dafür, man kann es indes auch für überzogen halten. Zum allgemeinen Sympathieträger macht sich Herr Weselsky damit nicht, das ist sicher auch nicht sein Hauptanliegen. Was man in diesem Zusammenhang und vergleichbaren Ausständen nicht mehr hören und lesen möchte: Die Bevölkerung würde von den Eisenbahnern „in Geiselhaft genommen“. Das ist Unfug und eines der zahlreichen schiefen Bilder, die irgendwann mal jemand, vielleicht ein FDP-Politiker oder Bild-„Journalist“, ich weiß es nicht, gemalt hat und das seitdem zu unterschiedlichen Anlässen gerne abgemalt beziehungsweise nachgeplappert wird.
Hyperaktiv dagegen die Sonnenschutz-Jalousien im Werk. Sobald Wind bläst, und der blies heute den ganzen Tag recht lebhaft, fahren sie ungefähr im Fünfminutentakt automatisch runter und kurz darauf wieder hoch, es scheint da einen irregeleiteten Sensor am Gebäude zu geben. Anfangs lief ich jedes Mal, wenn sie herunterzufahren begannen, zum Schalter neben der Bürotür, um sie daran zu hindern, was mich in Bewegung hielt; ungefähr nach dem zwanzigsten Mal ließ ich sie fahren.
Donnerstag: Wie üblich zu Fuß ins Werk, heute bei interessantem Licht.

Vormittags gab es Abschiedsgebäck des scheidenden Chefchefs. Dadurch waren die Büros heute überdurchschnittlich stark besucht, was ungewohnte Unruhe in die Flure brachte.
Das Casino am Mutterhaus (das wäre vielleicht ein schöner Titel für eine Vorabendserie im ZDF), umgangssprachlich Kantine, wirbt mit authentischen Gerichten aus aller Welt, saisonal und regional hergestellt. Heute im Angebot:

Tagebucheintrag vom 24. Januar 2004: »Mit einer gewissen Fassungslosigkeit sehe ich der Tatsache entgegen, daß ich bald 37 Jahre alt werde.« Derartige Unbehaglichkeiten haben sich in den letzten Jahren zum Glück völlig gelegt, keinesfalls möchte ich heute zwanzig Jahre jünger sein.
Freitag: Aus einem Zeitungskommentar über SUV: »Besonders unter geltungssüchtigen Männern, Helikopter-Eltern und Rentnern sind die Autos mit den großen Abmessungen beliebt.« Der darauf Bezug nehmenden Leserbriefempörung der oben Genannten sehe ich mit Freude entgegen.
Der Liebste hatte seinen letzten Arbeitstag bei der Firma in Ratingen, im Februar fängt er bei einem anderen Unternehmen in Köln an. Auf der Rückfahrt heute spielten sie „Don’t Look Back In Anger“ von Oasis im Radio. Künstliche Intelligenz?
Abends: „Hey Siri, spiel Humba Täterä!“ – Daraufhin wurde „I‘m still standing“ von Elton John gespielt. Bis auf Weiteres müssen wir uns wegen der Machtübernahme durch künstliche Intelligenz wohl keine großen Sorgen machen.
Samstag: Gestern Abend trafen wir uns mit einer Freundin in einem Weinlokal in der Südstadt. Das war sehr schön, erforderte heute allerdings ein etwas längeres Imbettbleiben.
Da der Tag ansonsten ohne nennenswerte Aktivitäten und Erkenntnisse verlief, schauen wir auf die WordPress-Tagesfrage, die heute lautet: »Welche Bücher möchtest du lesen?« Der Stapel der ungelesenen Bücher umfasst zurzeit zwanzig Stück, zumeist welche, die ich während sonntäglicher Spaziergänge aus öffentlichen Bücherschränken entnommen habe. Darunter „Lichtenberg Aphorismen“, „Wörter machen Leute“ von Wolf Schneider, „Das Ringelnatz Lesebuch“ (ohne Bindestrich, man kann nicht alles haben), „Vom Wandern“ von Ulrich Grober und „Die Leiden des jungen Werther“ von Goethe. Hinzu kommt eine lange Liste von Büchern, die mir aufgrund gelesener Beschreibungen mal beschaffenswert erschienen, wobei ich bei den meisten inzwischen vergessen habe, warum, etwa „Komplett Gänsehaut!“ von Sophie Passmann und „Kurz über lang“ von Nina Goldberg. Klar ist es dagegen bei „Faul! Vom Nutzen des Nichtstuns“ von Bernd Imgrund und „Porno. Eine unverschämte Analyse“ von Madita Oeming. Es erscheint unwahrscheinlich, dass ich es in der zur Verfügung stehenden Zeit schaffe, die alle zu lesen und frage mich immer wieder, wie andere das schaffen und darüber dann auch noch ausführlich bloggen. Aus Gründen, die ich selbst nicht erklären kann, komme ich außerhalb von Urlauben nur abends im Bett vor dem Einschlafen zum Bücherlesen. Das ist eindeutig zu wenig.
Aktuelle Bettlektüre ist übrigens „Die Welt ist laut – Eine Geschichte des Lärms“ von Kai-Ove Kessler. Sehr zu empfehlen.
Sonntag: Auch über diesen Tag gibt es nicht viel zu berichten, ein Sonntag, wie er sein soll: Ausschlafen, Erwachen ohne nennenswerte Nachwehen des Vorabends, ein Spaziergang, sonst keine aushäusigen Pflichten, kein Besuch, reichlich Sofalesezeit (Sonntagszeitung, Blogs, Spiegel; kein Buch, siehe oben).
Die Sonne schien durchgehend vom wolkenlosen Himmel, dazu ein kühler Wind. Daher hielt ich Schal und Handschuhe für angebracht, während in der Innenstadt ein Kellner die Gäste auf den Außenplätzen im Kurzarmhemd bediente. Warum auch nicht, wenn es ihm zum Wöhlnis gereicht. („Wöhlnis“ las ich vor einiger Zeit und notierte es für die spätere Verwendung. Also heute.)

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Ich wünsche Ihnen eine angenehme, möglichst lärmarme Woche.
