#WMDEDGT im Februar: Kohlroulade ohne nähere Ortsangabe

Vielleicht verstößt es gegen die allgemeinen Blog-Konventionen, zwei Einträge am selben Tag zu veröffentlichen, doch heute geht es nicht anders. Denn heute ist Montag, Tag des regelmäßigen Wochenrückblicks, zudem der Fünfte, und am Fünften eines jeden Monats ruft die geschätzte Mitbloggerin Frau Brüllen zur Pflege der Tagebuchblogkultur auf. Hierzu schreibt der geneigte Teilnehmer einen Aufsatz zum Thema „Was machst du eigentlich den ganzen Tag?“, kurz #WMDEDGT, und verlinkt ihn hier.

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Nach bizarren Träumen, in denen unter anderem *hüstel* Kopulationen auf einer öffentlichen Bühne zu besichtigen waren, ich kann es doch auch nicht ändern, wachte ich zu sehr früher Morgenstunde auf, geweckt vom unregelmäßigen Quietschen des Tores zum Nachbarhof, das mal wieder offen stand und bei jedem Windstoß, deren vergangene Nacht reichlich wehten, eine kleine quietschbegleitete Bewegung vollzog. Schon mehrfach haben wir die Nachbarn gebeten, das Tor nachts zu schließen, nicht nur aus Quietschgründen, sondern auch, um herumstreunendes Gesindel vom Hof (auch unserem) fernzuhalten. Ein paar Nächte bleibt es dann zu, bis es wieder einer, vielleicht aus Bequemlichkeit, offen stehen lässt. Was soll man machen, gegen Bequemlichkeit kommt nichts und niemand an.

In den Radionachrichten beim Wecken ließ die mich die Meldung kurz grinsen, dass für das Parken eines SUV in der Pariser Innenstadt nach einem Bürgerentscheid bald achtzehn Euro je Stunde fällig sind. Die trauen sich was, die Pariser. Vermutlich haben die da keine FDP. Frau Dörner*, bitte übernehmen Sie.

Die Radfahrt ins Werk erforderte keine Handschuhe, es war mild und trocken. Bei Ankunft im Büro fand ich den Vogelfutterteller vor dem Fenster leergepickt vor, stattdessen lag eine Handvoll Kiesel darauf. Ich habe die Rabenkrähen in Verdacht, um mir mitzuteilen: „Sieh zu, dass hier bald Körner auf den Teller kommen, oder sollen wir Kieselsteine fressen?“, und beeilte mich, nachdem eine Kohlmeise angeflogen kam und sogleich mit vorwurfsvollem Blick wieder abzog, der Aufforderung nachzukommen. Neben Rabenkrähen und Meisen bestand die Flugkundschaft heute aus einer Amsel und einem Rotkehlchen.

In der Kantine stand heute »Lachsforelle aus Leverkusen« auf der Karte; nicht zuletzt wegen der kulinarischen Assoziationen, die mir bei Leverkusen in den Sinn kommen, womöglich tue ich der Stadt und ihrer Küche da Unrecht, entschied ich mich für die Kohlroulade ohne nähere Ortsangabe, zum Dessert ein Schälchen Obstsalat.

Einige Zeit verbrachte ich im Büro mit der Danksagung auf zahlreiche Geburtstagsgratulationen vom Vortag im Maileingang, bei manchen Absendern wunderte ich mich, dass sie das offenbar im Kalender haben, wohingegen mir deren Geburtstage unbekannt sind, was die Freude über die Glückwünsche nicht minderte. Besonders gefreut habe ich mich über den Kartengruß aus München, der aufgrund etwas längerer Postlaufzeit erst heute im Briefkasten lag.

Weiterhin im Maileingang eine Mitteilung der internen Kommunikation mit der Anrede »Liebe:r Carsten«, was die Lust am Weiterlesen trübte. Zu recht, es wurde nicht besser: »Nachhaltigkeit wird bei uns groß geschrieben.« Ja wie bitteschön denn sonst?

Wesentlich besser gefiel mir das erstmals gehörte Wort „kredibel“ (glaubwürdig), das sich recht gut in meinem Wortschatz machte, wenn ich es bis zur ersten Anwendung nicht vergessen habe.

Abends übte ich Trommeln auf dem Übungszwecken dienenden, nachbarfreundlich-schallarmen Trommelsurrogat, um einigermaßen fit zu sein für die anstehenden Einsätze an Weiberfastnacht und im Godesberger Zoch kommenden Sonntag. Ansonsten verlief der Abend mit den Lieben alkoholfrei und ohne weitere nennenswerte Bemerknisse.

Für einen Montag war der Tag zufriedenstellend. Bald ins Bett, hoffend auf angenehme Träume und quitschfreie Nachtruhe.

*Grüne Oberbürgermeisterin von Bonn, die schon wegen wesentlich kleinerer Maßnahmen regelmäßig der Zorn der Autofreunde trifft

Woche 27/2021: Einhändig mit links

Montag: Den allseits beliebten Begriff „Nachhaltigkeit“, seit längerem durch übermäßigen Gebrauch bis zur Unkenntlichkeit abgenutzt, sah ich heute in einer internen Mitteilung ergänzt um das Attribut „sozial“. Seitdem denke ich darüber nach, was das sein könnte, soziale Nachhaltigkeit, komme aber zu keinem schlüssigen Ergebnis.

Absolut schlüssig dagegen die Assoziation, die Frau Kraulquappe mit dem Wort „Impfschwänzer“ verknüpft: nicht Menschen, die aus Urlaubs- oder anderen Gründen der Nadel fernbleiben, sondern ein skorpionähnliches Schalentier. Hierüber musste ich bis zum Abend und noch ein wenig darüber hinaus immer wieder grinsen.

Während Skorpione innerhalb wohnlicher Behaglichkeit nicht gern gesehen werden, sind Hunde als Hausgenossen weitgehend akzeptiert und beliebt. Dalmatiner etwa. Einen solchen sah ich heute beim mittäglichen Kurzspaziergang, und sofort musste ich wieder an diesen blöden Witz denken („Sammeln Sie Punkte?“) – das wird wohl nicht mehr weggehen.

Abends auf der Fahrt vom Werk sah ich erstmals nach Monaten wieder sich stauende Autos auf der Straße, die zur Autobahn führt. Da haben sie ihre scheiß Normalität wieder, ob sie nun zufrieden sind?

Heute ist der fünfte des Monats, somit Tag der brüllenschen Blogaktion #WMDEDGT, für Nichtwissende: „Was Machst Du Eigentlich Den Ganzen Tag?“ Und also machte auch ich mir tagsüber fleißig Notizen über die wesentlichen Verrichtungen, musste abends jedoch feststellen, diese waren derart uninteressant, dass ich Ihnen und mir den ausführlichen Bericht erspare.

Dienstag: Eine nach längerer Zeit mal wieder genutzte Automatik-Uhr ist über Nacht stehen geblieben. Vermutlich ist diese Technik nicht kompatibel mit der Dynamik und den täglichen Bewegungsabläufen eines Beamten.

Noch weniger kompatibel ist meine Vorstellung von Vernunft mit den Vorgängen in England. Ich fasse zusammen: 1) Die Inzidenz ist dort wegen „Delta“ auf über zweihundert gestiegen. 2) Heute wird im Wembley-Stadion vor sechzigtausend Zuschauern Fußball gespielt. 3) Ab morgen fallen bei uns Einreisebeschränkungen aus England weg. 4) Ab dem 19. Juli werden in England alle Corona-Beschränkungen aufgehoben. – Habe ich das alles richtig verstanden?

Mittwoch: Laut Zeitung ist in Bonn die Geburtenrate gestiegen. Das überrascht, vielmehr hätte ich erwartet, die Leute würden nach Monaten, während derer sie ihre lieben Kids Tag und Nacht um sich hatten, sie beschulen und bespaßen mussten, von weiterer Nachzucht Abstand nehmen.

Von Ab- zu fehlendem Anstand: Manchmal kann ich einfach nicht daran vorbeigehen, ohne es zu fotografieren. Wussten Sie, dass eine weggeworfene Zigarettenkippe vierzig Liter Trinkwasser verschmutzen kann?

(Erst der Fotofilter mit der Bezeichnung „Strahlend“ bringt es richtig zur Geltung)

Doch gab es am Abend auch erfreulichere Anblicke:

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Donnerstag: Wie man mir mitteilt, wurde mein Arbeitsplatzrechner „für ein Upgrade nominiert“. Ich fühle mich geehrt.

Gelesen hier: „… das sich in seinen geschickten Händen bewegte wie ein gut geölter Zitronenfalter.“ Ich möchte nicht altklug erscheinen, doch liege ich vielleicht nicht völlig verkehrt in der Annahme, wenn man einen Zitronenfalter ölt, egal ob gut oder schlecht, wird der sich anschließend kein Stück mehr bewegen. (Nachtrag: inzwischen vom Autor geändert.)

Freitag: „Ich habe hier gerade so viel Input, dass es etwas überläuft“, sagte einer in der Besprechung. Das sind exakt doppelt so viele Silben wie im Satz „Da bin ich noch nicht zu gekommen“. Kein Wunder, wenn da was überläuft.

Ansonsten endete eine weitere aufreibende Arbeitswoche.

(Bitte verzeihen Sie die mangelhafte Bildqualität – einhändig mit links zu fotografieren muss ich noch üben.)

Samstag: Der Geliebte erfährt zunehmendes Unbehagen bei der Begegnung mit anderen Menschen, größeren Ansammlungen gar. Wer ihm etwa beim Bäcker näher als zwei Meter zu Leibe rückt, wird in aller Deutlichkeit und ohne Ansehen der Person verbellt. Ich kann das sehr gut nachvollziehen, geht es mir doch ähnlich. Der Unterschied: Bei mir war das schon früher so, lange vor diesem C.

Die Liste wurde fortgeschrieben. In dem Zusammenhang sei die Lektüre dieses Buches und diese mir freundlicherweise zugesandte Szene empfohlen:

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Sonntag: Die örtliche Volt-Partei ist zu loben. Nicht, weil sie ein vereinigtes Europa will – ja, deswegen auch, gerade in diesen Zeiten, da die nach mehr Nationalstaatlichkeit rufenden Stimmen zunehmend lauter werden -, sondern weil sie übrig gebliebene Wahlplakate der letzten Kommunalwahl wiederverwendet für die bevorstehende Bundestagswahl. Vielleicht ist das praktizierte soziale Nachhaltigkeit.

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Auf einem anderen Plakat derselben Partei steht übrigens „Nachhaltig bauen wie in Barcelona“. Was auch immer das bedeutet.

Als ich nachmittags im Café um die Ecke Kuchen für die Lieben und mich holte, wurde ich Zeuge einer Kakaobestellung: heller Kakao, ohne Mich, dafür auf Wasserbasis, mit Sahne, to go. Jeder ist auf seine eigene Weise seltsam.

Augenscheinlich ist heute internationaler Stell-deine-Waschmaschine-raus-Tag. Das sagt einem ja wieder keiner.