Woche 42/2025: Englisch sprechende Menschen in weißen Turnschuhen

Montag: „Words are very unnecessary“ sang Depeche Mode morgens im Radio. Ich fühlte mich bestätigt, was mich nicht davor bewahrte, gelegentlich sprechen zu müssen.

Meines Erachtens unnötige Worte verschwendete am frühen Abend auch der Liebste, als er eine Autofahrerin belehrte, die sich anschickte, im Halteverbot vor unserem Haus zu parken. Zum Dank hörte er „Ich parke aber immer hier“ und „Regeln? Nun kommen Sie mir nicht so!“ Mir ist es mittlerweile viel zu mühsam, fremde Leute auf ihr Fehlverhalten anzusprechen, wenn es mich nicht unmittelbar betrifft. Das macht nur schlechte Laune auf beiden Seiten und der Angesprochene ändert sein Verhalten erst recht nicht. Menschen wollen nicht belehrt werden. Wer nicht will, muss eben zahlen.

Aus der Zeitung: „Söders Strahlkraft ist innerhalb der CSU im Moment für niemand anderen auch nur ansatzweise erreichbar. Sein Glück sei es, dass es keinen zweiten Söder gebe.“ Nicht nur seins.

Dienstag: Auch heute fragte ich mich wieder, warum junge Kollegen nicht mehr in der Lage sind, ein einfaches „Hallo“ oder „Guten Morgen“ einigermaßen angemessen zu erwidern und mich stattdessen, während sie sich einen unverständlichen Grunzlaut abringen, anschauen, als hätte ich einen auffälligen Hautausschlag oder stünde unbekleidet vor ihnen. Was ist mit denen los?

Auch wunderte ich mich über die große Anzahl von Rechtschreibfehlern (über die sachlich-inhaltlichen äußere ich mich gar nicht) in gelesenen Anforderungsdokumenten. Wie sehr muss man unter Druck stehen, dass man sich das nicht nochmal durchliest, bevor man es absendet? Oder ist es Absicht, um den Anschein hoher Arbeitsbelastung entstehen zu lassen? Oder ist das einfach egal, Hauptsache man ahnt ungefähr, um was es geht?

Überhaupt wundere (oder ärgere) ich mich immer wieder über die zunehmend liederliche Art der werksinternen, manchmal aus -externen Kommunikation, nicht nur wegen Rechtschreib- und Grammatikfehlern. Vieles erfolgt nur noch auf Zuruf oder per Teams-Chat, schon eine Woche später kaum noch nachvollziehbar. Erst heute entging mir wieder eine mindestens wissenswerte Information, weil ich nicht Teil der betreffenden Chatgruppe war. Andererseits, wie eine frühere Kollegin zu sagen pflegte, ich zitierte es bereits mehrfach, was dessen Wahrheit nicht schmälert: Unwissenheit schafft Freizeit.

Beliebt ist es auch, zu einer Teams-Besprechung einzuladen ohne konkrete beziehungsweise im Einladungsbetreff nur rudimentär beschriebene Angabe, um was es geht. Solche Besprechungen enden oft nach kurzer Zeit, weil ich mich nicht in der Lage sehe und auch nicht bereit bin, die zu erörternden Fragen spontan, ohne Recherche oder wenigstens gründliches Nachdenken zu beantworten. Auf meine Bitte, mir das Problem noch einmal schriftlich zukommen zu lassen, kommt dann oft nichts mehr.

Immer öfter denke ich: Ich bin zu alt für diesen Scheiß. Vielleicht bin ich es wirklich.

Ansonsten war der Tag von leuchtendem Herbstgold verziert:

Morgens am Rhein
Ebenda
Auf dem Rückweg
Gülden auch das Oktoberfestbier im Glas

Mittwoch: Vormittags brachte eine Kollegin der Nachbarabteilung ihr Kind mit ins Büro. Kein Säugling, es kann schon laufen, und also lief es den Flur auf und ab, gefolgt von der mit durchdringender Stimme auf es einredenden Mutter und augenscheinlich zum Zwecke der Niedlichfindeaufforderung. An unserem Büro liefen sie dank geschlossener Glastür vorbei, was vielleicht auch am Augenrollen von mir und meiner Bürogenossin lag, die ähnlich antinatalistisch veranlagt ist wie ich.

Danach wurde das Kind noch lautstark (die Mutter) etwas bespaßt, ehe es wieder weg war, vielleicht abgeholt, und die Kollegin sich im Nachbarbüro platzierte, wo sie mit unverminderter Lautstärke lange und viel telefonierte.

Dafür war es abends zu Hause sehr ruhig, weil jemandem offenbar eine auch auf Nachfrage nicht näher beschriebene Laus über die Leber gelaufen war und er es deshalb vorzog, zu schweigen. Mir war es recht, siehe Montagmorgen.

Donnerstag: Diese ist eine gerade, somit eine kleine Woche, das heißt, heute hatte ich frei. Der Tag begann mit dem Frühstück im Kaufhof-Restaurant, das kurz nach der Öffnungszeit schon erstaunlich gut besucht war, keineswegs nur von Rentnern. Haben die nichts zu tun an einem Tag, da anständige Menschen arbeiten? Vielleicht waren das Touristen, oder Lehrer in den Herbstferien.

Danach übte ich mich in Örben Heiking; für eine längere Wanderung war keine Zeit, da ich in Bereitschaft war zur Erledigung einer Vereinsangelegenheit, namentlich Korrekturlesen eines Druckwerks, das bis Anfang November fertig sein muss und morgen in den Druck gehen sollte. Dazu benötigte ich die Zuarbeit anderer, die im Laufe des Tages eintreffen sollte. Um dennoch wenigstens etwas in Gehgenuss zu kommen, fuhr ich mit dem Bus bis zur Endhaltestelle im Stadtteil Brüser Berg, von dort ging ich zu Fuß zurück durch das mir bislang unbekannte, herbstlich eingefärbte Derletal, Duisdorf, Lessenich, das Messdorfer Feld, Endenich und die Weststadt; Ziel war die Gaststätte am Friedensplatz, wo ich am frühen Nachmittag eintraf, um mich mit Hilfe von Currywurst und Bier zu regenerieren.

Im Derletal
Ebendorten
Für die Sammlung – ein außergewöhnlich pitoresker Trafoturm in Lessenich
Messdorf
Essigbäume im Messdorfer Feld
Fassaden in der Weststadt

Frisch gestärkt war ich bereit für die Vereinsangelegenheit, jedoch traf die Zuarbeit heute nicht mehr ein. Dann geht es eben erst Montag in den Druck, sollte auch noch reichen. So lange wie es dauert, dauert es halt.

Freitag: „… wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, …“ beginnt eine Mail, die mich auf die Teilnahme an der regelmäßigen Pflichtschulung zur Korruptionsverhütung hinweist. Gerne hätte ich geantwortet „Die Freude ist ganz Ihrerseits“, wenn die Nachricht nicht von einem noreply-Absender gekommen wäre. Immerhin werde ich gesiezt, das ist mittlerweile selten in solchen Mitteilungen. Die Durchführung habe ich auf Montag terminiert, wenn die Arbeitslust ohnehin gering ist.

In der Kantine mittags war ich umgeben von englisch sprechenden Menschen in weißen Turnschuhen. Hat vermutlich nichts zu bedeuten, fiel mir nur auf.

Was schön war: Nach dem Mittagessen hatte ich Gelegenheit, an einer Führung für Externe durch den Turm teilzunehmen, in dem ich, mit zwei Unterbrechungen, vom ersten Tag seiner Inbetriebnahme vor dreiundzwanzig Jahren an arbeite. Viel Neues erfuhr ich dabei nicht, beging immerhin erstmals ein gläsernes Treppenhaus im Konferenzbereich, das weitgehend unnütz ist und, immerhin das war mir neu, seine Existenz der Tatsache verdankt, dass Kunst am Bau ab einer bestimmten Gebäudegröße Pflicht ist. Der Ordnung halber sei darauf hingewiesen, dass ich mich für die Führung in der Zeiterfassung ausgebucht hatte.

Auch schön: Die Wochenkolumne von Kurt Kister erscheint nach monatelanger Sommerpause wieder. Jedesmal, wenn er sich in eine solche Pause verabschiedet, lässt er ein wenig offen, ob er nochmal schreibend wiederkehren wird. Umso mehr freute es mich heute, als sie per Mail eintraf. Darin zitiert er einen gewissen Frank Turner mit diesem schönen Satz: „In einer Welt, die sich dafür entschieden hat, den Verstand zu verlieren, soll man wenigstens versuchen, freundlich zu sein.“ Ja, auch diesbezüglich sollte man stets bemüht sein.

Samstag: Während des Frühstücks mit dem Liebsten im Restaurant traf die bereits für Donnerstag erwartete Zuarbeit für das Vereins-Jahresheft ein, somit verbrachte ich anschließend einige Stunden am Schreibtisch. Was man so macht am Wochenende.

Der Begriff FOMO (fear of missing out, die Furcht, etwas zu verpassen) dürfte allgemein bekannt sein. Doch daneben gibt es auch MOMO, wie beim Hamburger Mitblogger zu lesen ist. Dazu schrieb er:

Mystery of Missing Out: Das Gefühl, etwas zu verpassen, ohne zu wissen, was es ist. Etwa weil andere nichts mehr über ihr vermeintlich tolles Erleben in den sozialen Medien teilen. Das ist ein sehr schönes Beispiel für Probleme, auf die ich noch nicht einmal ansatzweise gekommen bin.

Zeit für die nächste Frage. Heute ist der 291. Tag des Jahres. (Je nachdem, wo man schaut; nach anderen Quellen der 275. oder 290.; die meisten Quellen sagen 291, also glaube ich das mal. Ich könnte es auch mithilfe des Kalenders selbst ermitteln, aber so wichtig ich es nicht.) Frage 291 lautet: „Verzeihst du anderen Menschen leicht?“ Ja, ich glaube schon. Vielleicht, weil mir bislang nichts nachhaltig Unverzeihliches zugefügt wurde, jedenfalls erinnere ich mich an nichts derartiges. Auch meine Geburt war gut gemeint, da bin ich mir sicher. Sogar als der Geliebte vor ein paar Jahren mit dem Staubsauger über meine Modelleisenbahn ging, verrauchte der Zorn bald, nachdem diverse Figürchen und Fahrzeugteile aus dem Staubsaugerbeutel geborgen und wieder an den vorgesehenen Stellen befestigt waren. Vielleicht bin ich einfach zu gut für diese Welt.

Abends aßen wir mit einem befreundeten Paar, das wir lange nicht gesehen hatten, im französischen Restaurant. Exklusiv für uns gab es Lammkeule, die wir aus dem letzten Provence-Urlaub mitgebracht hatten, dazu perfekt passenden Rotwein aus Châteauneuf-du-Pape. Das war sehr schön und äußerst sättigend.

Sonntag: Noch immer gesättigt vom Vorabend verspürten wir nur geringen Frühstücksappetit, entsprechend unüppig fiel das Frühstück aus. Wesentlich empfänglicher für Nahrung zeigte sich eine Schar Raben am Rheinufer, die von Passanten mit Erdnüssen gefüttert wurden, wie ich während des Spaziergangs sah. Gerecht ist das nicht: Tauben dürfen nicht gefüttert werden, Raben schon.

Rheinufer
Innere Nordstadt

Ansonsten war es ein ruhiger Sonntag mit Lesezeit auf dem Sofa. Übrigens liest man nicht mehr einfach so, jedenfalls nicht längere Texte, Bücher gar, sondern man betreibt Deep Reading, wie ich hier las. Man geht ja auch seit geraumer Zeit nicht mehr einfach so durch einen Wald, sondern man betreibt Waldbaden. „In einer Welt, die sich dafür entschieden hat, den Verstand zu verlieren, …“ Siehe oben.

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Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Kommen Sie gut durch die Woche und bleiben Sie bei Verstand.

18:00