Montag: Am Wochenbeginn gab es wenig zu beklagen, was ja schon mal ganz gut ist. Wie erwartet zwickt es im unteren Rücken weiterhin, doch ist leichte Besserung zu spüren. So gelingt es fast schon wieder ohne Schmerzen, auf das Fahrrad zu steigen und hinterher wieder ab. Die Arbeitslust war steigerungsfähig, das wird schon, spätestens Donnerstag, sagt die Erfahrung. Immerhin endete der Arbeitstag mit einem kleinen kollegialen Umtrunk und Pizza zur Befeierung eines erfolgreichen Projekts. Zwar ist das noch nicht abgeschlossen, doch das wird schon, spätestens … mal sehen. Betrachten wir es als ein Reinfeiern. Außerdem soll man Feste feiern wie sie fallen; wer weiß, ob es demnächst noch was zu feiern gibt in diesen Zeiten, um auch mal in den allgemeinen Pessimismus einzustimmen.
Apropos demnächst: Die Medien widmen sich intensiv der Frage, ob Merz oder Scholz das Kanzlerkandidatenwettreden (ich finde den in diesem Zusammenhang üblichen Begriff Duell unangemessen) gestern Abend gewonnen hat. Wie nicht anders zu erwarten sieht jede der beiden Parteien ihren Vertreter als Sieger, die Kandidaten sich selbst sowieso, alles andere wäre verwunderlich. Ich verstehe nicht, weshalb darum soviel Gewese gemacht hat; das ist doch völlig unerheblich und es erscheint mir fragwürdig, daraus eine Wahlentscheidung abzuleiten.
Dienstag: Zu Fuß ins Werk, aus terminlichen Gründen mit der Bahn zurück, da am frühen Abend bereits die nächste kollegial-gastronomische Zusammenkunft anstand, ohne Zusammenhang zum gestrigen Umtrunk. Bitte denken sie nicht, das wäre ständig so, in dieser Woche waren es zufällig gleich zwei Treffen. Das Lokal war vollbesetzt, für einen normalen Dienstagabend erstaunlich. Spätestens als direkt neben uns ein Musiker mit elektrisch verstärkter Gitarre und Mundharmonika begann, Tischgespräche zu verunmöglichen, wurde es Zeit, zu gehen. Bevor er um Münzgeld anhaltend durch die Reihen ging, war ich weg. Meine bereits geäußerte Abneigung gegen derartige Livemusik wurde ein weiteres Mal bestätigt.

Mittwoch: Der Arbeitstag war lang, aber nicht sehr arbeitsreich, da ich einen großen Teil davon mit vielen Leuten in einem Besprechungsraum verbrachte, zuhörte und aus dem Fenster schaute. Es liegt mir fern, das zu beklagen, es gibt unangenehmere Arten, sein Gehalt zu *räusper* verdienen. Bei den nur noch seltenen Präsenz-Besprechungen achte ich stets darauf, einen Platz mit Fensterblick zu haben, auch wenn es dort selten etwas Außergewöhnliches zu sehen gibt. Derweil wurde im Besprechungsraum nebenan zeitweise ungefähr im Zehnsekundentakt applaudiert. Was auch immer dort aufgeführt wurde, ohrenscheinlich war da mehr los als bei uns. Auch das keine Klage, eher im Gegenteil.
Etwas weniger applaudiert wird womöglich demnächst woanders: „Sparschock für Oper und Orchester“ übertitelt die Zeitung einen Artikel, weiterhin fallen die Wörter „massiv“ und „Paukenschlag“, letzteres in diesem Zusammenhang besonders originell. Darum geht es: Die Stadt Bonn muss sparen, deshalb hat sie angekündigt, den jährlichen Zuschuss für Kultur ab 2029 um gut fünf Millionen Euro zu kürzen. Wenn man bedenkt, dass allein für Oper und Theater im letzten Jahr fast 33,8 Millionen Euro ausgegeben wurden, schrumpft der massive Paukenschlag zu einer leisen Flatulenz, aber die riechen ja oft am übelsten.
Am Montag hatte ich die Fahrradwerkstatt per Mail um einen Termin für die jährliche Inspektion gebeten, in den Vorjahren wurde sie im Februar/März durchgeführt. Heute kam der Termin: Anfang Mai. Vermutlich leidet auch die Werkstatt unter Personalmangel, wie so viele.
Donnerstag: Im Briefkasten lagen heute die Briefwahl-Unterlagen für die Bundestagswahl. (Warum heißt das so? Worunter legt man die? – Ich schweife ab.) Wenn ich jetzt nur wüsste, wo ich die Kreuze machen soll. Und was nützt es, die Kreuze an der vermeintlich richtigen Stelle zu machen, wenn nachher über fünfzig Prozent der Wähler vielleicht das falsche ankreuzen? Das ist selbstverständlich kein Grund, nicht zu wählen.
Wenn Sie sich auch unsicher sind und dem Wahl-O-Mat nicht trauen, gibt es als Alternative den Real-O-Mat. Auf der Startseite heißt es: „Der Real-O-Mat schaut nicht auf die Wahlversprechen, sondern gleicht das tatsächliche Abstimmungsverhalten der Fraktionen und Gruppen zu aktuellen politischen Themen mit Ihrer persönlichen Position ab. Grundlage sind dabei Anträge und Gesetzentwürfe im Bundestag.“ Ich habe es ausprobiert und bin vom Ergebnis etwas überrascht, doch es erscheint mir akzeptabel.
Das Kreuz mit dem Kreuz. Meinem Rücken geht es übrigens viel besser, nur noch selten zwickt es, und dann im gewohnten Rahmen.

Freitag: Ein weiterer Tag in Trübnis ohne Schreibtisch-Aussicht auf das Siebengebirge. Erst nachmittags schimmerten die sieben Berge (ja ich weiß, es sind mehr) vage, mehr eine Ahnung denn Aussicht, durch den dichten Dunst. Immerhin beruhigend, sie sind noch da, nachdem sie zwei Tage lang verhüllt waren. Man muss ja mit allem rechnen in diesen Zeiten.
Leider muss ich mich von diesem Blick bald schon wieder verabschieden. Nicht, dass der Ruhestand nahte, dann begönne dieser Satz nicht mit „Leider“. Bereits Anfang März ziehe ich aus organisatorischen Gründen von der achtundzwanzigsten in die dreiundzwanzigste Etage, was nur räumlich ein Abstieg ist, ansonsten bleibt (fast) alles beim Alten. Dann sitze ich in der entgegengesetzten Ecke des Turms mit Blick auf die Stadt statt die Berge. Von mir aus, ich werde schließlich (meistens) nicht gut dafür bezahlt, aus dem Fenster zu schauen. Dennoch, ein wenig werde ich sie vermissen, auch das Morgenrot und die Sonnenaufgänge. Im künftigen Büro dann vielleicht Abendrot und Sonnenuntergänge, wenn ich lange genug bleibe.
Ansonsten herrschte die Trübnis nur draußen, innerlich ging die Wochenend-Sonne auf.

Samstag: „Geeignet sei das Motorschiff für ganzjährige Veranstaltungen wie Geburtstage, Hochzeiten, Firmenevents oder Weihnachtsfeiern“ steht in einem Zeitungsbericht über ein neues Ausflugsschiff auf dem Rhein. Eine ganzjährige Weihnachts- oder Firmenfeier erscheint mir wenig vergnüglich.
Vergnüglich dagegen der Besuch der Außenveranstaltung einer befreundeten Bonner Karnevalsgesellschaft auf dem Marktplatz, bei der wir seit geraumer Zeit Fördermitglied sind, was zum Tragen des Ordens und der Feldmütze (umgangssprachlich auch Schiffchen genannt) der Gesellschaft berechtigt. Wir fühlen uns gut aufgenommen. Neben Sekt und Kölsch war zur inneren Wärmung auch köstliche Erbsensuppe im Angebot.

Sehr vergnüglich auch der Abend: Unsere Karnevalsgesellschaft fuhr mit dem Bus zu einem Auftritt nach Herdorf im Westerwald. Vor Abfahrt kam es zum kleinen Eklat, weil der Busfahrer es versäumt hatte, Getränke für die lange Fahrt zu beschaffen. Der Mangel konnte rasch beim örtlichen Getränkehändler behoben werden, so dass die Anreise nicht allzu trocken geriet.
Vor und nach dem Auftritt verbrachten wir die Zeit in einer Gaststätte neben dem Festsaal. Dort durfte, wie generell in Rheinland-Pfalz, noch geraucht werden, wovon reichlich Gebrauch gemacht wurde. Ein wenig fühlte ich mich zurückversetzt in längst vergangene Zeiten, als in Kneipen und Restaurants mit großer Selbstverständlichkeit geraucht wurde. Obwohl seit inzwischen mehr als fünf Jahren Nichtraucher, hat es mich nicht gestört.
Ansonsten scheint das dort eine sehr hübsche Gegend zu sein; wegen Dunkelheit ließ sich das nur erahnen.
Sonntag: Wegen der Vorabendaktivität und später Rückkehr verzögerte sich der gewohnte Tagesablauf um gut eine Stunde.
Der Weinkritiker Stephan Reinhardt in der FAS:
Und es ist alles viel individualistischer geworden, jeder ist mehr oder weniger mit sich beschäftigt. Wenn eine Gruppe in der Wirtschaft sitzt, schaut jeder auf sein Telefon. Um dort was zu finden? Erlösung? Wir könnten uns alle ruhig mal wieder mehr Gelassenheit gönnen. Stattdessen feiern wir Leute, die es geschafft haben, ihr Kind nicht mehr betrunken in den Kindergarten zu fahren, und darüber ein Buch geschrieben haben. Wow.
Beim Spaziergang durch die Nordstadt erneut die Frage, die in letzter Zeit und voraussichtlich bis auf Weiteres in anderen Zusammenhängen häufig gestellt wird: Wie konnte es dazu kommen?

Zum guten Schluss: Erfreulich waren in dieser Woche das nachlassende Rückenleiden, die vom Saalpublikum in Herdorf entgegengebrachte Begeisterung für unseren Auftritt und getrüffeltes Rührei am Sonntagabend.
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Ich wünsche Ihnen eine angenehme Woche möglichst ohne innere und äußere Trübnis. Bitte wählen Sie, aber darauf muss ich Sie ja nicht extra hinweisen, oder?
