Eine Schwalbe, Sommer und so

schwulball

Fußball interessiert mich bekanntlich kein Stück. Die Bundesliga ist mir vollkommen egal, und auch in diesem Jahr werde ich die Weltmeisterschaft im Rahmen bestehender Möglichkeiten ignorieren. So verwundert es nicht, dass ich den Namen Thomas Hitzlsperger in dieser Woche zum ersten Mal hörte. Jener Fußballprofi a. D., der nun bekannt gab, schwul zu sein. (Ich vermeide bewusst die Formulierung „sich dazu bekannte“. Man kann sich schuldig bekennen, jedoch nicht seiner sexuellen Orientierung. Es bekennt sich ja auch niemand seiner Linkshändigkeit oder Abneigung gegen Ingwer. Er/sie sagt es einfach.)

Thomas Hitzlsperger erfuhr viel Lob, Anerkennung und Respektsbekundungen von allen Seiten, Sportfunktionäre, Politiker, Fernsehgrößen, Nachrichten- und Zeitungskommentatoren beglückwünschten ihn zu seinem mutigen Schritt an die Öffentlichkeit, auch der Regierungssprecher Steffen Seibert äußerte sich zustimmend. Man spricht gar schon von einer Wende in der bislang höchst homophoben Männerdomäne des Profifußballs.

Doch langsam mit den jungen Pferden! Ja, in den letzten Jahren hat sich viel getan in Sachen Anerkennung gleichgeschlechtlicher Liebe, zahlreiche Prominente wie Politiker machen kein Geheimnis mehr aus ihrer Lebensweise, und das ist auch gut so, um Klaus Wowereit zu zitieren. Wie schwer diese Entscheidung ist, weiß ich aus eigener Erfahrung, und ich bin nun wirklich nicht prominent; lange Zeit wartete ich damit aus Angst vor beruflichen Nachteilen und persönlichen Anfeindungen, die sich zum Glück im Nachhinein als unbegründet erwiesen hat. Und doch – noch heute habe ich manchmal Hemmungen, gegenüber Leuten, die meine persönlichen Verhältnisse nicht kennen, von „meinem Mann“ zu sprechen, mit dem ich nun schon so lange zusammenlebe.

Es ist noch gar nicht lange her, da wurden – im Iran, wenn ich mich recht erinnere – zwei Jungs öffentlich erhängt, nur weil sie sich geliebt hatten. In vielen arabischen Ländern ist Homosexualität bei hoher Strafe verboten, in Russland ist es gar verboten, nur darüber zu sprechen. Der Fifa-Präsident Blatter hat schwule Fußballfans, die beabsichtigen, 2022 der WM in Katar beizuwohnen, dazu aufgerufen, dort auf Beiwohnung zu verzichten, „aus Respekt vor dem Gastgeberland“, das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen.

Doch müssen wir gar nicht so weit schauen. Auch hierzulande werden hohe Vertreter der katholischen Kirche nicht müde, Homosexualität als widernatürlichen Verstoß gegen Gottes Schöpfung zu geißeln, und Norbert Blüm (Sie erinnern sich, der kleine Mann mit der sicheren Rente) belehrt mit einem Aufsatz in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung das Bundesverfassungsgericht, die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare widerspräche dem Willen des Verfassungsgebers, mit der weder nachvollziehbaren noch totzukriegenden Logik, eine Gleichstellung benachteilige „richtige“ Ehepaare. Während ich diese Zeilen schreibe, hat eine Online-Petition, die sich gegen die Aufklärung baden-württembergischer Schüler über sexuelle Vielfalt richtet, über 95.000 Unterzeichner. (Zur Gegen-Petition bitte hier entlang.)

Es bedarf noch zahlreicher Hitzlspergers, nicht nur aus dem Spitzensport, sondern zum Beispiel auch aus dem Kreise hoher Manager, bis wir uns vielleicht wirklich eines Tages ein Stück weit in Richtung Normalität bewegen. Wobei ich heute keinem aktiven Fußballprofi anraten kann, sich zu offenbaren, er hätte vermutlich auf dem Spielfeld und in der Kabine nichts mehr zu lachen. So lange Leute wie Hitzlsperger Lob und Respekt für ihren mutigen Schritt erfahren anstatt eines achselzuckenden Na-und-ist-eben-so, so lange ‚schwul‘ eines der beliebtesten Schimpfwörter unter Jugendlichen ist, so lange bleibt noch viel zu tun.

Aber ich will nicht pessimistisch oder undankbar sein – es besteht Hoffnung. Und vielleicht fragt ja eines Tages auch niemand mehr, wer bei uns die Frau ist. Gut, das ist dann vielleicht doch etwas zu viel erwartet.