Montag: „Ich bin mal afk“ schrieben während einer Zoom-Zusammenkunft gleich zwei Kollegen in den Chat. „afk?“ Nie zuvor gelesen. Vielleicht „auf Klo“? Aber nein: „away from keybord“, auf gut-westfälisch: wech vonne Tasten, wie eine kurze Recherche ergab, also womöglich durchaus dem Drängen der Peristaltik folgend. Wieder was gelernt, was ich nie wissen wollte.
Mittags nach dem Kantinenbesuch, während einer Runde durch den Rheinauenpark, sah ich einen Mitarbeiter der städtischen Entsorgungsbetriebe, der mit seinem kommunalorangen Fahrzeug und in ebendieser Farbe gekleidet die Abfallbehälter im Park leerte. Dabei dachte ich daran, was ich den ganzen Tag so am Schreibtisch mache und fragte mich, warum die Leute mit den wichtigsten Berufen oft am schlechtesten bezahlt werden.
Dienstag: Lobte ich nicht kürzlich erst den Sender WDR 4? Ein wenig davon muss ich zurücknehmen: Morgens während des Brausebades spielten sie Giesingers Jammern von der frustrierten tanzende Mutter. Leider zur Unzeit, ich stand gerade im Schaum und konnte nicht korrigierend eingreifen.
In einer Wochenmail las ich das schöne Wort „Schallereignis“, wobei das vorstehend genannte eines der eher unschönen Art war.
Bei Aufbruch zur Kantine im Mutterhaus stand ein Grillwagen vor dem Werkstor, ich entschied mich spontan um und erstand dort eine Currywurst mit Pommes, die ich in der Cafeteria unseres Nebengebäudes zu mir nahm, beziehungsweise dem Bereich, der davon übrig geblieben ist: einige Tische und Stühle, wohingegen der Verkaufstresen seit etwa achtzehn Monaten verwaist ist, Sie wissen schon warum. Obwohl inzwischen wieder einige Kollegen von der Heimarbeit in die Büros zurückgekehrt sind, saß und aß ich dort alleine, was ich grundsätzlich nicht als unangenehm empfinde. Notiz an mich: Nächstes Mal so setzen, dass nicht jeder, der zufällig vorbeigeht, sich verpflichtet fühlt, „guten Appetit“ zu rufen.
Mittwoch: Völlig egal, wie lange es noch bis Weihnachten ist – wenn es bei Rewe Nougat-Marzipan-Baumstämme gibt, werden die gekauft. Basta.

Nachmittags wollte ich eine Mail an Saskia Esken schreiben. Nicht Tipps zu den anstehenden Sondierungsgesprächen, sondern was dienstliches. Erst als Outlook den Namen nicht im werksinternen Adressbuch fand, bemerkte ich, dass die anzuschreiben beabsichtigte Kollegin zwar Saskia, jedoch nicht Esken heißt, auch mit E am Anfang, aber eben ganz anders. Die machen einen aber auch langsam verrückt.
Donnerstag: Bei allem, was man tut und denkt, sollte man stets auch das Ende im Blick haben.
„Lebt eigentlich die Hildegard von Bingen noch?“ – „Die ist 1179 gestorben.“ – „Quatsch, die hat doch Schmuck für QVC gemacht.“ Was hier abends so gesprochen wird.
Freitag: Der Tag begann im Nebel, verlief ansonsten in erfreulicher Weise, indes ohne notierenswerte Ereignisse und Beobachtungen, und endete in der Gastronomie, die wir weitgehend unbenebelt wieder verließen. Wozu hat man eigentlich so ein schönes Impfzertifikat, wenn das nirgendwo überprüft wird?
Samstag: Morgens wurde ich zur Unzeit geweckt, weil Bauarbeiter gegen acht begannen, den Gehweg vor unserem Haus mit schwerem Gerät aufzureißen, auf dass die Siedlung demnächst an die Glasfaser angeschlossen ist und meine notierten Quisquilien noch schneller in des Netzes Weiten gelangen.
Nach dem Frühstück machten der Liebste und ich einen Ausflug an die Mosel, um unsere Weinvorräte zu ergänzen, die zwar bei weitem nicht erschöpft sind, aber man weiß ja nie. „Die A3 ist mit dichtem Verkehr unterwegs“, war im Autoradio zu hören.
Gewissermaßen die Kehrseite des Weingenusses ist der Gang zum Altglascontainer. Nach Rückkehr von der Mosel sah ich auf dem Weg dorthin einen Maler vor seiner Staffelei stehend seiner Kunst nachgehen. Als Motiv hatte er nicht den Rhein, das Siebengebirge oder etwas anderes ortstypisch im Bild Festzuhaltendes gewählt, sondern ausgerechnet das Stadthaus, jenen wenig pittoresken Betonfelsen in der Bonner Innenstadt, der in naher Zukunft entweder saniert oder, mit etwas Glück, abgerissen wird; und zwar ausgerechnet die besonders hässliche Rückseite mit der Parkhausausfahrt. Im Nachhinein ärgere ich mich ein wenig über mein westfälisches Unvermögen, fremde Leute anzusprechen und ihn zu fragen, wo das fertige Bild anschließend zu besichtigen ist, ich könnte mir vorstellen, dass das Ergebnis durchaus hypsch anzusehen ist.

Sonntag: Heute war wieder einer der zahlreichen „letzten warmen Tage des Jahres“, wie sie immer sagen, wenn die Sonne noch einmal scheint und das Thermometer steigen lässt. Mal sehen, wie viele noch folgen. Und verkaufsoffener Sonntag in Bonn, für die, die sowas brauchen.
Und wieder ging der Nobelpreis an mir vorbei. Dann nächstes Jahr vielleicht.

Guten Morgen vom Niederrhein! Danke für die – wie immer – feinen Beobachtungen und das Teilen dieser. Es erleichtert den Wochenstart ungemein. Eine Frage im Nachgang zum heutigen Artikel: Sitzen Sie im Restaurant auch lieber mit dem Rücken zur „Gemeinde“? Wenn ja, würde mir dies helfen, diese Macke leichter zu nehmen.
Viele Grüße und eine angenehme Woche! Claudia
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Guten Morgen vom Mittelrhein und vielen Dank für das Lob! Zu Ihrer Frage: In öffentlichen Restaurants habe ich das allgemeine Geschehen gerne im Blick, in der Kantine indessen wegen der „Mahlzeit“- und „Guten Appetit“-Rufer lieber nicht. Als Macke würde ich das nicht sehen.
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Abwesend für Kaffee, Kippe, Klönschnack, Kurznickerchen, … Da gibt es viele Deutungen, die allesamt schöner sind als das Original.
Diese Fassade, die viele nicht als gelb bezeichnen könnten, ohne eine näher erklärende Silbe mit p voranzustellen, ist nun wirklich nicht das, was ich schön nennen würde. Die Farbe muß aber einst en vogue gewesen sein, denn die einstmals neuen Gebäude der Marburger Universität aus den 60er Jahren habe ich ganz ähnlich in Erinnerung.
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Das Foto täuscht, das Stadthaus ist einfach nur betongrau. Die Sonne verlieh ihm am Samstag einen scheinbar gelblichen Ton.
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Hallo Carsten, sag, konntest du, als du da neulich hilflos im Schaum standest, nicht deinerseits der Alexa-Tante zurufen, sie möge umschalten, leiser sein, stoppen oder das ungewollte Schallereignis anderweitig beenden? Ich hatte den Eindruck, mittlerweile sei die kluge Frau mit all euren Lautsprechern vernetzt. Vermutlich hätte sie dich aber sowieso nicht verstanden…
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Hallo Thomas, bei uns herrscht Frau Siri, nicht Alexa, die kommt mir auf keinen Fall ins Haus wegen meiner abgrundtiefen Abneigung gegen das A-Imperium. Allerdings nicht im Bad, dort wird das Radio noch klassisch per Tastendruck bedient. Jedenfalls ist meine anfängliche Begeisterung für WDR 4 nun deutlich gedämpft.
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Alexa, Siri, Google – alle gleich und keiner versteht einen. ICH verstehe das!
Hoffentlich liest der WDR mit.
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Lieber C.,
zum einen hat mich die Gestaltung Ihres (sich hoffentlich in weiter Ferne befindenden) letzten Tages bewegt (v.a. die Wahl des Songs und des Outfits sowie die Sache mit dem letzten Anruf kann ich zutiefst nachvollziehen), zum anderen hat sich mir beim Lesen endlich die wahre Bedeutung des seit einigen Jahren so inflationär gebrauchten „ok“ (gesprochen: „ohhkäii“) enthüllt: der Kommunikator möchte einfach nur mitteilen, dass er wieder „on keyboard“ ist. Na dann!
Ihnen noch eine schöne weitere Woche, ohne Störgeräusche während des Brausebads,
Ihre N.
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Liebe N,
vielen Dank, auch Ihnen weiterhin einen möglichst angenehmen Wochenverlauf. Nicht wahr, dieses „Okay“ mit bei abgehobener Stimmmodulation langgezogenen zweiten Silbe ist grauenhaft. Wobei ich den Eindruck habe, es wird inzwischen weniger gebraucht, zugunsten eines völlig überflüssigen „tatsächlich“.
Herzliche Grüße
Ihr C
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Ja, dieses „Okay“ ist schrecklich, ich höre (oder lese) es immer noch viel zu oft.
Aber was noch schlimmer ist: vor ein paar Wochen ertappte ich mich doch tatsächlich bei gehäufter „tatsächlich“-Verwendung (und das ausgerechnet noch bei einem längeren Telefonat!).
Seither höre ich mir immer überkritisch zu, wenn ich rede – oder habe das Sprechen sicherheitshalber ganz eingestellt.
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Es wird ohnehin viel zu viel gesprochen. Vielen Menschen, vor allem jüngeren, scheint es inzwischen unmöglich zu sein, von A nach B zu gehen ohne dabei zu telefonieren. Was reden die nur ständig?
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Möglicherweise geht es um reine Selbstvergewisserung, im Sinne eines „Ich rede, also bin ich“.
Ist zumindest eine meiner Thesen zu diesem Phänomen.
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Das passt zu dem, was ich neulich in einem Blog las: Was nicht fotografiert wird, ist auch nicht.
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Ein kluger Satz.
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Von einem beneidenswert klugen Blogger.
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Verraten Sie mir die URL?
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Natürlich gerne, wobei ich annehme, Sie kennen und lesen ihn längst: https://www.buddenbohm-und-soehne.de/
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Folge dir – super geschrieben! Mail an Saskia E., Hildegard von Bingen bei QVC und das Jammerlied bei WDR4 – das ist real Comedy
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Herzlichen Dank!
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