Woche 7: Ich bereue nichts

Montag: „Damit schaffen wir die Grundlage, die bereits erfolgreich begonnene Modernisierung und Weiterentwicklung der operativen Prozesse durch Automatisierung und Digitalisierung kontinuierlich voranzutreiben und die operativen Synergien künftig noch stärker zu nutzen.“ In gewisser Weise bewundere ich Menschen, die solche Sätze hervorbringen können. Wobei zweimal „operativ“ leichten Punktabzug nach sich zieht.

Laut einem Zeitungsbericht wurde in Argentinien eine bislang unbekannte Saurierart entdeckt und mit dem schönen Namen Bajadasaurus pronuspinax versehen. Die Biester wiesen bis zu einen Meter lange Stacheln am Hals auf, über deren Zweck die Forscher noch rätseln. Möglicherweise sollen sie gar die sexuelle Attraktivität ihrer Träger gesteigert haben. Na ich weiß nicht.

Dienstag: „Das soll kein Fingerpointing sein, wie man auf neudeutsch sagt“, erklärt der Projektleiter in einer Besprechung. Einmal mehr möchte ich aufstehen und ihm zurufen: „Das ist weder neu noch deutsch!“ – Merke: Wer unnötige Anglizismen in Umlauf bringt oder nachplappert, ist nicht klug, sondern nur zu faul.

„Was hält dich momentan am meisten auf?“, lautet die Frage des Tages bei Quergefönt. Ganz klar: Besprechungen.

(Bitte denken Sie sich hier das Bild eines wunderschönen Abendrotes über dem Bonner Venusberg zur Feierabendzeit, welches ich in Ermangelung eines geeigneten Fotostandpunktes nicht anfertigte. Gleichsam Verbal-Instagram.)

Frau Marie greift die Frage auf, ob es angezeigt ist, „Gesundheit!“ zu rufen, wenn jemand in der Nähe niest. Auch ich widmete mich vor längerer Zeit diesem Thema, (oder dieses Themas? Sebastian Sick wüsste es), und an meiner Meinung hat sich seitdem nichts geändert: Es ist Unfug. Nicht weil ich es sage, sondern ich sage es, weil es so ist.

Mittwoch: Am Ende eines Satzes „Punkt“ zu sagen, zur Bekräftigung des zuvor gesagten, ist ja auch eher so eine dumme Angewohnheit. Punkt.

Donnerstag: Gemäß vielfach verbreiteter Meinung ist der Valentinstag eine Erfindung der Blumenindustrie. Das schließe ich nicht völlig aus, glaube jedoch vielmehr, die Radiosender haben ihn sich ausgedacht, damit sie an diesem Tag die Hörer befragen können („Schreibt uns auf Facebook, was ihr vom Valentinstag haltet, oder ruft uns an unter …“), und sie, im Falle des Gutfindens, erzählen lassen, womit sie ihre Liebsten zu bestechen versuchen. Irgendwie muss die Sendezeit zwischen den Werbeblöcken ja gefüllt werden.

Aus der Reihe Wirklich schöne Sätze hier eine Fundsache bei Herrn Buddenbohm: „Man kann ja nicht immer geistreiche Bemerkungen machen und auch das Sagen des Offensichtlichen hat seine Berechtigung im sozialen Miteinander.“

Freitag: Eher zufällig bemerkte ich, dass das Tattoostudio in der Fußgängerzone, welches ich vor zwanzig Jahren in einem Anflug spätjugendlichen Übermutes aufsuchte, noch immer besteht. Jahrelang ging ich fast täglich daran vorbei, ohne ihm die geringste Aufmerksamkeit zu erweisen, vielleicht weil es im ersten Stock liegt und man in der Fußgängerzone eher selten den Blick nach oben richtet, man muss ja aufpassen, nicht mit einem anderen, in sein Datengerät vertieften Fußgänger zu kollidieren. Heute schaute ich zufällig doch mal hoch, und siehe da, das Studio ist immer noch an derselben Stelle, wer hätte das gedacht. Erstaunlich, wie man manchmal Dinge völlig aus dem Blick verliert und erst viele Jahre später feststellt, es gibt sie immer noch, sie waren nie weg. Gerade in Zeiten, wo nur weniges mehr gepriesen wird als der ständige Wandel.

Aus heutiger Sicht würde ich die Dienste des Studios wohl nicht mehr in Anspruch nehmen, doch halte ich es diesbezüglich wie Edith Piaf: Ich bereue nichts.

Samstag: Plötzlich ist Frühling. Ich kenne heute schon die Titelseite der Tageszeitungen am kommenden Montag. Dort werden zwei junge Frauen auf einer Parkbank oder vor einem Brunnen sitzend abgebildet sein, die Köpfe zusammengesteckt, jede grinsend an einem Eis schleckend, dazu diese oder eine ähnliche die Bildunterschrift: „Emma und Lisa-Marie genießen bei frühlingshaften Temperaturen das erste Eis.“ Wetten?

Abends Auftritt in Bad Breisig. Manchmal frage ich mich, welchem Zweck manche Dinge dienen.

KW7 - 1

Sonntag: Während die ersten Krokusse und Schneeglöckchen blühen, hier und dorten zartes Grün knospt, Kraniche zurück kehren, der Lieblingsbiergarten öffnet und ich den Fellbesatz von der Kapuze abnehme, gehen andere schon deutlich weiter:

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(Gesehen heute gegen 15:15 Uhr)

6 Gedanken zu “Woche 7: Ich bereue nichts

  1. Anna Mathilde Februar 19, 2019 / 09:54

    Dieses „Punkt“-Sagen empfinde ich in der Regel weniger als „Bekräftigung des zuvor Gesagten“ sondern als ein „Ende der Diskussion“. Ein Abwürgen, ein deutliches Stop-Schild.
    Vielen Dank übrigens für diese wöchentlichen Beobachtungen, ich lese hier immer sehr gerne mit 🙂

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    • stancerbn Februar 19, 2019 / 10:51

      Was es nicht besser macht.
      Vielen Dank für die lobenden Worte, das freut mich sehr!

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  2. voodooschaaf Februar 19, 2019 / 13:27

    Hihi, sowatt Aehnliches habe ich gestern auch getan.
    Allerdings ohne Brett und Badebekleidung, der Fluss ist auch nicht so breit und Boote gibbet hier auch keine.
    Aber wunderbar weiches Wasser mit sechs Grad.

    Es gruesst janz brav das Schaaf

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    • stancerbn Februar 19, 2019 / 13:52

      Herzliche Grüße zurück! Mir zieht sich bei dem Gedanken alles zusammen. „Wunderbar“ und „sechs Grad“ schließen sich gegenseitig aus.

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      • voodooschaaf Februar 19, 2019 / 14:07

        Gnihi.
        Hier schreibt dir ja auch eine gehandycappte Mermaid welche zum Zwecke der Bekaempfung chronischer Schmerzen sich dem feuchten Geliebten auch noch bei eisigen Temperaturen hingibt.

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