Abgeschrieben: Unbegabt

Manchmal, oder eher: selten entdecke ich in einem Blog einen Text, bei dem ich denke: Genau, das bin ich! Dies trifft auf den Text „Unbegabt“ in dem von mir sehr geschätzten und wärmstens empfohlenen Blog Mind-Penetrator zu, vor allem die Stelle mit dem Sport. Mit freundlicher Erlaubnis darf ich ihn hier wiedergeben. Viel Vergnügen!

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„Das ist aber ein schönes Bild, so bunt. Soll das ein Herbstwald sein?“
„Nein, das ist eine Giraffe!“

So fing es an. Malen war nie meins. Unglücklicherweise malt man sehr viel in seiner Schullaufbahn. Eigentlich werden die Bilder immer anspruchsvoller… mit Fluchtpunkten und Aquarell. Und jeder meiner Klasse entwickelte sich weiter. Die Bilder wurden ausgehängt und die Eltern konnten stolz die Werke ihrer Kinder bestaunen. Meine Eltern nicht. Nie. Die Bilder verschwanden vor der Ausstellung auf mysteriöse Weise. Vielleicht auch Glück für meine Eltern, sonst hätten sie das Trauerspiel noch schön reden müssen.
Einmal sollten wir uns einen Arbeitspartner suchen und ein Portrait zeichnen. Mein Arbeitspartner hat danach nie wieder mit mir gesprochen.

Ton- und Holzfiguren waren da schon einfacher… die Arbeit mit nach Hause nehmen, das Häufchen Elend Mutter in die Hand drücken, die glücklicherweise ein besseres Händchen dafür hatte, und machen lassen. Sie hat eine glatte 2 dafür bekommen.

Es ist nicht so, als hätte ich nicht gewollt, aber ich konnte es einfach nicht. Das hält sich hartnäckig bis heute.

Man kann ja nicht alles können. Dafür könnte man ja sportlich sein. Nunja. Nein. Ich habe mir während des Sportunterrichts zwei Mal den Arm gebrochen. Nicht bei extravaganten Turnübungen, Stabhochsprung oder waghalsigen Figuren am Reck oder an den Ringen. Soweit wäre ich nie gegangen. Ich habe Geräteturnen ohnehin gehasst. Dieser blöde Bock wurde beim Daraufzulaufen immer höher… ein Wolkenkratzer und das vergleichsweise minimalitische Sprungbrett verschwindend klein. Grundsätzlich habe ich eine Sekunde vorher abgedreht und mich wieder hinten in die Schlange eingereiht.
Den Arm hatte ich mir beide Male beim Joggen gebrochen. Einmal bin ich ausgerutscht, das andere Mal gegen die Wand gelaufen. Ja, ich bin schon eine Sportskanone.
Ballspiele endeten in einer Katastrophe. Badminton hat sich mir bis heute nicht erschlossen: ein derart winziger Schläger für einen vergleichsweise großen Ball… Und das Netz… wieso muss da ein Netz hängen?
Brennball.. für mich ein winzig kleiner Ball, den man in der Unendlichkeit der Sporthalle aufheben – im schlimmsten Fall – fangen muss.
Bei Fußball endete der Spaß gänzlich, nachdem ich mit voller Wucht derart heftig angeschossen wurde, dass ich wie ein Pappmännchen zu Boden ging.

Sportfeste waren der Gipfel meiner Erniedrigung. Es gibt viele Fotos mit den Teilnehmern, die stolz ihre Ehren- und Siegerurkunden in den Händen halten. Von mir nicht. Ich war grundsätzlich froh, wenn ich es beim Weitsprung überhaupt in den Sand schaffte, beim Ballwurf niemandem den Ball vor den Kopf warf und beim Laufen die Endmarke erreichte. Mein ganzer Stolz war es, weder mich selbst, noch andere verletzt zu haben.

Aber es gab ja auch Musikunterricht. Angefangen beim Blockflötenspiel. Ich hasse Blockflöten. Dieses dissonante Gefiepe, bei dem man möglichst stolz drein blicken muss, während das Kind mit strahlenden Augen „Alle meine Entchen“ zum Besten gibt. Ich habe mich erfolgreich gegen Blockflöten gewehrt und habe mich an dem Keyboard versucht. Nach einigen Übungsstunden und blutenden Ohren meiner Zuhörer gab ich es auf. Zum Wohle meiner Mitmenschen.
Beim Singen im Musikunterricht konnte ich glänzen. Dachte ich. Nach der 3. Stunde nahm unser Musiklehrer mich beiseite. Mit der Bitte, ab sofort nur noch die Lippen zu bewegen, ohne einen Ton zu erzeugen.

Musikalisch bin ich also auch nicht.

All das liegt lange zurück und ich habe mich nie unterkriegen lassen. Grundsätzlich probiere ich neue Sachen aus, um zu sehen, wie talentfrei ich genau in diesem Bereich bin. So weiß ich wenigstens, was ich alles nicht kann. Oder was ich weniger nicht kann.
Bälle, Musikinstrumente und Malwerkzeuge sind aus meinem Leben verschwunden. Ebenso wie eine Werkzeugkiste. Möbel zusammenbauen ist auch eher ein Nicht-Talent von mir. Eigentlich war es nur ein Nachttischchen mit 4 Brettern und 3 Schrauben. Es kostete mich einen Tag, ca. 1 Liter Blut. Schließlich war es fertig, hatte allerdings linkerhand einen Riss von rechts unten nach links oben. Die Kunst ist, es so hinzustellen, dass die Macke nicht mehr auffällt.

Kochen ist ebenso eines meiner vielen Nicht-Talente. Bekannte und Familie nehmen vorher ein großes Mahl ein, denn bei mir gibt es meistens Kleinigkeiten, die zwar gut aussehen können, aber weder satt machen noch besonders schmackhaft sind. Dafür gibt es bei mir genug alkoholische Getränke – als Wiedergutmachung – und zum Nachspülen.

Wenn man nicht-talentiert ist, sollte das größte Talent sein, all sein Nicht-Können charmant zu vertuschen. Es bedarf viel Humor. Und genau das kann ich: über mich selber lachen. Mich davon nicht beeindrucken lassen. Und wenn mich jemand fragt, was ich besonders gut kann, antworte ich: „Nichts. Aber das kann ich richtig gut und mit voller Leidenschaft.“

Und dann schaue ich mit verträumten Blick aus dem Fenster und stelle mir vor, wie ich mit einer Gitarre in der Hand an den Ringen Kunststücke vollbringe und nebenher ein Nachttischchen zusammenbaue.

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Quelle: http://mindpenetrator.blogspot.de/2012/08/unbegabt.html

3 Gedanken zu “Abgeschrieben: Unbegabt

  1. ThomasS September 7, 2012 / 04:14

    Stimmt, der Text könnte wirklich von dir sein. Hättest du nicht vorab darauf hingewiesen, dass es nur „abgeschrieben“ wurde … ich glaube, ich hätte den Unterschied gar nicht bemerkt.

    Immerhin kann der Autor zumindest eines, nämlich schreiben! 🙂 Hätte es an seiner Schule das Wahlfach „Kreatives Schreiben“ gegeben … er hätte gewiss eine 1+ abgestaubt.

    Und da kann ich nur sagen: Schuster, bleib bei deinen Leisten. Auch wenn es Leute gibt, die für das Gegenteil plädieren … nämlich dass jedermann unbedingt neue Dinge beginnen soll, auch auf die Gefahr hin (bzw. sogar im Wissen darum), dass die nicht unbedingt zu den eigenen Stärken zählen. Im harmlosesten Fall macht man sich damit nur selbst lächerlich, schadet also nur sich selbst. Im schlimmsten Fall schadet man auch anderen, weil man sich zu viel zutraut und weil Anspruch und Kompetenz allzu weit auseinanderklaffen. Prominente Beispiele, die mir ad hoc einfallen, sind etwa Ludwig Erhard (als Minister ein Finanzgenie, aber als Bundeskanzler grandios gescheitert) und der GröFaZ (zweifellos ein brillianter Redner und Demagoge, aber ansonsten ein katastrophaler Stümper).

    Sport und Kunst waren zu Schulzeiten auch meine Problemfächer, wo ich nie was zustande brachte.
    Musik in gewissem Sinne auch (obgleich ich mich selbst auch heute noch noch nicht für total unmusikalisch halte). Aber das Fach wurde in den meisten Fällen eh nur vom Lehrer ernst genommen, bzw. von den Mitschülern, die seit dem 5. Lebensjahr z.B. privaten Klavierunterricht hatten und bis in die Pubertät dabei geblieben waren. Natürlich waren die gut! Nicht unbedingt begabungsfördernd und motivierend ist es allerdings, wenn so ein arroganter Fachidiot von Lehrer sich nur mit seinen Guten beschäftigt und sofort eingreift, sobald während der Pause mal ein Schüler es wagt, kurz das Keyboard zu bedienen. Logisch … das kostbare Instrument könnte durch die Berührung eines Unberufenen ja beschädigt oder zumindest entweiht werden. Darum wurde es ja auch nicht mitten im Klassenraum aufgestellt, sondern hinter Glas in einer Vitrine. Huhu, Herr Förster! Während meiner Schulzeit habe ich als Lehrkraft manchen Fachidioten erlebt ohne jegliche soziale, geschweige denn pädagogische Kompetenz. Aber die echten Fanatiker im lehrkörper… die gab’s nur bei den Begabungsfächern wie Sport, Kunst und Musik.

    Ich habe mich z.B. auch nie für Geographie, bzw. Erdkunde interessiert. Bis heute nicht … einfach deshalb, weil ich nie das Gefühl hatte, dass ich das irgendwann mal brauche. Bis heute reise ich nicht gern. Aber das lässt sich zur Not mit Disziplin ausgleichen, wenn man auf einen guten Notendurchschnitt aus ist. Bei Sport, Kunst oder Musik hat man da hingegen keine Chance. Entweder man kann von der Veranlagung her einigermaßen mithalten oder eben nicht.

    Zumindest in Kunst und Sport habe ich letztlich immer eine Gnaden-Zensur bekommen, die ich nicht wirklich verdient hatte. Eine Drei oder eine Vier. Aber das ist doch eh nur eine faule Kompromisslösung. Aus diesem Grund würde ich dafür plädieren, solche Begabungsfächer aus der Benotung komplett rauszunehmen. Wenn nicht gar dafür, diese Fächer nur noch als freiwillige Nachmittags-AGs zu betreiben. Wer daran Interesse hat, kann dann mitmachen, alle anderen, die sich durch die Teilnahme eh nur zum Hanswurst machen würden und für den Rest ihres Lebens einen Komplex mitnehmen, die bleiben halt wech. Dasselbe gilt für die Bundesjungendspiele. Was ich so mit 12, 13 Jahren für Prozeduren auf mich genommen habe, um an dieser Pflichtveranstaltung nicht teilnehmen zu müssen, will wahrscheinlich keiner wissen …

    Aber vielleicht ist das ja sogar inzwischen sogar geändert. Bin zu lange raus aus der Schule.

    Ein Alternativvorschlag wäre: Die Schule bietet extra Kurse an wie etwa „Sport für Bewegungslegastheniker“, „Kunst für Farben- und Formblinde“ oder „Musik für Theoretiker“. Zumindest in Sachen Sport weiß ich, dass an manchen Volkshochschulen solche Kurse angeboten werden. Aber dann liegt der Karren zumeist eh im Dreck und ein Großteil der potenziellen Klientel hat eh ihren Knacks weg und keinen Bock mehr.

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  2. ThomasS September 7, 2012 / 04:54

    Soweit ich diesen Musiklehrer Herrn Förster in Erinnerung habe, kam der eigentlich immer sehr smart und sehr entspannt rüber mit seinem Dauergrinsen im Bart … ganz im Gegensatz zu seinem Kollegen, der sich selbst regelmäßig als „Kunsterzieher“ bezeichnet hat (wobei „Erziehung“ – gelinde gesagt – nicht unbedingt der allererste Begriff wäre, den ich mit diesem Mann in Verbindung bringen würde) und als solcher die anderen Leute aus der Klasse parallel unterrichtet hat. An dieser Schule durfte sich nämlich jeder Tertianer selbst entscheiden, ob er im Zweifelsfall lieber im Fach Kunst oder im Fach Musik scheitern möchte. Und diese Schule war zu meiner Zeit sogar eher fortschrittlich.

    Ich meine, damit ist die These „Probier halt mal was Neues“ doch schonmal widerlegt. Diese beiden Herren hatten zweifellos rein zeichnerisch was drauf, bzw. konnten gut Musik machen. Aber im Umgang mit Schülern war jeder von beiden auf seine Art ein totaler Rohrkrepierer.

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  3. KerstinB September 10, 2012 / 21:27

    Hab im Kunstunterricht nie verstanden, warum nicht jeder, der irgendwas gemacht hatte, eine eins verdient hat. Wenn man sich mal die Werke „großer“ Künstler ansieht, dann ist das doch auch oft nur großer Schrott. Aber Kunstlehrer halten das für Kunst, nicht aber meinen Schrott, äh meine Werke? Und wenn wie im obigen Text beschrieben die Giraffe aussieht wie ein Herbstwald, dann ist das halt eine besondere Richtung der Kunst. Wer sagt uns denn schon, ob Da Vinci mit der Mona Lisa nicht auch eine Giraffe hatte malen wollen? Aber da ist es wie im Deutschunterricht. Man muss als Schüler nicht das interpretieren, was man selbst meint, sondern das was die Lehrer hören wollen, dann und nur dann bekommt man die guten Noten. Schade eigentlich.

    Und was den Sport angeht: Ich hatte nie Interesse an Wettkämpfen und wenn ich einen guten Tag hatte vielleicht gerade mal so eine Siegerurkunde, wenn überhaupt, aber gemein fand ich, dass mir ein Lehrer mal eine 3 in Sport geben wollte mit der Begründung, dass man bei den anderen Mädels meiner Klasse die Muskeln sehen könnte, bei mir aber nicht. Notengebung ist so subjektiv und überflüssig.

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